Klimaanalyse für Heilbronn-Franken: Deutlich mehr Sommertage bis zum Jahr 2100
Wenn der Kohlendioxid-Gehalt der Erdatmosphäre wie bisher weiter steigt - was sind die Folgen für Heilbronn-Franken im Jahr 2100? Der Regionalverband hat das von Ingenieuren aus Freiburg berechnen lassen. Die Gutachter ermittelten auch, welche Siedlungsflächen besonderem Hitzestress ausgesetzt sind.

Das Szenario, wenn alles so weitergeht wie bisher, trägt die kryptische Bezeichnung RCP 8.5. Dann, so die Wissenschaftler des Weltklimarats, steigt bis zum Jahr 2100 der Kohlendioxid-Gehalt der Erdatmosphäre auf 0,137 Prozent - aktuell sind es 0,041 Prozent.
Welche Folgen das für Heilbronn-Franken hat, hat der Regionalverband durch ein Ingenieurbüro aus Freiburg berechnen lassen. Und daraus ergibt sich eine sogenannte Planungshinweiskarte für künftige Flächennutzungs- und Bebauungspläne.
Warum kein optimistisches Szenario gewählt wurde
Dass dabei die schlechteste Prognose des Weltklimarates zugrunde gelegt wurde - es gibt schließlich auch die weniger dramatischen Szenarien mit den Zahlen 2.5, 4.5 und 6.0 -, hat für Verbandsdirektor Klaus Mandel einen einfachen Grund: "Wir bewegen uns derzeit voll auf dem Pfad des gewählten Szenarios. Das hat mich übrigens selbst überrascht."
Bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts wirken die Konsequenzen nach den Berechnungen der Freiburger Gutachter noch überschaubar: Die Frosttage im Raum Neckarsulm gehen - im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 - von 71 auf 42 im Jahresdurchschnitt zurück, die Eistage, an denen das Thermometer nicht über null Grad klettert, von 14 auf fünf.
Dafür werden 72 statt 48 Sommertage verzeichnet, also Tage mit einer Höchsttemperatur von mehr als 25 Grad. Aber es soll bereits 22 Hitzetage mit mehr als 30 Grad geben statt wie zuvor acht. Für den Zeitraum, der exakt ein Jahrhundert nach den Referenzjahren liegt, sehen die Werte nochmals höher aus: Nur noch 22 Frosttage und zwei Eistage, dafür 105 Sommertage und 43 Hitzetage.
Für Heilbronn erwarten die Gutachter dann sogar elf Hitzetage. Für Mandel und die zuständige Bearbeiterin beim Regionalverband, Claudia Lang, Anlass genug, der Frage nachzugehen, wie sich die Region darauf vorbereiten kann. Und zwar heruntergebrochen auf jede einzelne Kommune. "Wir haben ein Raster von 50 mal 50 Metern", sagt der Direktor. Sprich: Kommunen können sich für solch kleine Flächen die Effekte des Klimawandels ansehen.
Hitzestress und kühlende Winde
Aber nicht nur: Die Gutachter ermittelten auch, welche Siedlungsflächen besonderem Hitzestress ausgesetzt sind - in der Regel eng bebaute und versiegelte Innenstädte, Viertel mit Krankenhäusern oder Seniorenheimen. Denn nachts kühlt es in solchen Gebieten weniger herunter als auf dem Land und erst recht auf freier Fläche - mit Folgen für Wohlbefinden und Gesundheit der Anlieger.
Gewerbegebiete wurden hingegen nicht berücksichtigt - dort hält sich nachts eben kaum jemand auf. Ergebnis ist eine Landkarte voller roter Flecken, nämlich den Gebieten mit besonderem Hitzestress.
Dann haben sich die Forscher noch angeschaut, wo in der Region die Kaltluftströme fließen, also bodennahe Winde, die nachts in der Regel siedlungseinwärts wehen und die ersehnte Abkühlung bringen. Viele Täler sind da besonders in den Abendstunden aktiv, etwa das untere Sulmtal, Ohrn, Brettach, Schozach und Bottwar.
Dann wurde beides zusammengelegt - und am Ende ist eine Karte entstanden, die hitzegefährdete Siedlungsflächen und ihnen zufließende wertvolle Kaltluftströme zeigt. "Das ist das abschließendste und bedeutendste Produkt", sagt Claudia Lang. "Daraus ergibt sich der Auftrag, Flächen zu sichern, die gemeindeübergreifende Bedeutung haben." Denn Kaltluftströme kennen keine Grenzen.
Nicht jeder Kaltluftstrom verbiete das Bauen, sagt Klaus Mandel
"Die Frage ist jetzt, zu welcher politischen Willensbildung das führt", ergänzt Mandel. "Unser Ansatz ist: Wir wollen an einer absehbar kleinen Zahl hoch bedeutsamer Flächen zeigen, was wir für sinnvoll halten, als schützenswert auszuweisen." Dabei müsse nicht jeder Kaltluftstrom ein Bauverbot bedeuten - flössen einer Siedlung aus zwei oder drei Richtungen solche Ströme zu, könne einer durchaus zur Bebauung freigegeben werden, erklärt der Direktor. "Ich bin zufrieden mit den Ergebnissen", sagt Claudia Lang. "Ich halte sie für glaubwürdig."
Mandel und sein Team denken unterdessen schon weiter. "Wir werden zum Thema machen müssen, wie wir das Regenwasser halten können", sagt er. "Und wir sollten über klimaangepasstes Bauen reden."



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