Podcast „Mittendrin“ Die Eppinger Roy Jastrow und Matthias Kampp machen einen Podcast über das Leben von Flüchtlingen in Deutschland, mit welchen Schwierigkeiten Flüchtlinge bei uns wirklich zu kämpfen haben, was gut läuft und was gar nicht gut läuft. Roy Jastrow beantwortet Fragen aus seinen rund 10-jährigen Erfahrungen als Flüchtlingshelfer der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Eppingen. Es geht um einen differenzierteren Blick, den die beiden vermitteln wollen. Zirka 200 Geflüchtete leben in Eppingen, schätzt Jastrow. Zu finden ist der Podcast samt Informationen zu Angeboten der Flüchtlingshilfe auf www.kirche-eppingen.de
Unterwegs mit Kirschkernsäckchen und Steuerbescheid
Roy Jastrow engagiert sich ehrenamtlich in der ökumenischen Flüchtlingshilfe in Eppingen. Er kümmert sich um Geflüchtete, die ohne Unterstützung oft schon an kleinen Hürden im deutschen Alltag scheitern. Ob Kirschkernsäckchen oder Steuerbescheid: Ehrenamtliche Integrationshelfer sind unverzichtbar.

Rezas Frau Kobra hat einen lockeren Biskuit gebacken und mit Buttercreme bestrichen. Sie serviert ihn kurz nach 18 Uhr mit Tee zusammen in der guten Stube ihrer Wohnung im Eppinger Ortsteil Mühlbach. Der vier Jahre alte Hamid darf Sandmännchen schauen. Roy Jastrow ist gekommen, um mit ihrem Mann zu besprechen, wie es bei der Arbeitssuche für ihn weitergehen könnte.
Reza ist Ingenieur. 2002 flüchtete er aus Afghanistan. Sein Deutsch ist auf B2-Niveau sehr gut, seine Abschlüsse sind anerkannt. Und trotzdem hat er keine Stelle.
Der Eppinger Jastrow hat Reza Informationsmaterial der EnBW mitgebracht. „Mit unserem Integrationsprogramm machen wir geflüchtete Menschen und Migrantinnen und Migranten fit für eine technische Berufsausbildung in den Bereichen Mechanik und Elektrotechnik“, schreibt der Energieversorger auf seiner Website. An diesen Integrationskurs könnte Reza eine Ausbildung dranhängen, erklärt Jastrow. „Herr Roy“ nennen ihn die Menschen, die er ehrenamtlich betreut. „Herr Roy hilft oft“, sagt Reza. „Manchmal hängt es nur an Kleinigkeiten, ob jemand einen Job bekommt“, sagt Jastrow. Und: „Für mich sind es nur zehn Minuten.“ Doch tatsächlich investiert er mehr.

Miteinander Nach jedem Arbeitstag telefoniert er schon im Auto seine Telefonliste ab. Manches kann er im direkten Gespräch gleich klären. Für anderes muss er bei den Menschen, die er betreut, vorbeifahren. Seit elf Jahren engagiert sich Roy Jastrow in der ökumenischen Flüchtlingshilfe in Eppingen dafür, dass Menschen hier Fuß fassen.
Aref trifft er in dessen Einliegerwohnung in einem Neubaugebiet an. Der 40 Jahre alte Afghane hat Arbeit und muss daher eine Steuererklärung abgeben. Eine Bekannte aus dem Hauskreis, den Jastrow und seine Frau Birgit besuchen, hilft ebenfalls ehrenamtlich beim Ausfüllen des komplizierten Regelwerks.
Jastrow klärt einen Arzttermin mit ihm und holt eine Unterschrift ab. Dabei nutzt er auch die Gelegenheit für ein paar persönliche Worte, obwohl sich die beiden regelmäßig sonntags in der evangelischen Kirche sehen. Der Afghane ist seit zehn Jahren in Deutschland, „erst in Karlsruhe, jetzt hier“. In Eppingen hat er Anschluss an die Kirchengemeinde gefunden. „Herr Roy hilft mir immer“, sagt der 40-Jährige. „Er ist sehr nett.“ „Wenn Geflüchtete arbeiten“, sagt Jastrow, „hat deren Tag eine Struktur.“
Er selbst ist gut vernetzt. Aber auch für ihn sind Arzttermine nicht leicht zu bekommen. „Wohnungen und Stellen, das ist das, was sie immer suchen“, sagt Roy Jastrow. Immerhin hat Aref beides. Und er hat einen Staplerschein, das bringt Pluspunkte bei Arbeitgebern. Bevor sich die beiden verabschieden, sprechen sie ein gemeinsames Dankgebet.

Kirschkernkissen Die Fahrt durch die Dunkelheit geht weiter zu Collins, einem Mann aus Nigeria, der zurzeit schmerzhafte Verspannungen hat. Jastrow bringt ihm ein Kirschkernsäckchen. Seine Mutter hat ihm mehrere Mützen mitgegeben, die er zum Verteilen im Auto hat. Die ganze Familie unterstützt ihn. Bevor er kommt, gibt er immer telefonisch Bescheid: „Passt es gerade?“, fragt er dann. Und es passt fast immer.
Collins kommt eingehüllt in eine dicke Winterjacke vor die Tür. Jastrow erklärt ihm kurz, wie er das Kirschkernkissen in der Mikrowelle warm machen und es sich anschließend in den Nacken lege soll. Der Mann aus Nigeria bedankt sich und geht dann schnell zurück ins Haus, um sich wieder hinzulegen. Er arbeitet Frühschicht. Draußen ist es ihm eindeutig zu kalt. Auch, wenn die Beziehung zu Roy Jastrow warmherzig ist.
Nicht ganz einfach ist Jastrows letzter Besuch an diesem Abend. Er geht zu einem schwer Kranken in einer der Obdachlosenunterkünfte der Stadt Eppingen, hilft, Unterlagen zu ordnen, klärt einen Arzttermin für die kommende Woche ab und spricht ihm Mut zu. Auch mit ihm betet Jastrow, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Er selbst schöpft aus solchen Begegnungen Kraft. Wann immer er Zeit hat, ist er unterwegs.
Die meisten Besuche mache er am Wochenende, doch bei Notlagen komme er auch abends vorbei. „Wenn ich was mache, mache ich es ganz und gar“, sagt der 58-Jährige nach kurzem Nachdenken. „Das ist auch im Beruf so.“ Für Gestrandete da zu sein, ist ihm eine Herzensangelegenheit. Jastrow ist überzeugt, dass Gott ihm „diese Menschen ans Herz gelegt hat“. Zugleich empfindet er sein Engagement auch als ein Stück Verantwortung in dieser einen Welt. Er ist für andere da, auch, weil Integration gar nicht anders funktioniert.
„Wie jeder Mensch brauchen auch Flüchtlinge einen, der ihnen hilft.“ Herr Roy hilft oft. Auf ihn ist Verlass. „Das ist kein Hobby“, sagt Jastrow. Das ist Berufung: „Da geht es immer um Menschen und ihre Schicksale.“