Wie die DHBW Heilbronn weiterentwickelt werden soll
Mit einer neuen Abmachung zwischen den DHBW-Standorten Mosbach und Heilbronn darf Heilbronn neue Studiengänge anbieten. Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Rektorin Nicole Graf, welche Perspektiven sich damit eröffnen.

Frau Professor Graf, die DHBW Heilbronn hat neue Freiheiten. Wie möchten Sie diese nutzen?
Nicole Graf: Jedem ist heute klar, dass im Handel eine erdrutschartige Veränderung stattfindet. Die Digitalisierung hält Einzug. Amazon in den USA, Alibaba in China − da sind wir ziemlich rückständig in Europa. In diesen Bereich wollen wir jetzt vorstoßen, und das nicht nur für den Handel, sondern auch für die anderen Branchen der Region. Was man auch sagen darf: Wir waren bisher eingeschränkt auf wenige BWL-Studiengänge und haben es doch geschafft, Heilbronn zu einem bundesweit beachteten Standort für die Lebensmittelbranche zu entwickeln.
Wie schnell soll die DHBW Heilbronn nun wachsen?
Graf: Das hängt von den Kapazitätsgenehmigungen ab, für die das Land zuständig ist, und von der Dieter-Schwarz-Stiftung, mit der wir derzeit verhandeln. Wir gehen davon aus, dass wir von derzeit 15 Anfängerkursen auf 20 aufstocken können. Die werden wir schnell voll haben. Das würde bedeuten, dass wir von 1300 Studenten auf rund 1800 wachsen dürfen.
Sie bleiben unter 2000? Dann sollte Mosbach mit seinen 3600 Studierenden also kein Problem haben.
Graf: Definitiv nicht. Mosbach hätte auch kein Problem, wenn wir bei 2000 oder 3000 Studierenden wären, weil die Studienangebote sauber abgegrenzt sind und der Bedarf gerade in den digitalen Studiengängen so groß ist, dass wir ihn auf Jahre hin nicht bedienen können. Wir haben aber eine Entwicklungsperspektive.
Sie können nächstes Jahr mit zwei neuen Studiengängen aufwarten. Wie viele werden folgen?
Graf: Nach dem Gremiendurchlauf wollen wir zum einen Digital Commerce Management einrichten, zum anderen Wirtschaftsinformatik mit den Richtungen Business Engineering und Software Engineering, anschließend noch Data Science. Gleichzeitig spüren wir, dass einige klassische Studiengänge von der Entwicklung überholt werden. Das schauen wir uns genauer an.
Es wird also offenbar nicht im Jahresrhythmus neue Studiengänge geben?
Graf: Ziel muss die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sein. Dabei kommt es vor allem auch auf die Qualität an. Wenn sich aber abzeichnet, dass der Bedarf in der Region auch in drei Jahren hoch bleibt, dann wird es weitergehen müssen. Das kann nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Das Land Baden-Württemberg will einen Ausbau der Hochschulen nicht gerade forcieren. Wie wichtig ist da die Unterstützung durch die Dieter-Schwarz-Stiftung?
Graf: Die Stiftung übernimmt einen Teil der Finanzierung der DHBW in Heilbronn. Da hoffen wir natürlich und sind zuversichtlich, dass das auch über das Jahr 2025 hinaus so bleibt und wir − entgegen dem Trend − weiter wachsen dürfen.
Mosbach fürchtet wohl nicht nur die Großstadt, sondern diese dynamische Entwicklung in Heilbronn. Umgekehrt heißt das, der Plan geht auf...
Graf: Also die Befürchtungen Mosbachs bestätigen sich sicher nicht. Mosbach hat sich exzellent gehalten in der Studienlandschaft. Die Sorge, dass der ländliche Raum gegenüber größeren Städten als weniger attraktiv gilt, das kann man nicht ganz von der Hand weisen. Junge Leute finden eher die Metropolen spannend. Das ist aber dem Zeitgeist unterworfen, das kann sich wieder ändern.
Sie kennen auch die Mosbacher Perspektive. Wären Sie neidisch, wenn Sie noch dort wären.
Graf: Hm. Es steht außer Frage, dass durch die Förderung der Dieter-Schwarz-Stiftung deutlich mehr entstanden ist als nur ein neuer Standort der DHBW. Es ist eine Vielfalt an Forschungs- und Hochschuleinrichtungen im Werden. Diese Konzentration lässt Heilbronn sichtbar werden. Und ich genieße hier natürlich die kurzen Wege, die neue Hochschulbibliothek Liv, wo man sich trifft. Nur die Verkehrssituation ist derzeit etwas angespannt. Aber auch das wird sich einspielen.
Wie leicht ist es eigentlich, mit einem Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung zusammenzuarbeiten, der die DHBW in- und auswendig kennt?
Graf: Oh, das hat durchaus Vorteile, weil er Verständnis für die langen Entscheidungswege in den Hochschulen hat. Ein typischer Manager hätte wohl weniger Geduld.
Konkurrenz gab und gibt es nicht nur mit Mosbach. Wirtschaftsinformatik oder einen Weinstudiengang, wie ihn die DHBW seit diesem Herbst anbieten, gibt es auch an der Hochschule Heilbronn.
Graf: Wir haben einen sehr kollegialen, freundschaftlichen Umgang. Natürlich stehen wir in manchen Angeboten im Wettbewerb, auch mit der TUM gibt es Überschneidungen. Wir fischen sozusagen alle im gleichen Becken der studierfähigen Schulabgänger. Aber ob sich ein junger Mensch dafür entscheidet, an einer Universität, an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften oder an einer dualen Hochschule zu studieren, hängt von anderen Faktoren ab.
Immer wieder hört man, die Dieter-Schwarz-Stiftung schafft vor allem gute Voraussetzungen für den Manager-Nachwuchs der Schwarz-Gruppe.
Graf: Und ich werde nicht müde zu betonen: Das ist völlig falsch. Deutlich unter 20 Prozent der Studierenden an der DHBW arbeiten bei Lidl oder Kaufland, und die Schwarz-Gruppe ist hier doch der größte Arbeitgeber neben Audi. Wir waren frei in der Entwicklung der Studiengänge und haben den Handel und das Dienstleistungsmanagement gewählt, weil sie das Angebot in Mosbach und Bad Mergentheim ergänzen. Heute haben wir ein profilbildendes Studienangebot, ein toller Kuchen, der aus diesem Krümel, den man uns anfangs überlassen hat, entstanden ist.
Zur Person
Nicole Graf wurde in Oberbayern geboren und wuchs als Tochter eines Berufsoffiziers an verschiedenen Orten auf. Zuletzt zog die Familie mit ihr kurz vor dem Abitur aus den Niederlanden nach Heilbronn, wo Graf am Robert-Mayer-Gymnasium zur Schule ging. Beruflich begann ihre Karriere bei Telefunken, das damals zu Daimler-Benz gehörte. Schnell ging es aufwärts. So war sie Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verantwortlich für die Internationalisierung des Halbleitergeschäfts in Richtung Osten. 2001 wechselte sie als Professorin an die Berufsakademie Mosbach, baute von 2005 bis 2009 die Außenstelle Bad Mergentheim auf und ab 2010 den Ableger in Heilbronn, der 2014 in die Selbstständigkeit entlassen wurde. Seitdem ist sie Rektorin des DHBW-Standorts Heilbronn.

Stimme.de
Kommentare