Stimme+
Serie "24 Stunden, 24 Orte, 24 Geschichten"
Lesezeichen setzen Merken

In Beilstein trifft Handwerk auf Design

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Christine Bender färbt Textilien mit Farben, die sie aus Pflanzen und Lebensmittelresten selbst herstellt.

   | 
Lesezeit  3 Min
 Foto: Kunz, Christiana

Es schneit an diesem Winterabend. Allerdings keine Schneeflocken, sondern getrocknete Blumen. Langsam rieseln sie auf das feuchte Tuch, das vor Christine Bender auf dem Tisch liegt. Stockrosen, Skabiosen und Färberkamille. Selbst rote Zwiebelschalen kommen zum Einsatz. Die zierliche Frau mit den dunklen Haaren greift immer wieder tief in verschiedene Gläser und reibt anschließend ihre Fingerspitzen aneinander. Sie trägt eine Schürze und Handschuhe. Zum Schutz, sagt sie und lacht. "Sonst sind meine Finger nachher auch noch bunt."

Es ist dunkel draußen. Eine Lichterkette sorgt für ausreichend Beleuchtung in dem Wintergarten am Fuße des Hauses in Beilstein. Der kleine Raum ist Christine Benders Experimentierstätte, ihre Werkstätte, ihr Kreativbereich. Ein Ort, an dem sie sich an manchen Tagen viele Stunden aufhält. Und der seine Fortsetzung im Garten findet, wo die 39-Jährige zahlreiche Pflanzen, die sie zum Färben von Textilien verwendet wird, mittlerweile selbst anbaut. Darunter auch Indigo.

Als ihr erstes Kind ein Baby war, habe sie mit dem Nähen begonnen, erinnert sich die ausgebildete Kunsttherapeutin. Und dabei schnell auch das Thema Färben mit Materialien aus der Natur für sich entdeckt. Dafür extrahiert sie Farben aus den Pflanzen oder Lebensmittelresten und verarbeitet diese zu Farbpigmenten weiter. "Mit den Schalen von Avocados habe ich meine ersten Versuche durchgeführt."

Online-Workshops zur Weiterbildung

Diese liegen nun bereits mehrere Jahre zurück. Ihr Können und ihr Wissen hat die zweifache Mutter seit dieser Zeit immer weiter verfeinert - mit Hilfe von Online-Workshops und dem Austausch mit anderen kreativen Köpfen, aber auch durch stetiges Ausprobieren. "Manches funktioniert nicht so wie gedacht. Aber das gehört dazu."

Das Tuch vor Bender ist mittlerweile komplett mit bunten Sprenkeln überzogen. Mit geübten Griffen greift sie den Stoff an seinen äußeren Enden und rollt diesen zusammen, bis nur noch eine "Schlange" übrigbleibt. Diese dreht sie in die entgegengesetzte Richtung zu einem Schneckenhaus und umwickelt dieses fest mit Paketschnur. "Für das Färben mit natürlichen Materialien ist es entscheidend, den Stoff richtig vorzubereiten", erklärt die Mutter eines Sohnes und einer Tochter währenddessen. Dieser könne durch die Produktion verschiedene Mittel im Gewebe haben. "Dann hält die Farbe nicht dauerhaft. Deshalb müssen Stoffe immer erst gebeizt werden." Was allerdings einen längeren Vorlauf und reichlich Übung benötige.

Gründung eines Online-Shops

Aus dem Hobby von einst ist für die 39-Jährige längst mehr geworden. Seit 2016 betreibt Christine Bender einen Online-Shop, in dem sie nicht nur mit Naturfarben bearbeitete Textilien in Form von Seidenbändern, Kleider, Kissen, Socken oder Halstüchern verkauft, sondern auch kleine "Do it yourself"-Kästen für all jene anbietet, die das Ganze selbst einmal ausprobieren wollen. Immer wieder werde sie angesprochen, ob sie sich nicht vorstellen könnte, ihr Wissen in Workshops weiterzugeben, erzählt Bender. "Und vielleicht werde ich das wirklich irgendwann auch machen." Bis dahin nutze sie vor allem soziale Medien wie Instagram als "Schaufenster" für ihre Produkte und sei oft auf Messen vertreten, bei denen Handgefertigtes im Mittepunkt stehe.

In einer Ecke des Wintergartens steht ein kleiner Herd, auf dem Christine Bender einen Topf mit etwas kochendem Wasser gestellt hat. Das runde Stoffbündel legt sie zum Dämpfen mit einer Zange in ein darin enthaltenes Sieb. Sie schaut auf die Uhr und sagt: "Ungefähr eine Viertelstunde wird es jetzt noch dauern."

Familie fest eingebunden

Vor dem Herstellen der Farben steht das Sammeln von Blättern und Pflanzen. Tütenweise werden diese vor allem im Frühling, Sommer und Herbst von der vierköpfigen Familie nach Hause gebracht. "Wenn wir spazieren gehen, ist das bei uns immer gleich bedeutend mit: Wir gehen sammeln." Und auch einige Nachbarn legen gern mal Gaben aus der Natur vor die Tür, von denen sie annehmen, Christine Bender könnte sie für ihre Arbeit verwenden.

Noch einmal greift die 39-Jährige nach der Zange und holt das Bündel aus dem Topf. Die Schnur wird durchtrennt, der Stoff aufgerollt und von den Blütenresten befreit. Christine Bender hält das Tuch in die Höhe und betrachtet es zufrieden. "Es ist wirklich faszinierend. Alle Nuancen passen zusammen. Naturfarben harmonieren einfach immer miteinander."

 

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben