Mulfinger Stausee ist bei Badegästen sehr beliebt – und schützt vor Hochwasser
Manchmal muss auch nachts kontrolliert werden: Das Hochwasserrückhaltebecken "Mulfingen unten" ist zum Glück noch nie übergelaufen.

Wo an warmen Tagen die Badegäste ihre Handtücher ausbreiten, ist es nachts um eins menschenleer. Der Vollmond scheint auf den Mulfinger Stausee, und kein einziger Ton ist zu hören. Das ändert sich schlagartig, als Bürgermeister Robert Böhnel die Tür zum kleinen Häuschen aufschließt, in dem sich die Technik für das größte Hochwasserrückhaltebecken der Gemeinde befindet. Nicht nur, dass der Alarm sofort anschlägt - in normalen Nächten kommt um diese Uhrzeit schließlich niemand vorbei - genau unter dem Betriebsraum fließt das im Becken aufgestaute Wasser des Roggelshäuser Baches über die sogenannte Überfallschwelle in den Grundablass. Mit ohrenbetäubendem Lärm.
Für Bürgermeister Böhnel, der erstmal schnell den Alarm abstellt, ist die Lautstärke jedoch "normal". In dieser Nacht nieselt es nur ein bisschen, aber wenn es mal richtig regnet, dann sei es wirklich laut, "da können Sie sich nicht mehr unterhalten". Die Niederschläge der vergangenen Tage jedoch fallen nicht in die Kategorie und waren auch sonst für das Becken kein Problem, das wird auch bei einem Blick auf das Display im Betriebsraum deutlich: Der Wasserstand hat sich nicht groß verändert. "Alles völlig unspektakulär", lautet die Einschätzung der Lage.
Bei Gefahr schlägt die Technik Alarm
Wäre Gefahr im Verzug, dann wüsste Böhnel das auch schon längst. Wenn der Wasserstand im Becken über die Höhe von 302 Metern/N.N. hinaus steigt, schlägt die Technik Alarm. Dann erhalten die beiden Stauwärter ein Signal aufs Handy. Schon bei nur einem Meter höher als normal muss der Bürgermeister als Vorsitzender des Wasserverbandes Ette-Kessach informiert werden. Und gerade zur Schneeschmelze kann es schnell mal passieren, dass viel mehr als die normalen 66 000 Kubikmeter Wasser im Stausee sind. Dann klingelt bei Böhnel auch schon mal nachts das Telefon, und er muss raus. So 15 bis 20 Mal sei ihm schon passiert.
Weil das Becken aber insgesamt 245 000 Kubikmeter Wasser aufnehmen könnte, war die Situation in all den Jahren noch nie so richtig gefährlich. Im Dezember 1993 waren es mal 81 000 Kubikmeter. Aber noch kein Hochwasser.
Das war früher anders. Die alten Mulfinger, so Böhnel, würden sich noch gut an regelmäßige Überschwemmungen erinnern, bis schließlich 1963 mit dem Bau des Hochwasserrückhaltebeckes, kurz HRB, begonnen wurde. Seitdem ist Ruhe. Nur im Frühjahr 2016, als im Kocher- und Jagsttal das Unwetter für verheerende Schäden gesorgt hatte, sei "eine gewisse Nervosität" vorhanden gewesen. Im Ortsteil Zaisenhausen zum Beispiel sei das Wasser über den Notüberlauf geflossen, "das hatten die Einwohner auch noch nie erlebt". Im Mulfinger Becken war die Wasserhöhe auf 307 Meter gestiegen, das war schon nah dran an der maximal möglichen Höhe von 308,43 Metern. Doch am Ende sind die Mulfinger verschont geblieben. Dennoch hat der Wasserverband Ette-Kessach zwei Jahre später ein Stuttgarter Ingenieurbüro damit beauftragt, ein Konzept fürs Management bei Starkregen zu erstellen.
Durch die Bodenklappe nach unten
Öffnet man in dem kleinen Technikhäuschen die Bodenklappe, legt das Styropor beiseite und klettert zehn Leiterstufen nach unten, steht man auf einem Gitter. Hier ist es jetzt so laut, dass wirklich keiner mehr ein Wort versteht. Dafür aber kann man nun zuschauen, wie wenige Meter weiter unten der Wasserstrom reguliert wird, damit auch bei größeren Mengen nicht zu viel in Richtung Ortschaft weiterfließt: An dieser Stelle unter dem Betriebsraum kommt das Wasser des Roggelshäuser Bachs über ein Rohr vom Staubecken in eine Vorkammer und fließt von dort weiter über eine Mauer - die schon erwähnte Überfallsschwelle - in Richtung Grundablass und Tosbecken (abgeleitet von dem Wort tosen). Auf diesem Weg wird das Wasser so abgebremst, dass es am Ende immer mit höchstens 5,1 m³/sec weiter in Richtung Ort fließt und damit den Einwohnern und Häusern nicht gefährlich werden kann.
Gerade ist alles so, wie es sein soll. Also geht es wieder nach oben in den Betriebsraum. Der Bürgermeister schließt die Luke, legt Styropor drauf, und der Lärm ebbt ab. Noch ein letzter Blick aus Display, dann geht es wieder raus in die leise Nacht und den Nieselregen.
Stauwärter
Das Mulfinger Hochwasserrückhaltebecken (HRB) heißt ganz offiziell "Mulfingen unten". Es ist die größte der insgesamt neun Anlagen auf dem Gemeindegebiet. "Mulfingen oben" ist ein sogenanntes Trockenbecken, das heißt, es ist im Normalfall leer. Zwei weitere Trockenbecken gibt es in Jagstberg, eines in Seidelklingen, weitere Seen gibt es in Ailringen und Zaisenhausen sowie zwei in Hollenbach. Ein Auge auf den Betrieb haben die Stauwärter, jeweils zwei pro HRB. Die beiden Wärter für "Mulfingen unten" schauen turnusmäßig einmal die Woche im kleinen Betriebsgebäude vorbei, kontrollieren Pegelstand und Schieber und bekommen für ihren Einsatz eine Aufwandsentschädigung.
Der Wasserverband Ette-Kessach hat seinen Sitz in Mulfingen. Außerdem gehören ihm die Gemeinden Jagsthausen, Schöntal, Dörzbach, Krautheim und Widdern an.