Schozach- und Bottwartal: Eine Heimstatt für Visionen und Visionäre
Von der "Seherin von Prevorst" bis zum früheren Landesvater Lothar Späth: Einige bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben enge Verbindungen zum Schozach- und Bottwartal.

Das Schozach- und Bottwartal ist nicht nur eine Wiege guter Weine. Auch etliche Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind hier herangewachsen. Wir zeichnen einige Lebensläufe und ihre Verbindung zur Region nach.
Eine Frau mit ungewöhnlichen Fähigkeiten
Es ist ein Klassiker der schwäbischen Küche: Schweinelende mit Spätzle und Salat. Im Gasthaus "Zum Ochsen" im Oberstenfelder Teilort Prevorst allerdings hat dieses Gericht einen speziellen Beinamen. Hier nennt man es "Seherinnen-Töpfle". Diese Bezeichnung spielt an auf die Geschichte von Friederike Hauffe, besser bekannt als "Seherin von Prevorst". In dem Haus, das heute die Gaststätte beherbergt und das einst das Forsthaus der Gemeinde war, wurde Hauffe 1801 geboren. Was vom Leben der Frau überliefert ist, weiß man aus den Aufzeichnungen des Weinsberger Arztes Justinus Kerner. In seine Behandlung begab sich Friederike Hauffe ab 1826 nach einem langen Leidensweg.
Aus den Notizen des Mediziners geht hervor, dass sich seine Patientin besonders in der Nähe von Kirchen oder Gräbern oft unwohl fühlte. Die Familie von Friederike Hauffe lebte neben der Oberstenfelder Stiftskirche. Zum dortigen Prediger, Johann Gottlieb Tritschler, empfand die junge Frau eine tiefe Zuneigung. 1821 starb der Geistliche jedoch. Vor seinem Grab soll Hauffe ihr erstes Erleuchtungserlebnis gehabt haben. Später wand sich die Frau zunehmend in Fieberkrämpfen, gab an, Stimmen zu hören und Geister sehen zu können - unter anderem die ihrer Großmutter und des Predigers Tritschler. Für die damalige Zeit mehr als untypisch, nahm Justinus Kerner seine Patientin ernst und versuchte, sie auch mit außergewöhnlichen Mitteln zu behandeln, etwa mit einem "Seelenstimmer", zu dessen Bau Friederike Hauffe Anweisungen aus dem Jenseits erhalten haben wollte.
Sein akribischer Krankheitsbericht machte Friederike Hauffe als "Seherin von Prevorst" berühmt. Eine Heilung war ihr indes nicht vergönnt, Friederike Hauffe starb am 28. August 1829. Auf ihrem Grabstein in Löwenstein ist zu lesen: "Glaube und Liebe heilen auch die irre Seele".
Prägende Jahre für die politische Karriere

Eine enge Beziehung zur Schozachgemeinde hat auch der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth. Geboren am 16. November 1937 in Sigmaringen, stammte Späth aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater Friedrich war Lagerhausverwalter; die Mutter Helene hatte ihre Arbeit als Stenotypistin nach der Heirat 1931 aufgegeben.
Seine Jugendjahre verbrachte er von 1940 bis 1956 in Ilsfeld, wo sich Lothar Späth - geprägt von der pietistischen Glaubensauffassung seiner Mutter - in der evangelischen Kirche engagierte. Bis 1947 besuchte er hier die Volksschule, ehe er zunächst nach Beilstein auf die Oberschule und dann auf das Gymnasium nach Heilbronn wechselte. Nach einem Streit mit seinem Vater verließ Späth das Gymnasium mit der Mittleren Reife, obwohl er wie sein Onkel eigentlich Jura hatte studieren wollen. Seine politische Karriere führte ihn über die Stationen als CDU-Fraktionsvorsitzender und Innenminister schließlich ins Amt des Landesvaters.
Lange erinnerte in Ilsfeld nichts an die enge Verbindung des Politikers mit der Gemeinde, die er zeitlebens durch Besuche pflegte. Erst seit 2017 trägt die Alte Schule den Namen "Lothar-Späth-Haus", die Fläche davor, der ehemalige Schulhof, wurde "Lothar-Späth-Platz" getauft.
Ein früher Wirtschaftsförderer
Fest mit Ilsfeld verbunden - und als Namensgeber des dortigen Schulzentrums noch immer ein fester Begriff - ist der Ökonom Ferdinand von Steinbeis. Sein Vater war der Pfarrer Johann Jakob Steinbeis, die Mutter Auguste Charlotte Wilhelmine war eine Schwester des Weinsberger Dichters und Mediziners Justinus Kerner. Geboren in Ölbronn im Enzkreis, wuchs Ferdinand von Steinbeis in Ilsfeld auf, ehe er nach einer Lehre im Hüttenwerk Wasseralfingen in Tübingen Naturwissenschaften studierte. 1848 berief ihn der württembergische König Wilhelm I. zum Königlich Württembergischen Regierungsrat und zum Leiter der Zentralstelle für Handel und Gewerbe. Steinbeis gründete mehrere Gewerbeschulen, unter anderem in Schwäbisch Gmünd und Heilbronn. Als Mäzen förderte er junge Talente, unter anderem den späteren Erfinder des Automobils, Gottlieb Daimler.
Vom Wingert auf den Weltmarkt

Die Skulptur des Bildhauers Herbert Mehler, die sich seit Dezember 2021 auf dem Kelterplatz in Ilsfeld in die Höhe schraubt, ist in gewisser Hinsicht auch eine Reminiszenz an eine Persönlichkeit, die ihre Wurzeln in der Schozachgemeinde hat: Adolf Würth, Gründer des gleichnamigen "Schraubenimperiums". Nicht nur, dass das Kunstwerk eine Leihgabe der Sammlung Würth ist, es steht auch fast genau dort, wo sich einst das Elternhaus von Adolf Würth befand.
Dessen Vater Friedrich war Landwirt, Wingerter, Gastwirt und Mitinitiator des Ilsfelder Gewerbevereins. Dieses Umfeld prägt den Sohn. "Mein Vater pflegte mit seinen Kollegen gute Freundschaft, und gern und schnell war er bereit, zu feiern bei gutem Wein - was kein Wunder ist, denn sein Vater hatte in Ilsfeld das eigene kleine Weingut und eine Weinwirtschaft", erinnerte sich Reinhold Würth bei einer Ausstellung zum 100. Geburtstag des Firmengründers an seinen Vater.
Dieser wurde 1922 mit 13 Jahren Lehrling bei einer Schraubengroßhandlung in Kupferzell. Rasch entwickelte er sich weiter, erhielt Prokura und ging auf Verkaufsreisen in Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland. Das Geschäftsmodell des Direktvertriebs nahm Adolf Würth in seinem eigenen Unternehmen wieder auf, das er im Juli 1945 gründet. Es wurde der Wachstumsmotor der Firma, deren Leitung nach dem plötzlichen Tod des Firmengründers 1954 der damals erst 19-jährige Sohn Reinhold übernahm - und es zu einem Weltmarktführer für Montage- und Befestigungsmaterial formte.
Auch Adolf Würths Enkel ist in Ilsfeld dauerhaft verewigt: Die Haupterschließungsstraße des Industriegebiets "Bustadt" trägt seinen Namen. Und nicht zuletzt hatte mit der Firma Portolan ein einstiges Tochterunternehmen des Würth-Konzerns seinen Sitz zunächst in Ilsfeld. Seit 2018 ist das Unternehmen, das internationale Finanzsoftware für den Mittelstand entwickelt und im Besitz der Familie Nürk ist, im Schwabenhof in Heilbronn zuhause.