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Nabu-Station in Hagenbach: Wo wilde Vögel gesund gepflegt werden

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Ob Bufdi, Mini-Jobber oder Ehrenamtler pur: Mitarbeiter der Nabu-Greifvogelpflegestation Bad Friedrichshall-Hagenbach investieren viel Herzblut und Idealismus in ihr Ehrenamt.Turmfalke erholt sich schnell von Trauma.

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Helmut Weber zeigt Joana Hermann die Eigenheiten des Schleiereulengefieders.
Helmut Weber zeigt Joana Hermann die Eigenheiten des Schleiereulengefieders.  Foto: Seidel, Ralf

Zufällig fährt um 5 vor 11 Uhr Jan Franke mit seinem großen Rettungswagen im Finkenschlag vor. Er springt aus dem Gefährt und trägt seine Lieferung in die Nabu-Greifvogelpflegestation: einen jungen Turmfalken. "Den hat jemand in Obersulm gefunden und bei uns angerufen", erzählt der Leiter der Tierrettung Unterland, während er das komatös wirkende Tierchen mit Hilfe von Loana Hermann auf die Waage legt. Die 19-jährige Leingartenerin absolviert seit September ihren Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) in dieser einzigartigen Einsatzstelle.

Eigentlich sind Turmfalken Giftspritzen

Während für die Bufdi jeder Neuzugang in der Greifvogelstation spannend ist, zeigt Franke routiniert, wie man so einen Falken anfasst - auf einem Formular vermerkt der Profi-Tierretter seinen 943. Einsatz für 2023. Ebenso wie das Gewicht des Turmfalken: 155 Gramm. "Bei einem Uhu würde ich Handschuhe anziehen", sagt Franke, "der kann bis auf die Knochen krallen." Allerdings seien auch Turmfalken "eigentlich Giftspritzen", nur ist dieses Männchen zu benommen, um sich gegen die Behandlung zu wehren.

Fundvögel zur eigenen Sicherheit nicht anfassen

Woran erkennt man das Geschlecht? "An dem grauen Kopf", weiß Franke, und erklärt nebenbei den Unterschied zwischen Griff- und Bisstötern unter den Raubvögeln. Die einen nutzen ihre langen Krallen vornehmlich dazu, lebenswichtige Organe im Körperinneren ihrer Opfer zu durchlöchern, die anderen packen ihre Beute mit den Fängen und töten sie durch einen Biss in den Nacken. Und so ein Grifftöter kann auch mal die Hand eines Tierfreunds durchbohren, der ihn retten möchte. Daher rät Franke jedem, der einen verletzten Greifvogel findet, davon ab, ihn anzufassen und zur Station zu bringen. Besser informiert man die Tierrettung über den Fundort.

Bussard entpuppt sich als Nymphensittich

Loana Hermann holt den Wespenbussard mit Handschuhen aus der Voliere. Der besondere Vogel wurde in der Station aufgepäppelt und muss noch überwintern.
Loana Hermann holt den Wespenbussard mit Handschuhen aus der Voliere. Der besondere Vogel wurde in der Station aufgepäppelt und muss noch überwintern.  Foto: Seidel, Ralf

Nun stellt sich auch Helmut Weber ein. Dem Gründer und Leiter der Nabu-Station war der Fund eines jungen Bussards gemeldet worden, "deswegen war ich gerade noch unterwegs". Am Fundort stellte sich heraus: "Das war ein Nymphensittich." Die Greifvogelpflegestation des Nabu nimmt aber keine verletzten Haustiere auf, auch keine Sing- oder sonstigen Kleinvögel. Lediglich alle Greifvogel- und Eulenarten sowie Stelzenvögel wie Reiher, Störche oder Rohrdrommeln. Schwänen und Enten kann man hier auch nicht helfen, "die könnten die Vogelgrippe übertragen", sagt Weber.

