Proteste gegen Atomkraft und Krieg vor dem GKN Neckarwestheim
Rund 500 Menschen haben sich dem Protestzug zum 11. Jahrestags der Nuklearkatastrophe von Fukushima beim Neckarwestheimer Kernkraftwerk angeschlossen. Die Teilnehmer setzten mit Plakaten ein deutliches Zeichen gegen Atomkraft und den Krieg in der Ukraine.

Angeführt von den lautstarken Sambaklängen der Gruppe "Lokomotive" aus Stuttgart und begleitet von einem bunten Fahnenmeer zogen am Sonntagnachmittag knapp 500 Menschen in einem friedlichen Zug vom Bahnhof Kirchheim zum Kernkraftwerk Neckarwestheim.
"Klimaschutz ohne Atom und Fossile - Energiewende jetzt sofort", lautete das vom Bündnis Fukushima-Neckarwestheim anlässlich des 11. Jahrestags der Nuklearkatastrophe von Fukushima ausgegebene Motto der Veranstaltung. Mit Bannern, Schildern und Plakaten setzen die Teilnehmer ein deutliches Zeichen gegen die weitere Nutzung von Atom, Kohle, Gas und Öl. Gleichzeitig verurteilten Jung und Alt den Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine und forderten einen sofortigen Waffenstillstand und Rückzug der russischen Truppen.
Grüne Investition verhindern
Zentrale Punkte aller Forderungen und Redebeiträge waren dennoch die strikte Ablehnung einer Laufzeitverlängerung der AKW sowie die Ablehnung der von der EU-Kommission als umweltfreundlich erfolgten Einstufung von Atom und Gas. Das Bündnis möchte die sogenannte grüne Investition in die Hochrisikotechnologie Atom und in die klimaschädlichen Gaskraftwerke verhindern. Neckarwestheim betreffend wurde erneut mit Hinweis auf die Korrosion in den Dampferzeugern auf die Gefahr eines schweren Störfalles und damit verbundene Folgen einer nuklearen Verseuchung im Radius von mehreren hundert Kilometern gewarnt.
"Wenn ich in Neckarwestheim wohnen würde, könnte ich beim Gedanken an das Zwischenlager nicht ruhig schlafen", sagte Doris Kubach aus Mundelsheim. Gemeinsam mit Freundin Beate Schröder aus Steinheim kommt sie schon seit 1986 zu allen Demos nach Neckarwestheim.
"Die Menschheit ist nicht fähig, die Atomenergie sicher zu nutzen", meinte auch die in Freiburg lebende Mika Kumazaki. Die als Dolmetscherin tätige Japanerin verlas einen aktuellen Situationsbericht rund um Fukushima, wobei das Verhalten der Politik und deren autoritäre Haltung und Verkennung der Realität angeprangert wird. Lobende Wort hatte Kumazaki für Deutschland bereit. Den hiesigen Atomausstieg bezeichnete sie als ein Vorbild für die ganze Welt.
Ende des atomaren Wettrüstens
Dr. Angelika Claußen, Vorsitzende der Ärzte zur Verhinderung des Atomkrieges, forderte ein Ende des atomaren Wettrüstens sowie den vollständigen Atomausstieg in Deutschland. "Nicht nur die drei letzten AKW müssen geschlossen werden, auch die Brennelemente-Fabrik in Lingen, die Urananreicherungsanlage in Gronau und der Forschungsreaktor in Garching", sagte sie. Den Ukraine-Krieg verurteilte die in Bielefeld praktizierende Ärztin als völkerrechtlichen Angriffskrieg, der uns alle vor neue Herausforderungen stelle.
Kein Verständnis zeigte Claußen für die Aufrüstungspläne der Bundesregierung. "Nur gemeinsam können wir uns gegen diese Militarisierung, für den vollständigen Atomausstieg und für die forcierte Energiewende einsetzen", rief sie zum gemeinsamen Protest auf.
Für Dietmar Lust aus Markgröningen, Vorstand der Bürgerenergie Freudenstadt, ist es mit Protesten nicht getan. "Man kann nicht nur auf den Marktplatz schreien, man muss auch selbst was tun", meinte er. Zuversichtlich zeigte sich Werner Hoffmann aus Bad Mergentheim. "Ich träume bereits seit 40 Jahren von der Stilllegung aller Kraftwerke. Dass ich das noch erleben darf, grenzt an ein Wunder", freute sich der 65-Jährige.
Grüße aus Kyoto
Pünktlich zur Jahresdemonstration übermittelte auch die japanische Anti-Atom-Initiative "Bye Bye AKW Kyoto" ihre Solidaritätsgrüße und informierte über das Geschehen bei Fukushima. Demnach sind im havarierten AKW weiterhin tausende von Arbeitern täglich Verstrahlung ausgesetzt. In den als "schwer wiederbewohnbar" eingestuften Regionen Fukushimas wird unter anderem die hohe Zahl der an Schilddrüsenkrebs erkrankten Kinder beklagt. Ermutigt zeigt sich Kyoto vom Verhalten der Bundesrepublik, sich gegen die Aufnahme der Atomkraft in die EU-Taxonomie auszusprechen.