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GKN-Abraum darf bis 2050 auch nach Heilbronn

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Eine Jahre währende Diskussion fand im Heilbronner Gemeinderat einen Schlusspunkt. Freigemessenes Material vom Gelände des Atomkraftwerks Neckarwestheim kann auf der Deponie Vogelsang abgelagert werden. Dafür darf anderer Erdaushub aus der Stadt auch in die Landkreis-Deponien gebracht werden.

Nach dem Ausbau der ehemaligen Hausmülldeponie in Schwaigern-Stetten nimmt der Landkreis auch mäßig belastetes Material der Deponieklasse I an − ob aus Neckarwestheim oder Heilbronn.
Foto: Dennis Mugler
Nach dem Ausbau der ehemaligen Hausmülldeponie in Schwaigern-Stetten nimmt der Landkreis auch mäßig belastetes Material der Deponieklasse I an − ob aus Neckarwestheim oder Heilbronn. Foto: Dennis Mugler

Für die Deponierung von Erdabfällen und Abbruchmaterial sind große Investitionen notwendig. Stadt und Landkreis Heilbronn haben ihre Zusammenarbeit deshalb langfristig festgeschrieben. Abermals drehte sich die Diskussion im Heilbronner Gemeinderat um die Frage, ob das sogenannte freigemessene Material vom Gelände des Atomkraftwerks in Neckarwestheim nun eine Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit darstellt oder nicht. Am Ende stimmte das Gremium dem langfristigen Vertrag bis 2050 aber mehrheitlich zu.

Schlüssige Aufteilung

Eigentlich ist es eine Abmachung, von der beide Seiten profitieren. Die Stadt Heilbronn hat auf ihrer Deponie Vogelsang für viel Geld einen Abschnitt so ausgebaut, dass dort auch belastete, aber nicht gefährliche Abfälle der Deponieklasse DK II abgelagert werden können.

Damit diese teure Deponie nicht auch mit mäßig belastetem Material der Klasse DK I aufgefüllt wird, nimmt der Landkreis seine Deponie Stetten wieder für diese Abfälle in Betrieb. Erdaushub der Klasse 0 nimmt grundsätzlich der Landkreis an. So müssen Land- und Stadtkreis nicht beide für die gleichen Abfälle investieren. Ein effizienter Umgang mit den vorhandenen Deponien ist das Ziel.

Landkreis ist für Abfälle aus Neckarwestheim zuständig

So weit sind sich auch die zuständigen Gremien einig. Der Knackpunkt war schon in der Vergangenheit aber die Annahme der freigemessenen Abfälle aus dem GKN in Neckarwestheim. Dabei handelt es sich um "nicht gefährliche, gewöhnliche Abfälle aus einem Gebäuderückbau", wie die Stadtverwaltung noch einmal betonte. Für die Annahme dieses Bauschutts wäre normalerweise der Landkreis zuständig.

Durch die Übereinkunft soll auch hier vor allem das DK-II-Material nach Heilbronn. Bis die Deponie Stetten in Betrieb geht, wird auch DK-I-Material nach Heilbronn gebracht. Um welche Mengen es sich handelt, ist offen. Insgesamt dreht es sich um knapp 8000 Tonnen freigemessenes Material. Grundsätzlich wird es nicht anders behandelt als anderer Bauschutt.

Im vergangenen Jahr kam Kritik auch aus den Reihen der CDU

Bauschuttablagerung auf der Deponie Vogelsang: Hier wird bis 2050 auch Material aus Neckarwestheim angenommen. Dafür darf anderer Erdaushub aus der Stadt auch in die Landkreis-Deponien gebracht werden.
Foto: Archiv/Sawatzki
Bauschuttablagerung auf der Deponie Vogelsang: Hier wird bis 2050 auch Material aus Neckarwestheim angenommen. Dafür darf anderer Erdaushub aus der Stadt auch in die Landkreis-Deponien gebracht werden. Foto: Archiv/Sawatzki  Foto: Sawatzki

Die großen Fraktionen standen prinzipiell hinter der Idee, den Vertrag zu dieser Abmachung über die enorme Zeitspanne von mehr als 30 Jahren bis 2050 zu verlängern. Als das Thema vor einem Jahr zur Entscheidung anstand, kritisierte neben Birgit Brenner (Bunte Liste) auch der ehemalige SLK-Chefarzt Joachim Cyran, freigemessene Abfälle seien eben nicht unbedenklich.

