Das Ende des Bürgerstübles in Friedrichsruhe möchte sich niemand vorstellen
Das Bürgerstüble in Zweiflingen-Friedrichsruhe ist längst eine Institution. Chef Roland Mezger ist 67 Jahre alt. Immer mal wieder denken er und seine Frau Claudia darüber nach, aufzuhören. Ein Gespräch über Freizeit, Erinnerungen und das Schöne an der Gastronomie.

Sie haben nur noch vier Tage die Woche geöffnet. Weshalb?
Roland Mezger: Wir haben mittlerweile ein gewisses Alter erreicht. Hinzu kommt, dass wir nicht mehr genug Leute zum Arbeiten haben. Wir haben versucht, das so zu halten, dass wir zumindest abends öffnen und unser Personal auf diese Zeiten konzentrieren können.
Wie war das, als Sie plötzlich drei freie Tage hatten?
Claudia Mezger: Wir haben die Abende frei und können vor den Fernseher sitzen. Das ist schon schön. Vor sechs, sieben Jahren haben wir zum ersten Mal an Silvester geschlossen. Und wissen Sie was, das erste Silvester saßen wir da und haben uns gefragt, was machen wir zwei jetzt? Wir hatten noch nie an Silvester frei.
Was haben Sie dann gemacht?
Roland Mezger: Wir waren tagsüber in Künzelsau. Es hatte aber alles geschlossen. Dann sind wir zu McDonalds und haben dort einen Kaffee getrunken.
Tatsächlich?
Claudia Mezger: Danach sind wir bei Bekannten gewesen.
Roland Mezger: Man muss sagen: An Freiheiten gewöhnt man sich schon.
Corona war auch für die Gastronomie eine Herausforderung. Wie war das bei Ihnen?
Claudia Mezger: Am ersten Sonntag, als wir Essen zum Abholen anboten, dachte ich, das schaffe ich nie mit meinem Mann. Wir beide waren uns nur noch im Weg.
Roland Mezger: Wir haben das am Anfang ganz falsch gemacht. Das war ein anderes Arbeiten. Wir haben dann nur Hähnchen, Braten und Schnitzel gemacht. Bis man das mal checkt, wie man sich organisieren soll. Aber dann lief es wie am Schnürchen.
Und trotzdem wollen Sie aufhören.
Roland Mezger: Wir hatten darüber nachgedacht, schone dieses Jahr zu schließen. Das hat aber während Corona alles so gut geklappt. Es kamen Gäste, die hatten wir vorher gar nicht gekannt. Die kamen dann jeden Sonntag, haben ihre Schüsselich mitgebracht. Dieses Jahr machen wir auf jeden Fall noch weiter. Und dann sehen wir.
Das Bürgerstüble ist weit über die Grenzen hinaus als Flad bekannt. Das Ende mögen sich viele Gäste nicht vorstellen.
Roland Mezger: Irgendwann ist es so weit. Ich bin jetzt 67 Jahre alt.
Wenn Sie abends hier sitzen und sich Gedanken machen, wie es weitergeht, was geht Ihnen durch den Kopf?
Roland Mezger: Ganz ehrlich? Ich schlafe manchmal nicht. Vielleicht kommt eine Baugesellschaft. Dann findet man das Gebäude hier nicht mehr. Dann steht hier ein Zehnfamilienhaus.
Sie sind ja noch mittendrin.
Roland Mezger: Das wird so lange gehen, bis ich sage, morgen ist es fertig. Das wird schon ein Sprung.
Können Sie sich das vorstellen, das letzte Mal abzusperren?
Claudia Mezger: Ich kann es mir noch eher vorstellen als mein Mann. Er ist ja hier geboren und aufgewachsen.
Roland Mezger: Ich möchte aber auch nicht am Herd umkippen.
Was ist denn das Schöne an der Gastronomie?
Claudia Mezger: Ich finde es toll, wenn Drei- oder Vierjährige dasitzen und sagen, es hat ihnen geschmeckt. Oder wenn die Gäste sagen, sie waren zufrieden. Wenn sich die Gäste wohlfühlen, das ist doch schön.
Roland Mezger: Koch ist ein schöner Beruf. Wenn ein junger Mensch heute Koch werden möchte, dem steht die Welt offen. Der kann überall hin. Wenn er mal Familie hat, wird es anders.
Was muss jemand mitbringen, der Gastronom werden möchte?
Roland Mezger: Wenn man heute mit der Gastronomie anfängt, muss man zu zweit sein. Wenn einer allein ist, ist er verloren. Beide müssen schauen, dass der Laden läuft. Wenn er Koch ist und sie Schullehrerin, dann haben wir ein Problem. Das gibt es oft genug. Es muss passen. In der Gastronomie sind die Arbeitszeiten vollkommen anders.
Ist das jedem bewusst, der Gastronom werden möchte?
Roland Mezger: Es gibt schon immer wieder welche, die sagen, sie wollen eine Wirtschaft übernehmen. Wenn ein junger Mann alleine eine Wirtschaft übernehmen möchte, bekommt er wahrscheinlich kein Geld von der Bank. Und wenn er dann doch anfängt, muss er nach seinen Mitarbeitern schauen. Ansonsten geht es schief.
Nach fast 50 Jahren, in denen Sie das Bürgerstüble leiten, haben Sie bestimmt viel erlebt.
Roland Mezger: Ja, zum Beispiel während der WM in Deutschland. Da dachte man ja, es kommen Tausende Menschen nach Friedrichsruhe. Wir haben australische Fähnlich gekauft, Fernseher aufgebaut, Karten auf Englisch geschrieben, haben Gema bezahlt. Als die australische Mannschaft kam, hatten wir draußen einen Grill aufgebaut. Das war unser bestes Geschäft. Wenn hingegen Spiele waren, saßen wir zwei im Gastraum und waren die einzigen. Wir haben Fernsehen geschaut. Das war lustig und es war einfach toll.
Claudia Mezger: Ja, als man früher noch in der Wirtschaft rauchen durfte. Wir hatten Gäste, die rauchten Zigarren und Zigarillos. Da hat man wegen des Rauchs nichts mehr gesehen. Es gab Tische, da haben wir mehrmals am Tag die Aschenbecher geleert.
Was zeichnet den Flad aus?
Roland Mezger: Wir machen ja fast alles selbst. Wir machen Apfelstrudel, Ofenschlupfer, Arme Ritter, Zwetschgenbuchteln, die ganzen Spezialitäten von früher. Das bekommt man nirgends. Saucen, Spätzle, Salat, das ist ein Mordsgeschäft. Ich möchte das aber so haben. Und das wissen die Gäste. Ich habe da ein paar Mädels, die richten das so hin, wie ich das möchte. Und wenn es der Gast so bekommt, ist er begeistert.

