Alleinherrscher über 18 Tonnen
Lastwagenfahrer Bernd Beyer beliefert früh morgens Lebensmittelgeschäfte in der Region mit frischer Ware. Was er kurz vor Feierabend im Gewerbepark Hohenlohe erledigt.

Das besonders farbenprächtige Morgenrot hinter den großen Firmengebäuden des Gewerbeparks Hohenlohe kündigt den baldigen Feierabend an: "Wenn ich das sehe, verschwindet bei mir immer die Müdigkeit", sagt Bernd Beyer. Der 57-Jährige ist routinierter Lkw-Fahrer - seit er volljährig ist. Beyer arbeitet seit ein paar Jahren zwar als Fahrtrainer, doch wenn Not am Mann ist, vor allem in der Urlaubszeit wie an Pfingsten, setzt er sich nach wie vor gerne ans Steuer des Achtzehntonners der Kupferzeller Spedition Kircher. So wie an jenem Morgen um 5 Uhr. Die erste Tour hat er da bereits hinter sich - und Lebensmittel an einen Discounter geliefert. Teil zwei steht bevor.
Zusammen mit manchmal bis zu 20 anderen Fahrern sucht Beyer sich im Waldenburger Lidl-Zentrallager die großen Kisten, die nach Nummern sortiert sind, zusammen. An diesem Morgen stehen Frischwaren wie Joghurt, Quark oder Frischkäse zur Lieferung bereit. Und damit man später im Lebensmittelmarkt sieht, dass die Kühlkette eingehalten wurde, wird der Temperatur-Logger hinzu gepackt. Die Tour kann beginnen.
Fahren mit viel Technik
Ein paar Stufen hinauf ins Führerhaus des Lastwagens - und schon sieht man die Straße aus einer neuen Perspektive: von oben. Langsam lenkt Beyer den Fahrzeug-Koloss in Richtung Autobahn. Moment! Da fehlt doch etwas? Das fragt sich der Laie nun: Aber statt Außenspiegeln zeigen zwei spiegelnde Kameras drei verschiedene Winkel um den Lastwagen herum. "Die neueren Fahrzeuge haben das. Der Vorteil ist, dass es praktisch kaum noch einen toten Winkel gibt", erklärt der Fachmann. "Am Anfang muss man sich natürlich etwas umgewöhnen, weil man immer in die falsche Richtung sieht."
Moderne Lkw zu fahren bedeute: "Lenkrad festhalten - und viel mehr ist es nicht mehr bei all der Technik", lacht Beyer. Alles ist automatisiert. Sobald eine weiße Linie auf der Fahrbahn berührt wird, piept der Spurassistent. Über dem Sitz befinden sich vier Kästen: Der Tachograf hält Ruhezeiten fest, die Telematik die Auftragsabwicklung. Mautgerät und Bordcomputer machen die Technik komplett.
Ökonomisches Fahren und mehr
Beyer hat den Vergleich zu früher: Mit 17 Jahren verließ der Sohn eines Lkw-Fahrers das Gymnasium, um ebenfalls eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer anzutreten. Mit Mitte 20 folgte die Ausbildung zum Speditionskaufmann, mit Mitte 30 zum Betriebswirt. Mittlerweile arbeitet er als Fahrertrainer bei der Kupferzeller Spedition: Unfallverhütung und Ladungssicherung gehören ebenso zu seinen Aufgaben wie die Sensibilisierung der Mitarbeiter fürs Thema ökonomisches Fahren.
Und trotzdem: Allein hinter dem Steuer zu sitzen und eine Tour zu fahren, da springt er gerne ein. "Man teilt sich den Tag selbst ein. Wenn man müde ist, macht man Pause, es redet einem keiner rein und man kann sich die Musik selbst aussuchen." Spätestens nach viereinhalb Stunden Fahrzeit oder sechs Stunden muss ohnehin eine Pause gemacht werden. Zeitdruck spiele nicht mehr so eine große Rolle - zumindest habe man diese Philosophie im Unternehmen. "Früher war eher noch Gasgeben angesagt, doch es bringt nichts", meint er schulterzuckend: höherer Spritverbrauch und die Unfallgefahr steige. Dies und eine große Portion Entspanntheit - das möchte er seinen Fahrern vermitteln: "Zehn Minuten später am Ankunftsort und dafür eine höhere Lebensqualität."
Erlebnisse
Inzwischen ist es hell geworden. Das Ziel ist erreicht. Beyer lenkt rückwärts: Es ist Millimeterarbeit im Rückwärtsgang, bis er sich zur Rampe bewegt hat und der Lastwagen steht. In der ersten Filiale herrscht um 5.30 Uhr noch Stille. Deswegen: Alarmanlage aus! "Natürlich ist es mir schon mal passiert, dass ich das vergessen habe", erinnert er sich. "Dann musste ein Sicherheitsmann anrücken." Jener nahm das nächtliche Wecken aber mit Humor. Dann nimmt Beyer sich einen Hubwagen aus der Filiale und beginnt mit dem Entladen.
Je nach Transportgut wird im Anhänger eine Trennwand gezogen. Bis minus 20 Grad kann die Ware dort heruntergekühlt werden. Der halbe Lastwagen ist jetzt leer.
In der zweiten Filiale beginnt unterdessen die Morgenroutine der Mitarbeiter. Ist der Anhänger des Lastwagens nun ganz leer? Dann weiß der Fahrer: Alles ist erfolgreich verbucht. Und für Bernd Beyer ist endgültig Feierabend.