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Wie sich die Eppinger Kraichgau Hexen auf Faschingsumzüge vorbereiten

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Trotz der Losgelöstheit gibt es bei dem 1999 gegründeten Verein ganz klare Brauchtumsregeln. Bei deren Missachtung darf man an den Umzügen nicht teilnehmen.

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Gleich geht's los: Die Eppinger Kraichgau Hexen bringen sich für den Start des Gemminger Faschingsumzugs in Position.
Gleich geht's los: Die Eppinger Kraichgau Hexen bringen sich für den Start des Gemminger Faschingsumzugs in Position.  Foto: Helmut Melchert

Breit grinsend überquert Philipp Doll die Schienen am Eppinger Bahnhof. Schon von Weitem ist nicht nur seine gute Laune, sondern auch seine Verkleidung zu erkennen: schwarze Jacke, grünes Schultertuch und grüne Schürze mit schwarzen Flecken. Das Kostüm ist das sogenannte Häs der Kraichgau Hexen - und an diesem frühen Nachmittag etwa zehn Mal am Hauptbahnhof gegenüber des Stadtweihers vertreten. 

Mit großem Hallo begrüßen sich Doll und das knappe Dutzend Kraichgau Hexen am Bahnsteig in Eppingen. Es gibt herzliche Umarmungen - und von Oberhexenmeister Kai Hinger erstmal eine Sonnenbrille für den 19-jährigen Eppinger. Die ist am vergangenen Samstag auch nötig. „Das Wetter für unsere heutige Ausfahrt könnte kaum besser sein“, sagt Doll. Denn die Kraichgau Hexen sind eine von 50 Faschingsgruppen die am farbenfrohen Umzug in Gemmingen teilnehmen. 

Eppinger Kraichgau Hexen ziehen Kostüm vor Umzügen zu Hause an

Mit der Stadtbahn fährt ein Teil der Kraichgau-Hexen-Gruppe die zwei Stationen bis zum Gemminger Bahnhof. Die anderen etwa 20 Hexen, die heute mit dabei sind, gelangen in Fahrgemeinschaften zum bunten Treiben. Doch bis zum Start des Festzugs dauert es noch über eine Stunde. Doll kann es kaum erwarten, bis die Bahn eintrifft. „An Umzugstagen wache ich voller Vorfreude auf. Wenn wir uns treffen, sind wir schon kostümiert. Jeder zieht sein Häs zu Hause an. In diesen 15 Minuten steigt die Laune weiter.“ Selbst ein Missgeschick – Doll ist mit seiner Hexenmaske auf dem Weg zum Bahnhof an einem Hindernis hängengeblieben und hat einen Teil der Haare abgerissen – kann sein Vergnügen nicht trüben.

Für Jasmin Merkle aus Cleebronn ist es die erste Kampagne bei den Kraichgau Hexen aus Eppingen. Daher trägt sie heute lediglich das Häs und noch keine Maske. Die bekommt sie erst später. Die 15-Jährige gesteht: „Ich bin mega nervös. Als Kind hatte ich bei den Umzügen Angst vor den Hexen. Heute laufe ich das zweite Mal mit.“ Sie hat Viehmarker besorgt – selbstverständlich in Grün und Schwarz – um die Umzugsbesucher in Gemmingen in den Hexenfarben anzumalen.

Eppingen: Auch Stadtbahn erstrahlt in Farben der Kraichgau Hexen

„Die Umzüge sind was ganz Tolles“, erzählt Merkle. „Alle Leute sind fröhlich, man macht Schabernack und unternimmt was Schönes zusammen mit seinen Freunden aus dem Verein.“ Da fährt die Stadtbahn Richtung Gemmingen ein – mit einer Werbegestaltung in Grün-Schwarz. „Das passt ja klasse“, sagt Vorstand Kai Hinger, lacht, greift nach seinem Bollerwagen und steigt zusammen mit den anderen Hexen in die Bahn.

In Gemmingen sind es nur wenige Hundert Meter bis zur Startaufstellung des Faschingsumzugs. Bis die Kraichgau Hexen ihren Startplatz, die Nummer 30, erreichen, kommen sie an vielen anderen Faschingsgruppen vorbei. Auch hier gibt’s herzliche Umarmungen, Abklatscher, die Hexen stoßen mit Bekannten anderer Vereine an. Aus mitgebrachten Boxen ertönen Faschingshits und Stimmungslieder der Böhsen Onkelz.

Kern von Fasching bei den Kraichgau Hexen: Schöne Stunden – ganz ohne Sorgen 

Der 43-jährige Oberhexenmeister Kai Hinger erklärt auf dem Weg zum Startpunkt, wo die mit dem Pkw angereisten Hexen warten: „Auf den Umzügen kommt man gut miteinander ins Gespräch. Und wenn man sich dann auf einer der weiteren Faschingsveranstaltungen im Laufe einer Kampagne wiedersieht, kennt man sich bereits. So sind schon viele Freundschaften entstanden.“ Dass manche Faschingsmuffel die „Fünfte Jahreszeit“ nur mit Enthemmung und Alkohol in Verbindung bringen, kann er nicht wirklich nachvollziehen: „Klar wird auch was getrunken. Aber im Kern geht es darum, schöne Stunden zu erleben und die Sorgen zu vergessen.“

Trotz der Losgelöstheit geht’s bei den Umzügen geregelt zu. Das ist Kai Hinger auch besonders wichtig: „Als Hexen machen wir Spaß mit den Leuten, rauben ihnen die Schnürsenkel, erschrecken sie. Aber auch, wenn wir ein bisschen gruselig aussehen: Wir möchten Freude geben – und sie nicht nehmen.“

Faschingsumzug in Gemmingen: Start mit dreifachem „Kraichgau Hexen“ und „Narri Narro“

Streng vorgeschrieben ist bei den Kraichgau Hexen aus Eppingen auch die eingangs geschilderte Kleiderordnung. Wer nicht korrekt im Häs auf dem Umzug erscheint, kann gleich wieder den Heimweg antreten. Und: „Sobald die ersten Zuschauer zu sehen sind, heißt es für alle Mitglieder: Maske aufsetzen“, sagt Vorstand Kai Hinger. Das soll die Illusion einer tatsächlich wandelnden Märchengestalt wahren.

Mittlerweile ist es nach 14 Uhr, gleich beginnt der Umzug. Philipp Doll blickt noch einmal auf seine Tannenholz-Maske. Trotz seines kleinen Unfalls befinden sich der spitze Hexenzahn, die Warze auf der gebogenen Nase sowie der Hut nach wie vor an der richtigen Stelle. „Jetzt kribbelt’s richtig“, sagt der 19-Jährige. Der Startschuss ertönt. Los geht’s. Die knapp 30 Kraichgau Hexen verbergen ihre Gesichter, schlüpfen vollends in ihre Rollen und setzen sich mit einem dreifachen „Kraichgau Hexen“ und „Narri Narro“ in Bewegung.

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