Kanzlei in Öhringen setzt auf 25-Stunden-Woche
Steuerberaterin Nathalie Hauf organisiert die Arbeit in ihrer Kanzlei in Öhringen konsequent um. Für Mitarbeiter heißt das, voller Lohn bei kürzerer Arbeitszeit. Es ist ein Ansatz, der Disziplin erfordert.

Weniger arbeiten, das gleiche verdienen - was sich für viele Arbeitnehmer nach einem Traumjob anhört, ist für Selbstständige ein Spagat. Mehr Privatleben bedeutet in der Regel Verzicht auf Umsatz und Gewinn. Die Steuerberaterin Nathalie Hauf und ihr Ehemann Andreas gehen diesen Weg trotzdem und bieten ihn auch ihren Mitarbeitern an.
Die Umstellung fiel einigen schwer
"Man muss heute etwas bieten, wenn man für Fachkräfte attraktiv sein will", sagt Natalie Hauf. Die 39-Jährige weiß, wovon sie spricht. 2018 hatte sie eine eingeführte Kanzlei in Öhringen übernommen. Von der ursprünglichen Mannschaft blieb nicht mehr viel, nachdem Mitarbeiter in Rente gegangen waren oder sich neu orientiert hatten. Teils spielten individuelle Gründe eine Rolle, teils aber auch - das räumt Hauf ein - die Veränderungen durch die Digitalisierung.
Nathalie Hauf hatte von Beginn an Prozesse verschlankt, ging weg von Papier und Aktenordnern. "Die Umstellung kann schwer fallen, wenn man seit der Ausbildung immer anders gearbeitet hat."
Und auch ihr Mann räumt ein: "Wahrscheinlich war es zu schnell zu viel." Doch eine Alternative sah sie nicht. Spätestens als sie nur noch zu dritt in der Kanzlei waren, zahlte sich die neue Arbeitsweise allerdings aus. Denn nun wurde klar, dass man auch mit weniger Personal das gleiche Pensum schaffen kann.
Den Vorbildern konsequent gefolgt
Schon bei ihrer vorigen Anstellung in der Schweiz, wo sie mit Selbstanzeigen deutscher Bankkunden beschäftigt war, hatte Nathalie Hauf beobachten können, was effizientes Arbeiten bewirkt. Ihr Mann, der im Projektmanagement eines Hohenloher Schraubenhändlers tätig war, beschäftigte sich ebenfalls mit Optimierungen und internen Abläufen.
Vor etwa fünf Jahren waren die zwei auf den Unternehmer Lasse Rheingans aufmerksam geworden, der in seiner Agentur damals die 25-Stunden-Woche einführte. Einen zweiten Impuls gab es später aus der Steuerberater-Branche.
Ein gewisser Erich Erichsen hatte die Idee zum verkürzten Arbeiten in seiner Kanzlei umgesetzt und bot Coachings für Kollegen. Welche Strukturen braucht es? Welche Hilfsmittel gibt es? Worauf kommt es an?
Telefonfreie Zeit ermöglicht konzentriertes Arbeiten
Als das erste Kind der Haufs auf die Welt kam und Andreas Hauf in Elternzeit war, wurde den beiden bewusst, dass seine Fähigkeiten auch in der Kanzlei gut eingesetzt werden könnten. Er stieg mit ein und kümmert sich nun um die Organisation.
Beispielsweise sorgte er für eine Telefonanlage, mit der telefonfreie Zeit programmiert werden kann. Zeit, in der konzentriert gearbeitet werden kann. "Wenn man nicht abgelenkt wird, ist in zwei Stunden viel möglich." Der Plausch zwischen Tür und Angel ist dann allerdings ebenso tabu wie die Beantwortung einer Mail zwischendurch.
"Es braucht Disziplin, wenn man in einer 25-Stunden-Woche das schaffen will, was normalerweise in 36 oder mehr Stunden geschafft wird", sagt Nathalie Hauf. Für die privaten Gespräche sei dann beispielsweise beim gemeinsamen Mittagessen Zeit.
Zwei weitere Mitarbeiter gibt es derzeit noch in der Kanzlei: Nathalie Haufs Schwester Sophie Herkert sowie eine Teilzeitkraft. Momentan ist es also fast ein Familienbetrieb, doch dabei soll es eben nicht bleiben. Auch neuen Mitarbeitern werde nun ein Vollzeit-Vertrag angeboten mit dem klaren Ziel, das Pensum in 25 Stunden abzuarbeiten.
Die To-Do-Liste ist noch nicht abgearbeitet
Sophie Herkert arbeitet bereits von 8 bis 13 Uhr. Sie nutzt den Nachmittag, um sich auf das Steuerberaterexamen vorzubereiten. Nathalie und Andreas Hauf kommen knapp hin. "Mit der eigentlichen Arbeit sind wir in der Regel bis zum Mittagessen durch", sagt Nathalie Hauf. "Aber ich setze mich später schon noch häufig an das eine oder andere Thema." Die Wand, wo die organisatorischen To-dos für die nächsten Monate hängen, ist schließlich noch gut gefüllt.
Bei den Mandanten komme die neue Arbeitsweise gut an, erzählen die zwei, obwohl beispielsweise nachmittags keine Anrufe mehr angenommen werden. Doch die Checklisten, die in der Kanzlei jetzt konsequent für Vorgänge und Mandanten erstellt werden, führten zu mehr Verlässlichkeit. "Die Frage, ob Weihnachtsgeld mit dem Oktober- oder Novembergehalt ausbezahlt wird, stellen wir nun rechtzeitig im Vorfeld", sagt Nathalie Hauf. Das bringe Entspannung auf beiden Seiten.
Das spreche sich auch herum. Neue Mandanten nimmt die Kanzlei nicht auf, bis das Personal aufgestockt ist. Denn dauerhaft auf Umsatz zu verzichten, ist nicht das Ziel, sagt die Steuerberaterin. "Wir wollen wachsen, aber eben ohne selbst immer noch mehr und noch mehr arbeiten zu müssen."