Mit Blaulicht hinaus in die Nacht: Ein Besuch bei der Neuensteiner ASB-Rettungswache
In der 24-Stunden-Station des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) kann jeden Moment der Pieper zum Einsatz rufen. Dann heißt es für Notfallsanitäter Ralf Wannenwetsch und seinen Kollegen Marco Altmann: Nichts wie los!

Die Nachtschicht - sie war bislang außergewöhnlich ruhig für Notfallsanitäter Ralf Wannenwetsch und seinen Assistenten Marco Altmann. Um 18 Uhr haben die beiden in der Kirchensaller Container-Rettungswache des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) ihren Dienst begonnen und mussten in dieser Nacht bisher nur einmal mit Eile hinaus in die Hohenloher Nacht. Gegen 20 Uhr funkte die zentrale Leitstelle aus Künzelsau die Einsatzmeldung "Unklares Abdomen" - Bauchschmerzen ungeklärter Herkunft - auf den kleinen Taschen-Melder. Rein in die Klamotten, dann in den Rettungswagen. Und los! In Neuenstein traf man auf einen Mann mittleren Alters. Zuerst Diagnostik, dann Erstversorgung. Ab ins Auto - und in die Öhringer Klinik!
Kirchensaller Rettungswache existiert erst wenige Jahre
"Das Meiste ist Routine", sagt Ralf Wannenwetsch nüchtern. Man glaubt es ihm spätestens, als er wenig später auf der braunen Ledercouch im Aufenthaltsraum aus seinem Leben erzählt. Eigentlich ist der 54-Jährige Leiter der ASB-Wache in Lauffen am Neckar, doch in unregelmäßigen Abständen verschlägt es auch ihn als Springer ins kleine Kirchensall, wo die Container-Anlage seit 2021 dazu dient, die Notfallversorgung im südöstlichen Landkreis zu verbessern. Zuvor hatten Defizite bei den sogenannten Hilfsfristen zum Handeln gemahnt (wir berichteten).
Seit 2016 ist Wannenwetsch nun wieder beim ASB, den er einst schon als Zivi kennenlernte. Dazwischen arbeitete er zehn Jahre als Sanitäter in der Schweiz und zuvor in ganzen 13 afrikanischen Ländern, ist im Sudan mit dem Rettungshubschrauber geflogen und hat in Angola und Somalia Menschen, die nach den Bürgerkriegen dort Minen räumten, betreut. "Das weiß ich ja gar nicht", sagt Kollege und Rettungssanitäter Marco Altmann.
Dies nimmt freilich nicht wunder: Denn die beiden fahren heute Nacht erst die zweite Schicht miteinander. Für Altmann indes, der im Einsatz den RTW steuert, ist die Container-Landschaft gegenüber der Ortstankstelle längst zur zweiten Heimat geworden. Wenngleich er beim kurzen Ausruhen zwischen den Pieper-Rufen das eigene Wohnmobil, das draußen geparkt ist, dem Ruheraum im Container stets vorzieht.
Am Anfang, berichtet der 54-Jährige, gab es durchaus Bedenken und "Misstrauen" in dem kleinen Neuensteiner Teilort: Ob die Einsatzfahrten nicht für Lärmbelästigung sorgen würden? Mittlerweile sei man "sehr gut angenommen". Auch weil die Sirene des Nachts erst weit außerhalb des Dorfs angeschaltet werde.
Ein neuer Standort wird gesucht
"Die neue Rettungswache hat sich insgesamt als wertvolle Ergänzung für den Hohenloher Rettungsdienst erwiesen: Die Eintreffzeiten wurden verbessert, das zusätzliche Notarztfahrzeug leistet einen Beitrag zur schnellen und effektiveren Versorgung der Patienten", zieht Andreas Besteher, Leiter des Bereichs "Rettungsdienst" beim Heilbronner ASB, eine erste Bilanz.
Und die Interimslösung soll bald auch verstetigt werden: "Um hier langfristig Fuß zu fassen, laufen derzeit die Vorbereitungen für den Neubau einer Rettungswache vor Ort."
Zurück in jene besagten Container: Der Pieper schweigt weiter. "Man weiß nie, was kommt", sagt Wannenwetsch. Auch dies sei ein Reiz des Jobs. "Das Häufigste sind wohl Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall." Zwei Tagschichten von 8 bis 18 Uhr, 24 Stunden Pause, dann zwei Nachtschichten, danach vier Tage frei: Das Pensum der Retter ist beachtlich. "Die Schlafstörungen ziehen sich auch ins Privatleben", berichtet Wannenwetsch. Die zwei Wohnwagen auf dem Hof erleichtern die Sache immerhin insofern, als dass man in der Pause zwischen den Schichten nicht nach Hause fahren muss. Denn auch Mario Altmann hat einen längeren Weg.
Was die Retter in Not nie vergessen
Es ist jetzt 1.45 Uhr und weiterhin ruhig. In der vorigen Nacht war das anders: Vier Einsätze fuhren die beiden da. "Von 19 bis 1 Uhr waren wir unterwegs." Denn anders als in der Stadt dauern die einzelnen Fahrten auf dem Land gerne lang. "Unter zwei bis vier Stunden geht nichts", sagt Altmann. Da muss man fit sein: "Vier bis fünf Kaffee trinke ich schon", so Wannenwetsch.
Nicht nur körperlich hinterlässt der Beruf Spuren. Wannenwetsch erzählt von einem Erlebnis, das bis heute in ihm arbeitet: Einst wurde er von einem verzweifelten Vater angesprochen. "Das Kind lag mit Strangulations-Merkmalen in seinem Auto." Ein Unfall. Die Reanimation blieb erfolglos. Das Kind hatte sich beim Spielen im Elternhaus erdrosselt. "Das vergisst man nicht." Angesichts solcher Erlebnisse haben die zwei für ein Phänomen wenig Verständnis: Die Zahl der Einsätze aufgrund von Lapalien nimmt stetig zu.