Reichtum und Vielfalt jüdischen Lebens
Heimatforscher und Vereine bringen stumme Zeugen zum Reden und widmen sich dem Erinnern.

Sie sind überall: Spuren jüdischen Lebens, das untrennbar mit dem Kraichgau verbunden ist. Das haben Heimatforscher und Autoren wie der Eppinger Bernd Röcker immer wieder betont.
Auch Elisabeth Hilbert, die Vorsitzende des Vereins Jüdisches Leben Kraichgau, legt ihren Schwerpunkt auf das Gemeinsame. Sie will, dass jüdisches Leben als etwas Selbstverständliches wahrgenommen wird. "Der Kraichgau ist eine alte, historische Kulturlandschaft", sagt sie: "Seit dem Mittelalter trugen auch Juden zu seiner Vielfalt und seinem Reichtum bei."
Gegen das Vergessen
Seit dem Holocaust existieren in den zirka 60 Ortschaften des Kraichgaus keine jüdischen Gemeinden mehr. Aber vielerorts haben Historiker gegen das Vergessen angeschrieben. Eine gemeinsame Wanderausstellung gibt es. Und es haben sich wie in Heinsheim, Steinsfurt oder Neidenstein Vereine gegründet, die sich der Restaurierung einer ehemaligen Synagoge angenommen haben.
Die Heimatfreunde Eppingen beschäftigen sich seit den 80er-Jahren intensiv mit den jüdischen Spuren in ihrer Stadt. Überhaupt weist Eppingen alle Anzeichen einer einst aktiven jüdischen Gemeinde auf. Erhalten geblieben sind hier das Jordanbad in der alten Synagoge, mit seiner Mikwe und dem einmalig schönen Hochzeitsstein, der Verbandsfriedhof aus dem 17. Jahrhundert und natürlich die Alten Uni, die Juden als Schul- und Versammlungsraum diente.
Zweimal - in Meckesheim und in Sinsheim - soll die Wanderausstellung "Dem Vergessen entrissen" in diesem Jahr wieder zu sehen sein.

Lehrmaterial für junge Leute
Sechs Kraichgauer Vereine, 25 Historiker, Archivare, Lehrer und Religionspädagogen haben sie auf Initiative der Eppinger Heimatfreunde und des Vereins Jüdisches Leben Kraichgau erarbeitet. Die Ausstellung spannt den Bogen vom Mittelalter, wo mit dem Juden Frumold von Wimpfen 1312 einer der Gläubiger Konrads von Weinsbergs erstmals Erwähnung fand, bis zur Gegenwart. Und sie dient als Lehrmaterial für junge Menschen: "Seit 2011 binden wir die Schulen mit ein", erzählt Elisabeth Hilbert. Immer müsse man beim Erinnern auch die Zukunft im Auge haben.
Für sie, die einst als junge Frau mit Schuldgefühlen nach Israel ging und dort herzlich aufgenommen wurde, ist das Engagement gegen Antisemitismus und Antiisraelismus ein Herzensanliegen.
Vier Studienreisen nach Israel hat ihr Verein seit 2013 organisiert und vorurteilsfreie Begegnungen ermöglicht. Überhaupt Begegnungen: Sie sind der Motor ihres Tuns. Elisabeth Hilbert pflegt Freundschaften sowohl zu orthodoxen als auch zu säkularen Juden.
Gidon Suesskind, einer ihrer Freunde, hat die Verlegung von Stolpersteinen voriges Jahr in Eppingen angeregt. Anträge für die Lea-Fleischmann-Bildungsprojekte laufen über den Verein Jüdisches Leben Kraichgau. Und natürlich war Elisabeth Hilbert dabei, als in Heinsheim am 30. September 2021 die ehemalige Synagoge als Stätte der Begegnung eingeweiht werden. Die Spuren werden sichtbarer.
"Die Juden haben den Kraichgau vorangebracht und in die Moderne geführt", betont Elisabeth Hilbert: Dieses Wissen dürfe nicht verloren gehen. Exkursionen sowie Stammtische führen Vereinsmitglieder durch die Geschichte. Eine zweisprachige Karte von allen jüdischen Sehenswürdigkeiten im Kraichgau kam 2008 auf den Markt. Sie markiert stumme Zeugen menschlichen Lebens. Neue sind zwischenzeitlich dazugekommen.
12-12 Kraichgau geht zu Ende: Die Reihe wird im März mit Artikeln über das Hohenloher Jagsttal fortgesetzt.