Falke hatte Autounfall

Doch jetzt wendet sich der 70-Jährige erstmal dem Neuzugang zu: "Was haben wir denn da?" Auch er fasst den Turmfalken - wie im Übrigen jeden anderen Vogel auch - mit bloßen Händen an: "Der Greifreflex funktioniert noch", stellt er fest. An der Seite des Tiers entdeckt er einen Bluterguss: "Er ist wahrscheinlich gegen ein Auto geflogen." Am grau-blauen Stoß, der Steuerfeder am Schwanz des Falken, der noch Querbünde aufweist, sieht er: "Das ist ein zweijähriges Männchen."

Um sich von seinem Trauma zu erholen, kommt der kleine Kerl erstmal in einen geräumigen Käfig im Empfangsraum der Station. Im Gitterkasten darüber guckt eine Schleiereule neugierig, dann findet sie schon die Kraft zu Drohgebärden.

Vom Fußballprofi zum Vogelpfleger

Der Leiter der Nabu-Greifvogelpflegestation Bad Friedrichshall, Helmut Weber, untersucht einen Turmfalken. Am Gefieder erkennt er, dass der Neuzugang männlich und zwei Jahre alt ist. Das Tier darf sich nun von einem Unfall erholen.
Fotos: Ralf Seidel
Der Leiter der Nabu-Greifvogelpflegestation Bad Friedrichshall, Helmut Weber, untersucht einen Turmfalken. Am Gefieder erkennt er, dass der Neuzugang männlich und zwei Jahre alt ist. Das Tier darf sich nun von einem Unfall erholen. Fotos: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Im Bereich der großen Volieren macht sich Asim Alchihap zu schaffen. Der Syrer war in Damaskus Fußballprofi. Jetzt reinigt der 41-Jährige als Mini-Jobber die Gehege und füttert die Vögel. Etwa den roten Milan, der sich die Voliere mit zwei Mäusebussarden teilt, oder die Eulen und Waldkäuze. Den Weißstörchen und Graureihern, die in der großen Flugvoliere auf die Auswilderung warten, füllt er Fisch und Küken aus der Kühlkammer in Wasserbassins.

67 Vögel werden gerade in der Pflegestation versorgt. "Nur vier müssen derzeit zwangsgefüttert werden", berichtet Weber. Das ist mühsam, darum ist er froh, dass er mit Joana eine Freiwilligendienstlerin gefunden hat. Sie kümmert sich darum, ebenso wie um Medikamentengabe, wo nötig. Der Neuzugang braucht aber erstmal nur Ruhe. Immerhin: Um 12 Uhr zeigt der Turmfalke schon wieder erste Lebenszeichen.

 


Auf Spenden angewiesen

Mini-Jobber Asim Alchihap reinigt die Flugvoliere der Stelzenvögel.
Mini-Jobber Asim Alchihap reinigt die Flugvoliere der Stelzenvögel.  Foto: Seidel, Ralf

Die Bad Friedrichshaller Greifvogelpflegestation des Naturschutzbunds (Nabu) ist neben dem Vogelschutzzentrum in Mössingen eine von zwei Aufnahmestellen ihrer Art in Baden-Württemberg. Sie wird unter der Leitung von Helmut Weber komplett ehrenamtlich betrieben und ist dringend auf Spenden angewiesen. Zwischen 36 000 und 40 000 Euro kosten jährlich Futter, Strom, Medikamente, Tierarzt, Wasser, und so weiter. Der Staat schießt nur 16 000 Euro zu, darin enthalten ist der Lohn für den Bundesfreiwilligendienstler (Bufdi). Auch ein neuer Bufdi wird jährlich gesucht.

80 Prozent aller gefiederten Patienten werden gesund

Nachdem Gehege erneuert werden mussten, ist die Einrichtung verschuldet. "Ich muss betteln gehen", sagt Helmut Weber, der die Greifvogelstation 1975 gründete. "Inzwischen habe ich 36 000 Vögel gepflegt", schätzt er. Und er ist stolz auf seine Erfolgsquote: "Circa 80 Prozent entlasse ich gesund in die Freiheit." Alle Infos zur Nabu-Greifvogelpflegestation gibt"s auf der Homepage nabu-badfriedrichshall.de/greifvogelpflegestation.

 
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