Die Stadtverwaltung reagierte wie gewünscht mit einer längeren Erläuterung zu diesem Tagesordnungspunkt. Die zwei Kritiker vom vergangenen Jahr sind im aktuellen Gemeinderat zwar nicht mehr vertreten, trotzdem gingen abermals die Meinungen auseinander, ob Verlass auf die Aussagen ist. Karl-Heinz Kübler (CDU) warnte vor Hysterie. Eva Luderer (Grüne) dankte für die "sorgfältige Aufbereitung" des Themas und machte darauf aufmerksam, dass es den Grünen auch ein Anliegen war, dass der freigemessene Abfall nicht unter Tage gelagert wird. "So ist es jederzeit möglich, nachzumessen."

Erhard Jöst (Linke) wunderte sich: "Es wird so getan, als ob Konsens besteht in der Bevölkerung und mit den Umweltschutzverbänden, dass die freigemessenen Abfälle ungefährlich sind. Das ist nicht der Fall. Radioaktiver Müll bleibt radioaktiv." Kritik kam auch von Alfred Dagenbach (Pro). Es würden willkürliche Maßstäbe angelegt. Allerdings räumte er ein, dass man bei strengen Maßstäben auch nicht mehr im Schwarzwald spazieren gehen dürfte. Dort ist die natürliche Strahlung oft deutlich höher als an freigemessenem Abfall. "Sie machen hier wieder ein Fass auf", ärgerte sich daraufhin CDU-Fraktionschef Thomas Randecker.

OB: Jeder soll für sich abwägen

Oberbürgermeister Harry Mergel machte der Diskussion dann aber ein Ende. "Die Argumente sind jetzt alle schon zehnmal ausgetauscht. Jetzt stimmt jeder so ab, wie er es verantworten kann." Gegen die Stimmen von Linken, Pro und aus den Reihen der AfD stimmte der Gemeinderat dem Vertragswerk zu.


Umstritten, auch unter Ärzten

BUND und die Arbeitsgemeinschaft Atomerbe Neckarwestheim kritisierten mehrfach den geplanten Umgang mit GKN-Abfällen. "Die Kritikpunkte gelten weiterhin", erklärte Franz Wagner, selbst Arzt, von der AG Atomerbe. Auch unter Ärzten ist das Thema umstritten. Einerseits ist klar, dass der als unbedenklich geltende Zehn-Mikrosievert-Wert, der für die Freimessung radioaktiver Abfälle gilt, weit unter der natürlichen Belastung liegt. Andererseits lautet das Argument auf der anderen Seite, dass es überhaupt keine unbedenkliche Menge an radioaktiver Belastung gibt.


Kommentar "Entschieden"

Eine möglichst neutrale Berichterstattung kommt an ihre Grenzen, wo sich letztlich sogar Wissenschaftler gegenseitig Voreingenommenheit vorwerfen. Jede Stellungnahme zum Thema "Freigemessene Abfälle" wird zerpflückt. Das Umweltministerium - als Teil der Landesregierung und damit indirekt als Hauptaktionär des Energieversorgers EnBW - wird als parteiisch angesehen. Damit ist nach Vorstellung der Kritiker jede Aussage fragwürdig. Vergleichbar dazu ist jede Stellungnahme der Stadt Heilbronn einseitig und damit falsch.

Es bleibt die Frage der Verhältnismäßigkeit, es bleibt die Frage nach alternativen Lösungen für das Problem, dass der Bauschutt irgendwohin muss. Einen Sarkophag wie in Tschernobyl über das GKN-Gelände zu bauen, erscheint da eben nicht verhältnismäßig.

Jetzt gibt es eine verbindliche Grundlage, wie man mit dem Abraum aus Neckarwestheim umgehen kann. Damit wird es vielleicht nicht automatisch ruhig werden bei dem Thema. Aber es gibt jetzt demokratisch gefällte Entscheidungen. Wer sie umsetzt, muss wohl auch aushalten, dass nicht alle damit einverstanden sind.

 

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