Wissenschaftler fordern konkretes Handeln, um Wachstum zu begrenzen
Die Studie "Grenzen des Wachstums" hat vor 50 Jahren den drohenden Kollaps aufgezeigt. Bei einer Diskussionsrunde am Ferdinand-Steinbeis-Institut haben Wissenschaftler jetzt darüber diskutiert, was seither passiert ist - mit ernüchterndem Ergebnis.
Vor 50 Jahren hat Prof. Erich Zahn mit an dem Bericht "Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome geschrieben, der Szenarien für die Entwicklung der Menschheit beschrieb. Am Freitag hat der Ökonom mit anderen Wissenschaftlern am Ferdinand-Steinbeis-Institut in Heilbronn über die Studie und deren Auswirkungen diskutiert. Ging es 1972 vor allem darum, die Dynamik des Wachstums besser zu verstehen, stellt sich den Wissenschaftlern heute die Frage, was seitdem erreicht wurde.
"Nicht genug", erklärte der niederländische Wirtschaftswissenschaftler Prof. Peter Nijkamp. Er forderte konkretes Handeln, um Lebensqualität zu sichern. Dabei können digitale Lösungen einen wichtigen Beitrag leisten, auch Zahn plädierte dafür, den technischen Fortschritt zu nutzen.
Forschung hilft bei Sicherung des Wohlstands
Gemeinsam mit Prof. Günter Haag vom Steinbeis-Institut, Prof. Denise Pumain von der Pariser Universität Sorbonne und Prof. Aura Reggiani von der Universität in Bologna zeigten Zahn und Nijkamp die Notwendigkeit wissenschaftlicher Forschung zur Wohlstandssicherung auf. Nach Fachvorträgen am Vormittag diskutierten die Forscher am Abend in der Aula des Bildungscampus miteinander.
Die Anspruchshaltung der Menschheit, den Wachstumsgedanken in den Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns zu stellen, habe sich erst in den letzten 15 Generationen entwickelt, erklärte Zahn. Dass dabei ungewollte Nebenwirkungen zu Lasten kommender Generationen gehen, sei mit den Jahren deutlich geworden. Die Szenarien des Club of Rome zeigten den drohenden Kollaps bereits auf. "Die Natur könnte uns Grenzen setzen", so Zahn.
Modelle ohne Computerhilfe entwickelt
Wer das Buch als Falschprognose abtue, habe es entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Bereits vor 50 Jahren sei darin beschrieben worden, welche Folgen Bevölkerungswachstum, uneingeschränkter Konsum und fortschreitende Umweltverschmutzung haben könnten. Und das, obwohl die Szenarien damals ohne heute übliche digitale Hilfsmittel entwickelt wurden, wie Günter Haag betonte. "Es war ein Riesenaufwand, an die Daten zu kommen", erklärte der Wissenschaftler.
Die Modelle zeigen auf, dass die Menschheit Grenzen erreiche, wenn sie nicht rechtzeitig reagiere, so Haag. Doch diese "Was wäre wenn"-Frage biete auch Lösungsstrukturen. Dazu setzte jeder der Forscher in Heilbronn einen eigenen Schwerpunkt.
City-Love als Lösungsansatz
Peter Nijkamp stellte heraus, wie wichtig es ist, dass sich Bürger mit ihrer unmittelbaren Umgebung identifizieren und nannte "City-Love" als Zugang zu einer globalen Diskussion: "Wenn die Menschen ihre Stadt lieben, sorgen sie sich auch um das Klima und ihren Planeten." Die Geografin Denise Pumain betonte den Zusammenhang zwischen Bevölkerung, Umwelt und Ressourcen. Weil Transformation immer von großen Städten ausgehe, forderte sie, Innovationen als Netzwerk zu begreifen, so dass unterschiedliche Regionen voneinander profitieren können.
Theorien erklären komplexe Systeme
Vernetzung ist auch das Thema der Forschungen von Aura Reggiani, die zu dem Schluss kommt, dass noch mehr Theorie notwendig ist, um die Komplexität der Systeme zu verstehen. "Es ist wichtig, Daten auf unterschiedlichen Ebenen zu sammeln", sagte die Ökonomin.
Das war auch das Ziel der Studie, die vor 50 Jahren für Furore sorgte. Seitdem wurde viel geredet, aber wenig gehandelt, sagte Erich Zahn. "Es gibt eine Lücke zwischen Wissen und Tun", so der Wissenschaftler, "die müssen wir schließen."