Fruchtbare Böden und mildes Klima: Der Kraichgau im Fokus
Eine Landschaft, deren Grenzen fließend sind, mit fruchtbaren Böden, saftigem Getreide und historisch bedeutsamen Stätten. Eine Landschaft voll schöner und interessanter Ausflugsziele: Das ist der Kraichgau.

In pago Creichgouue" - mit diesem Eintrag im Codex des Klosters Lorsch, datiert auf den 11. Juni 769, taucht erstmals eine Landschaft namentlich auf, die heute auch "badische Toskana" oder "Land der tausend Hügel" genannt wird. Seine Burgen und Schlösser, Fachwerkdörfer und Heimatmuseen, traditionsreichen Feste und Bräuche zeichnen den Kraichgau ebenso aus wie seine zentrale Lage zwischen Neckar und Rhein.
Wanderausstellung im Sommer in Eppingen
2019 feierte der Kraichgau seine 1250 Jahre alte Geschichte. Die vier Landkreise Heilbronn, Rhein-Neckar, Karlsruhe und Enz konzipiertenzusammen eine Wanderausstellung, die etwa von 5. August bis 2. September 2022 in der Galerie im Eppinger Rathaus zu sehen sein wird.
Die Ausstellung unternimmt den Versuch, die Vielfalt, Besonderheiten und historische Entwicklung des Kraichgaus zu dokumentieren. Als "Einfallstor und offener Durchgangsraum, Grenzregion und Schmelztiegel, Vakuum, Zankapfel, Schlachtfeld", beschreibt der Historiker Thomas Adam das, was sich so schwer abgrenzen lässt, als "eine Gegend, zu der untrennbar das Trennende gehört".

Seine "Kleinen Geschichte des Kraichgaus" erschien 2010 im G.Braun Buchverlag in Karlsruhe und liegt zwischenzeitlich in dritte Auflage vor. Adam legte damals eine beeindruckende historische Zeitreise vom Homo heidelbergensis aus Mauer bei Sinsheim bis zum Einzug der TSG 1899 Hoffenheim in die Fußball-Bundesliga vor, eine historische Gesamtschau und "einen Beitrag zum modernen Regionalbewusstsein", wie es auf dem Buchrücken heißt.
Vom Rhein bis zum Neckar
"Politisch, sozial, religiös ist die Region seit jeher völlig uneinheitlich", zitiert der Autor die Historikerin Carla Meyer: "Der Begriff einer Geschichtslandschaft und was er jeweils bezeichnet, entlarvt sich am Beispiel des Kraichgaus als das wandelbare Produkt von Interessen und Konflikten." Die höchste Erhebung ist mit 359 Metern der Bickeldorn bei Kälbertshausen. Der 333 Meter hohe "Kompass des Kraichgaus" ist der Steinsberg bei Sinsheim-Weiler.

Im Kreis Heilbronn ist der Eppinger Ottilienberg mit 314 Metern der höchste Punkt des Kraichgaus. Das Herz der geschichtsträchtigen Landschaft schlägt westlich davon. Thomas Adam selbst legt seinem Buch "den großen Kraichgaubegriff zugrunde". Eine Definition, wie er schreibt, "die als Kraichgau alles das versteht, was zwischen dem Neckartal im Osten und Norden sowie den Ausläufern des Schwarzwaldes - auf einer Linie von Ettlingen nach Birkenfeld und dann der Enz folgend bis Besigheim - im Süden liegt. Den Abschluss im Westen markiert die Geländestufe entlang der Grabenrandverwerfung zur Oberrheinischen Tiefebene hin."
Das Zabergäu und das Leintal, Bad Rappenau und Bad Wimpfen und alles, was dazwischen westlich des Neckars liegt, zählt der Historiker zum Kraichgau. Trotzdem seien es die kleinen Landschaften, die Identität schaffen. Er selbst wurde in Untergrombach, einem Ortsteil von Bruchsal geboren.
Dort verlaufe tatsächlich die einzige, klare und unbestrittene Grenze, weil dort das Hügelland steil zum Rhein hin abbricht, sagt er.

Der Landstrich, der in Deutschland lange eher unbekannt war, ist aus dem Schatten getreten durch einen kleinen Sinsheimer Teilort. Seit die TSG Hoffenheim in der Bundesliga spiele, sagt Thomas Adam, kenne man den Kraichgau auch im übrigen Bundesgebiet.
Und der ist zwar kein klassisches Urlaubsland, dafür aber voll von kulturhistorisch bedeutsamen Ausflugszielen wie dem Kloster Maulbronn oder dem Waldenserweg von Eppingen Richtung Mühlacker.
Adam war ein Kraichgauer
Die wechselvolle Geschichte des Kraichgaus wurde lange von starken, einflussreichen und fortschrittlichen Adelsfamilien wie denen von Sickingen, von Gemmingen oder von Mentzingen vorangetrieben. Der Siegfried aus der Nibelungensage, nahe Odenheim ermordet, der Reformator Philipp Melanchton aus Bretten oder Faust aus Knittlingen, wo auch der ehemalige Heilbronner Landrat Detlef Piepenburg herstammt: Sie alle sind Kraichgauer.
Fruchtbar sind dort die Böden, gesund das Getreide, mild das Klima. Und wo es genug Wasser zum Tränken von Tieren gab, ließ man sich nieder.
"Heute habe ich den Adam gefunden", soll der Sandgräber Daniel Hartmann am 21. Oktober 1907 in Mauer bei Sinsheim verkündet haben. Er meinte damit nicht die Ahnen von Thomas Adam, sondern den ehemaligen Besitzer des Kieferknochens, den er ausgegraben hatte. Bis heute ist der Homo heidelbergensis der älteste Menschenfund in Deutschland.


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