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Bad Wimpfen
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Wo Kaiser wohnten und ein junger Ritter Rätsel aufgibt

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Beim nächtlichen Rundgang durchs Burgenviertel begegnet einem auf Schritt und Tritt Geschichte

Von Steffan Maurhoff
Mit dem Luxus einer Heizung: das mächtige Steinhaus. Historiker vermuten, dass hier die Königinnen unterkamen.
Fotos: Steffan Maurhoff
Mit dem Luxus einer Heizung: das mächtige Steinhaus. Historiker vermuten, dass hier die Königinnen unterkamen. Fotos: Steffan Maurhoff  Foto: Maurhoff, Steffan

Still ist es im Burgviertel. Nur die eigenen Schritte auf dem abgewetzten Straßenpflaster sind zu vernehmen. Am Steinhaus mit seinen markanten Stufengiebeln geht der Blick hinunter ins Neckartal - aufs schlafende Offenau und die Talstadt. Von drunten klingt sonst nicht das Rauschen des Neckars hinauf, sondern das des Verkehrs von der B27. Aber jetzt - Stille.

In tiefer Nacht ist niemand in Bad Wimpfen unterwegs. Doch eines schläft hier tatsächlich nie: die unendlich reiche Geschichte der Stauferstadt. Wo könnte sie mehr mit den Händen zu greifen sein als in der Kaiserpfalz, der größten nördlich der Alpen?

Beheizbare Kemenate der Königin

Das Geräusch der Schritte begleitet den nächtlichen Spaziergänger vorbei am Steinhaus, in dem einst wohl Königinnen wohnten, mit dem Komfort einer Heizung. Diesen Luxus gab es im Palas, dem Saal, in dem Kaiser Hof hielten, nicht. Von dem Saal ist nicht viel übrig geblieben - bis auf die beeindruckende Wand zum Neckar hin. Die markanten Arkadenfenster sind erhalten.

Auf Augenhöhe mit Kaiser Barbarossa

Hier kann man leicht ins Träumen kommen: Womöglich stand hier einst Kaiser Barbarossa, Friedrich I., legte eine Hand an den Stein und blickte versonnen hinab ins Neckartal. So empfindet es auch Günther Haberhauer, als Stadtarchivar ein profunder Kenner der Geschichte seiner Heimatstadt - und Besitzer des Schlüssels zu den nächtens versperrten Arkaden. "Man hat eine emotionale Empfindung", sagt er über die am reichhaltigsten verzierte Säule. "Diese Säule haben wahrscheinlich Barbarossa, mit Sicherheit aber Heinrich VI. und auch Friedrich II. berührt - drei Generationen von Kaisern." Wobei der Archivar damit meint, dass die um 1160 bis 1179 errichtete Pfalz seinerzeit schon bestand und nicht erst später erbaut wurde.

Bei diesem Anblick klappte den Wimpfenern die Kinnlade runter

Deshalb könnte es auch sein, dass der steinerne Adler auf der Pfalzkapelle schon auf jene gekrönten Häupter herunterblickte. Etwa als Friedrich II. im Jahre 1235 mit einem bunten Gefolge, sarazenischen Leibwächtern und exotischen Tieren in der Pfalz Einzug hielt und ihm die Menschen ehrfürchtig den Beinamen "Stupor Mundis" gaben - das Staunen der Welt. "Ich stelle mir vor, wie den Wimpfenern damals die Kinnlade runtergeklappt ist", sagt Haberhauer und muss schmunzeln.

Allerdings muss er die nächtliche Träumerei über den steinernen Adler auf der Pfazkapelle jäh beenden: "Das ist ein Jugendstil-Adler." Er sieht zwar wahnsinnig echt aus - aber er stammt nicht aus Zeiten alter Stauferpracht. Im Gegenteil. Die Pfalzkapelle sah im 19. Jahrhundert schrecklich schlechte Zeiten. "Sie war arg heruntergekommen." Das einstige Gotteshaus diente als Bauernunterkunft, ein Scheunentor war in seine Fassade gebrochen worden, Mist lag davor. Erst als der Großherzog von Hessen den Befehl gab, die Kapelle zu restaurieren, ging es wieder bergauf, und Anfang des 20. Jahrhunderts landete der Steinadler droben auf dem Dach.

Eine richtige Ritterrüstung – aber keine authentische

Schön anzuschauen, aber nicht wirklich historisch: Die stattliche Ritterrüstung am Gemmingenschen Haus scheint über die Altstadt zu wachen.
Schön anzuschauen, aber nicht wirklich historisch: Die stattliche Ritterrüstung am Gemmingenschen Haus scheint über die Altstadt zu wachen.  Foto: Maurhoff, Steffan

Weiter geht's durchs nächtliche Burgviertel. Am wunderschön restaurierten Gemmingenschen Haus grüßt, zum Unteren Tor hin, ein waschechter Ritter. "Der ist jung", weiß Haberhauer. "Er trägt nicht mal eine staufische Rüstung, sondern eine Fantasierüstung." Dunkel ist die Geschichte des eisernen Mannes mit der Hellebarde. Hatte er einen Bezug zum Hotel Zum Ritter, das einst auf dem Wiesengrundstück an der Ortsdurchfahrt gegenüber dem Bahnhof stand? Oder gar zum Hotel Ritter in Heidelberg? Auch Haberhauer weiß es nicht, findet aber: "Er steht an einer wunderschönen Stelle."

Der Blaue Turm: Bad Wimpfens Wahrzeichen

Die Hauptstraße hinauf, vorbei am Kastenbrunnen, dem Kräuterweible und dem Atelier des freischaffenden Künstlers Nick Golder mit fratzenflankiertem Portal, geht es hinauf zum Blauen Turm, dem großen Bruder des Roten Turms und wohl bedeutendsten und zuletzt mit enormem Aufwand sanierten Wahrzeichen Bad Wimpfens. Dem Sturm der Zeit hat er über Jahrhunderte getrotzt, und heute wacht er wieder über den Schlaf der wunderschönen Kaiserpfalz da drunten.

Eine Kaiserpfalz: Was ist das?

Am Haus des Künstlers Haus Nick Golder: eine Fratze.
Am Haus des Künstlers Haus Nick Golder: eine Fratze.  Foto: Maurhoff, Steffan

Über die Kaiserpfalz Bad Wimpfen entdeckt man an einem Haus im Burgenviertel ein erklärendes Schild: Unter "Pfalz" (das Wort stammt vom Lateinischen Palatium, Palast) verstand man im Mittelalter einen auf Königsgut gelegenen Gebäudekomplex mit Palas, Kapelle sowie Wirtschaftsgebäuden zur Aufnahme des reisenden Königs und seines Gefolges. Insgesamt sind 34 Aufenthalte von Kaisern und Königen nachweisbar. Nach dem Jahr 1350 wurde die Kaiserpfalz vermutlich durch einen Brand teilweise zerstört und überbaut.

 
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