Kraichgau: Die Kornkammer mit vielfältigem Angebot
Gute Böden und mildes Klima machen das Hügelland seit Generationen zu einem der erfolgreichsten Anbaugebiete für Getreide in Baden-Württemberg. Getreide ist auf der Eppinger Gemarkung seit Alters her die wichtigste Kulturart. Wer die wichtigsten Akteure sind:

Der Kraichgau ist als Getreideanbaugebiet seit Generationen berühmt. Dies unterstreicht Herbert Hecker, der von 1983 bis 2006 Leiter des Landwirtschaftsamts in Sinsheim war. "Tatsächlich sind die Boden- und Klimabedingungen in der leicht hügeligen von der Elsenz und dem Hilsbach durchzogenen Gemarkung für einen ertragreichen Ackerbau vorzüglich", schreibt der 80-jährige Diplom-Agrarökonom in einem Manuskript, das in diesem Jahr in der Schriftenreihe der Eppinger Heimatfreunde "Rund um den Ottilienberg" erscheinen wird.
Dass man die Stadt Eppingen unter die fruchtbarsten Gegenden in der ganzen Pfalz rechnen kann, habe schon der an der Universität Heidelberg von 1788 bis 1808 lehrende Theologe, Geograph und Historiker Friedrich Peter Wundt Ende des 18. Jahrhunderts festgestellt. Um 1930 habe die damals etwa 1800 Hektar umfassende größte Acker-Flur im Kraichgau als eine der "Kornkammern in Baden" gegolten, so Hecker. Damals freilich wurde als Hauptfrucht "Spelz", also eine Dinkelart, kultiviert.
Wie sich die Anbaufläche verändert hat

Der Getreideanbau sei auf der Eppinger Gemarkung seit Alters her die wichtigste Kulturart, so der Agrarökonom weiter. So stieg die Getreidefläche nach dem Zweiten Weltkrieg mit 527 Hektar, was in etwa 40 Prozent der damals zur Verfügung stehenden Ackerfläche entspricht, auf heute etwa 62 Prozent der bewirtschafteten Ackerfläche der Gemarkung Eppingen ein. "Diese Entwicklung ist einerseits auf die weitgehende Technisierung des Getreidebaus und anderseits auf den Anbau von Weizen und Braugerste bester Qualität mit professioneller Erfassung, Vermarktung und Logistik zurückzuführen", so der Verfasser des aktuellen Heimatfreunde-Manuskripts.
Die Agroa-Genossenschaft, Nachfolgerin des Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums (KRZ), ist die größte Primärgenossenschaft der Region. Sie erfasst, vermarktet und verarbeitet Getreide. Unter dem Dach der Genossenschaft wurde im Jahr 1994 die Kraichgau-Getreide-Erzeugergemeinschaft als eingetragener Verein gegründet, um die Marktkapazitäten zu bündeln. Aktuell zählen 417 Vertragsbauern, die auf einer Flächen von jährlich 6000 bis 7000 Hektar Qualitätsgetreide anbauen, zum Netzwerk. Eine der prominenten Abnehmerinnen der Kraichgauer Braugerste ist die Sapporo-Brauerei in Japan. Die Agroa ist auch in Sachen Weiterverarbeitung eine der wichtigsten Akteure im Kraichgau. So werden jährlich etwa 12.000 Tonnen Getreide im Eppinger Mischfutterwerk verarbeitet.
Nach welchen Regeln Kraichgau-Korn arbeitet
Mit 48 Landwirten, 40 Bäckereien und zwei Mühlen hat sich die Erzeugergemeinschaft Kraichgau-Korn in der Region und darüber hinaus einen Namen erworben. Gegründet wurde die Gemeinschaft 1990 als "wirtschaftlicher Verein" mit Sitz in Nußloch (Rhein-Neckar). Wie der erste Vorsitzende Roland Waldi berichtet, ist die regionale Direktvermarktung einer der Vereinszwecke. Dabei setze Kraichgau-Korn auf den Verzicht von Pflanzenschutzmitteln. "Unsere Mitgliedsbetriebe arbeiten konventionell, auch wenn wir im Getreideanbau keine chemisch-synthetischen Verfahren einsetzen", so Waldi. Gerhard Bentz, Landwirt in Kirchardt, zählt zu Mitgliedern der ersten Stunde. "Uns war wichtig, aus der Abhängigkeit von Spritzmitteln auszusteigen", erinnert sich der Kirchardter. Die teilnehmenden Bäcker würden sich ihrerseits verpflichten, keine chemisch-synthetischen Backzusätze zu verwenden. Mit dem Ansatz, regionale Kreisläufe zu schaffen, habe man einen guten Weg eingeschlagen, resümiert der Mitbegründer von Kraichgau-Korn.
Wie Qualität ohne Spritzmittel gewährleistet wird

Die gewünschte Qualität, nämlich backfähiges Getreide ohne Chemieeinsatz zu erhalten, erzielt der Kirchardter durch mechanische Bodenbearbeitung. Dazu zähle das regelmäßige Striegeln der Böden. Außerdem arbeitet der Betrieb mit geringeren Bestandsdichten, um das Korn besser zu durchlüften. Dies sorge unter anderem für geringeren Pilzdruck, so der Landwirt.
Dinkel, Blue-Velvet-Urdinkel, Einkorn, Emmer, Waldstaudenroggen, Khorasan-Weizen: So heißen die alten Sorten, die Hecker-Urkorn auf einer Fläche von mehr als 100 Hektar anbaut und weiterverarbeitet. Der Eppinger Betrieb ist seit mehr als 60 Jahren im Getreideanbau und -verarbeitung tätig. Auf Urkorn-Sorten setzt der Familienbetrieb aber erst seit etwas mehr als zehn Jahren. "Uns reizte damals, Neuland zu betreten", erinnert sich Inhaber Reinhard Hecker. Urkorngetreide verfüge über besondere ernährungsphysiologische Eigenschaften. So sei es für Patienten mit bestimmten Unverträglichkeiten die einzige Art, überhaupt Getreideprodukte zu sich zu nehmen: "Urkorn ermöglicht diesen Menschen ein Stück Normalität."
Wie die Genossenschaft im Getreide aufgestellt ist
"Kraichgau als Kornkammer Baden-Württembergs hatte bereits in den 70er-Jahren einen europaweiten Ruf als Qualitätsweizenanbaugebiet." Getreu dieser Tradition bauen die 417 MItgliedsbetriebe der Kraichgau-Getreide-Erzeugergemeinschaft unter dem Genossenschaftsdach der Agroa (ehemals KRZ) Weizen, Dinkel und andere Sorten an. Seit 2012 kultivieren die Landwirte im Kraichgau Soja, mittlerweile auf 1400 Hektar. Die Nutzpflanze kann Trockenheit besser vertragen als viele etablierte Getreidearten.