Dem Frühaufsteher gehört der Morgen ganz allein
Die Heilbronner Stimme muss in den frühen Morgenstunden im Briefkasten sein, deshalb klingelt für Austräger der Wecker schon sehr früh.

13 Grad und stockfinstere Nacht. Wenn für Olga Albert frühmorgens der Arbeitstag beginnt, brennt in Brackenheim in kaum einem Haus Licht. Die Stadt schläft noch. Keine Autos auf der Straße, keine roten Ampeln, schon gar keine Fußgänger. Nur manchmal läuft eine Katze über die Straße. Ansonsten ist nichts los. Die 40-Jährige sorgt seit über 14 Jahren dafür, dass Abonnenten morgens eine druckfrische Zeitung im Briefkasten haben. Dafür muss sie beizeiten raus aus den Federn. Aber sie kann die Ruhe am Morgen genießen, die frische Luft, die Bewegung, dazu Musik hören, fertig.
Die Brackenheimerin wohnt seit zehn Jahren in der Heuss-Stadt und kennt sich nicht nur hier bestens aus. Inzwischen liegt ihr Stammbezirk zwar in Güglingen, doch viele Jahre war sie auch in ihrer Wahl-Heimatstadt unterwegs. Seinerzeit war das Zeitungaustragen für die dreifache Mutter ein Vollzeit-Job. Da hatte sie nach eigener Aussage kein festes Gebiet, sondern war als Springerin im Einsatz. Als "Springer" vertritt man zum Beispiel Stammzusteller, die im Urlaub sind oder krank, und muss mehrere Zustell-Bezirke bedienen. Dann geht es schon gegen 1 Uhr los, "sonst hätte man das gar nicht geschafft". Eine Zeit lang hat Olga Albert mal vom Austragen pausiert, "aber da hat mir etwas gefehlt". Seit einem Jahr ist sie als Mini-Jobberin wieder mit im Team, zu dem im gesamten Stimme-Verbreitungsgebiet rund 750 Zusteller gehören.
Die Zeitungen liegen sortiert auf dem Beifahrersitz
An diesem Morgen hat der Wecker um 2.45 Uhr geklingelt. Eine halbe Stunde später ist Olga Albert am Ablageort, wo die Zeitungspakete warten: 69 Exemplare der Stimme, dazu andere Zeitungen wie die Stuttgarter Nachrichten. Auch diese werden mit ausgetragen. Eine Stunde und 20 Minuten dauert die Tour, die sieben Kilometer legt sie mit dem Auto zurück. Sonst würde es noch länger dauern. Die Zeitungen hat sie sortiert und auf dem Beifahrersitz bereitgelegt. Noch ein Blick auf den Lieferschein, um zu sehen, ob es Änderungen gibt, dann kann es losgehen.
Die Adressliste mit den Stammlesern braucht sie schon lange nicht mehr. Die Stirnlampe, die sicherheitshalber im Auto bereitliegt, auch nicht. Morgens um 4 Uhr sind die Straßenlaternen schon wieder an, und manches Haus verfügt zum Glück über einen Bewegungsmelder. Angst vor Hunden, Glatteis, fremden Menschen? Olga Albert schüttelt den Kopf: "Mich stört das alles nicht". Und für einen kleinen Schwatz mit einem Leser, der schon früh am Morgen auf der Terrasse einen Kaffee trinkt, ist sie durchaus zu haben.
Sonderwünsche und kleine Geschenke
Auch Sonderwünsche werden erfüllt: An den meisten Türen gibt es zwar Zeitungsrollen, manch einer will aber, dass seine Stimme hinter der Garage abgelegt wird. Dafür kann sich die Austrägerin zum Beispiel an Weihnachten über nette Briefe und kleine Geschenke freuen, die morgens an einigen Briefkästen hängen.
Gegen 4.30 Uhr ist alles verteilt, und es geht zurück nach Hause. Jetzt wird Brackenheim langsam wach, in den Küchen brennt Licht, die ersten Menschen fahren zur Schicht. Im Hause Albert gibt es jetzt erst mal Frühstück, noch ein kurzes Gespräch mit dem ältesten Sohn, der um 5.30 Uhr das Haus verlässt, noch ein schneller Blick in das eigene Stimme-Exemplar. Dann geht es auch schon los zur nächsten Arbeitsstelle im Supermarkt. Gegen 21 Uhr wird ihr Tag beendet sein. Keine sechs Stunden später klingelt ja schon wieder der Wecker.