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Altstadtbrand im Schatten des Eppinger Pfeifferturms

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Der Trunkenbold Jakob Müller wird am 28. März 1873 verurteilt, weil er für eine Brandserie verantwortlich sein soll. Und tatsächlich: Er gesteht, die Scheune des Rössle-Wirts angesteckt und damit ein Inferno in der Eppinger Altstadt entfacht zu haben.

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Es ist Nacht in Eppingen. Tiefe Nacht. Es liegt kein Schnee. Aber es muss kalt sein, denn wir reden hier über den 19. Januar 1873. In der eng bebauten Eppinger Altstadt brennt es. Im Schatten des Pfeifferturms fallen mehrere Fachwerkhäuser und Scheunen den Flammen zum Opfer.

Das Ausmaß der Katastrophe wird in den nächsten Tagen erst sichtbar, wie historische Aufnahmen zeigen. Von den Wohnhäuser des „F. Fuhrmann, des J. Hirsch , des A. Doll und des J. Fürth“ stehen nur noch die Grundmauern, das evangelische und das katholische Pfarrhaus sind in Schutt und Asche gelegt. Ebenso die Zehntscheune. Wer ist für das Inferno verantwortlich, das von der Rössle-Scheune ausgeht, dem das Wirtshaus selbst aber nicht zum Opfer fällt, weil der Wind günstig steht?

Das Werk eines Feuerteufels: Der große Altstadtbrand in Eppingen

Die Legende sagt: Jakob Müller. Ein mittelloser, 24 Jahre alter Feuerwehrmann, ein notorischer Säufer und Psychopath. Ein Feuerteufel, wie es sie heute noch gibt. Erst soll er den Scheunenbrand gelegt haben, dann soll er sich die Uniform angezogen und bis zu seiner Verhaftung in den frühen Morgenstunden beim Löschen geholfen haben. 

Rössle Im Zeugenprotokoll erklärt die 18 Jahre alte Katharina Hartmann, die ledige Tochter von Rössle-Wirt Karl Hartmann, später: „Ob Müller am verflossenen Sonntag Vormittag Getränke in der Wirtschaft bekam, weiß ich nicht. Im Verlauf des Nachmittags verabreichte ich ihm vier halbe Liter Bier; er bezahlte nur den zweiten und vierten (...). Als ich von ihm das Geld für das vierte (Bier) bekam, machte ich ihm die Bemerkung, was er denn für eine Bezahlerei habe. Entweder solle er alles bezahlen oder es ganz unterlassen. Dann gab er mir noch weitere 4 kr (Kreuzer) für ein Glas Bier unter der Erwiderung: ,Da hast dein Geld, wenn du gleich so wüst mit mir bist.’ Er fügte noch etwas Weiteres bei, was ich nicht verstand. Ich war damit ruhig.“

Eppingen Wirtshaustochter erkennt 1873 Jakob Müller als Brandstifter

Später sieht Katharina Hartmann den Trunkenbold, eine „frisch angesteckte Zigarre im Mund“, raschen Schritts aus Richtung Scheune kommen. Ihre Aussage wiegt schwer. Schon in der Brandnacht wird Jakob Müller zwischen 3 und 4 Uhr verhaftet. Vier Tage später gesteht er reumütig, dass er unüberlegt gehandelt habe: „Weil ich bös auf den Rössle-Wirt war.“ Das Urteil am 28. März 1873 lautet auf 15 Jahre Zuchthaus. Viel spricht für Jakob Müllers Schuld, denn mit seiner Inhaftierung reißt eine ganze Brandserie ab. 

Die Aufnahme zeigt die verheerenden Folgen des Eppinger Altstadtbrandes am 19. Januar 1873. Auslöser war Brandstiftung. Der 24 Jahre alte Jakob Müller wird dafür zu 15 Jahre Zuchthaus verurteilt.
Die Aufnahme zeigt die verheerenden Folgen des Eppinger Altstadtbrandes am 19. Januar 1873. Auslöser war Brandstiftung. Der 24 Jahre alte Jakob Müller wird dafür zu 15 Jahre Zuchthaus verurteilt.  Foto: Heimatfreunde Eppingen
Nach dem Brand im Januar 1873 stehen von den Fachwerkhäusern rund um den Eppinger Pfeifferturm nur noch die Grundmauern. Der Hergang des Verbrechens mit seinen verheerenden Folgen ist gut dokumentiert.
Nach dem Brand im Januar 1873 stehen von den Fachwerkhäusern rund um den Eppinger Pfeifferturm nur noch die Grundmauern. Der Hergang des Verbrechens mit seinen verheerenden Folgen ist gut dokumentiert.  Foto: Heimatfreunde Eppingen

Quellen Schon am 19. November 1871 geht von der Scheune des Julius Oppenheimer nahe des Baumann’schen Hauses ein Brand aus. Am Tag vor Heiligabend steht die Scheune des Maurers Jakob Stroh in Flammen. Jakob Müller gesteht auch hier. Mit allen Scheunenbesitzern, auch mit Rössle-Wirt Karl Hartmann, der ihn als „dem Brandweingenuss ergebener, liederlicher Mensch“ beschreibt, steht er als Taglöhner in einer persönlichen Beziehung.

Eppinger Brandstifter Jakob Müller zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt

Die Tat vom 19. Januar 1873 beschreibt er wie folgt: „(Ich) steckte mit einem angebrannten Zündhölzchen eine Partie Stroh, die auf einem Wägelchen im Tenn saß, in Band“. Warum er die Tat verübt habe, wisse er nicht. Nur so viel sagt er: dass er schwer betrunken gewesen sei.

Den Brand der Scheune von Martin Andreas im Januar 1872 und den Brand der Scheune von Georg Michael Brenkmann im März desselben Jahres nimmt Jakob Müller nicht auf seine Kappe, obwohl die Muster die gleichen sind. Er sitzt seine Strafe in der Strafanstalt Beruchsal ab, wo sich seine Spur verliert. 

„Eine Entlassurkunde ist nicht zu finden“, zitiert der Stimme-Redakteur Alexander Hettich den Vorsitzenden der Eppinger Heimatfreunde, Reinhard Ihle, am 18. Juli 2015 in der Heilbronner Stimme. Ein Jahr später erscheint die Sonderveröffentlichung „Eppingen - rund um den Ottilienberg“, in dem Hettichs Artikel unter dem Titel „Die Spur des Pyromanen“ zusammen mit „Verhörprotokollen in Untersuchungssachen gegen Maurer Jakob Müller“ veröffentlicht wird.

Dieser Artikel kann vollständig bei der Badischen Landesbibliothek eingesehen werden.

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