Kritik an der Inschrift in der Ehrenhalle
Vielfältig sind die Formen des Gedenkens am 4. Dezember 2019 in der Stadt. Besonders deutlich wird das in der Ehrenhalle im Rathaus-Innenhof.
Schon seit dem Morgen sorgen die Klanginstallationen von Lothar Heinle für eine besondere Atmosphäre: Rauschen, Kratzen, Brummen, Schläge und teils kaum verständliche Namen von Opfern des 4. Dezembers 1944 sind da zu hören.
Gegenentwurf zu einer teils fragwürdigen Inschrift
Vor der Inschrift stehen auf zwei Staffeleien Bilder einer Glasstele, wie sie künftig hier zu sehen sein könnte. "Heilbronn gedenkt der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" ist darauf zu lesen. Der Vorschlag des Stadtarchivs ist dabei der reduzierte Gegenentwurf zu der teils schwülstigen, teils fragwürdigen Inschrift von 1963 dahinter.

Das haben auch die Schülerinnen und Schüler des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums erkannt. Mit ihrem Geschichtslehrer Jens Breitschwerdt haben sie − ganz unabhängig vom Stadtarchiv − die Sätze unter die Lupe genommen. "Vor allem wegen des Rasse-Begriffs waren wir geschockt", sagt Jian Nabipour.
Denn "unseren Toten" und "unseren Opfern" folgen in der Auflistung schlicht die "405 Verfolgten" − "als ob sie nicht dazugehören. Dabei gehörten da auch die 234 Heilbronner Juden dazu", sagt Jens Breitschwerdt. Auf Postkarten haben die Zwölftklässler ihre Kritikpunkte und ihre Gedanken dargestellt. So kommen sie auch den ganzen Nachmittag über mit den Besuchern der Ehrenhalle ins Gespräch.
Für manche ist es ein doppeltes Gedenken

Um 17 Uhr spielt Rombach-Preisträgerin Manuela Waible vom Mönchsee-Gymnasium virtuos eine Sonate auf ihrer Geige, bevor Erhard Jöst als Vertreter des Friedensrats ans Mikrofon tritt.
Es ist ein doppeltes Gedenken, das ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Neben dem 4. Dezember ist es der Tod seiner Frau Christel Banghard-Jöst Ende August. Er möchte an diesem Tag auch ihre Sicht auf den Angriff vom 4. Dezember 1944 wiedergeben.

Christel Banghard-Jöst hatte sich Anfang der 80er Jahre nicht nur am Kampf gegen die Atomwaffen-Stationierung auf der Waldheide beteiligt, sondern in einer von ihr initiierten "Werkstattgruppe" auch den Angriff auf Heilbronn aus Frauenperspektive aufgearbeitet. Die Ergebnisse mündeten in dem Buch "Heimatfront. Wir überlebten", das laut Jöst auch vor dem Vergessen bewahren möchte.
Ein Friedensweg durch die Stadt
Noch bevor die Glocken um 19.20 Uhr läuten, finden sich im Innenhof des Deutschhofs Dutzende Schüler des Mönchsee-Gymnasiums zu einer Mahnwache zusammen. Es ist die erste Station des Friedenswegs, den mehrere Kirchen und kirchliche Einrichtungen organisiert haben. „Es ist der erste Friedensweg, der über die Ökumene hinausgeht“, sagt Pfarrer David Terino von der Friedensgemeinde.

Anschließend geht es in die Nikolaikirche, wo vier Zeitzeugen von jener Nacht vor 75 Jahren erzählen. Am Bildungscampus wartet schließlich Schirmherrin Sibel Kekilli mit einer Videobotschaft.
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