Wie sind die Schritte der Zentralisierung der Kläranlagen in Wüstenrot?
In zehn Jahren werden 52 Millionen Euro für die interkommunale Sammelkläranlage in Neulautern verbaut. Auch Hirrweiler, Klinik Löwenstein und Stocksberg werden angeschlossen.

Bei den Zahlen könnte einem schwindelig werden. "Am Anfang war es mir schon etwas mulmig", sagt denn auch Bürgermeister Timo Wolf. Denn die Kommune steht vor dem größten Projekt in ihrer Geschichte: der Zentralisierung der Kläranlagen in Neulautern. Die Kostenberechnung beläuft sich auf 52 Millionen Euro inklusive des Anschlusses von Hirrweiler, der Klinik Löwenstein sowie des Beilsteiner Teilorts Stocksberg. Mitte 2031 sollen alle Arbeiten fertig sein. Wüstenrots Anteil beträgt 38,8 Millionen Euro. Bei den erhofften 80 Prozent Förderung durch das Land bleibt ein Eigenanteil von 7,7 Millionen Euro über zehn Jahre. "Das sind überschaubare Abschnitte", sagt Wolf. Zusammen mit Johannes Geist, Technischer Leiter im Wüstenroter Bauamt, gibt er Auskunft.
Wie ist die Ausgangslage?
Die vier Kläranlagen Wüstenrot, Neuhütten, Stangenbach und Neulautern stammen aus den 1970er Jahren. Grundlegende Sanierungen fanden seither nicht statt. Teils sind die wasserrechtlichen Genehmigungen ausgelaufen, in Stangenbach gibt"s nur eine Duldung. Damals benutzte man Videorecorder, heute sei es der USB-Stick, vergleicht Geist den vorhandenen Stand der Technik mit dem eigentlich erforderlichen. Das im September 2018 vorgestellte Strukturgutachten ergab, dass alle vier Standorte sanierungsbedürftig sind. Kostenpunkt: elf Millionen Euro.
Was ist die Lösung?
Je größer eine Kläranlage, desto besser ist die Reinigungsleistung: Das ist die Maxime der Landesregierung, nach der sie ihre Förderung ausrichtet. Das Strukturgutachten hat den Zusammenschluss empfohlen und als geeigneten Standort Neulautern für eine neue Sammelkläranlage ausgemacht.
Warum ist Neulautern der ideale Standort?
Zum einen wegen der Topographie. Die Kläranlage liegt am tiefsten Punkt. Abwasser hoch zu pumpen, würde einen höheren Aufwand und höhere Kosten bedeuten. Die Lauter führt gegenüber der Rot in Wüstenrot und dem Dachsbach in Neuhütten, in die jeweils das geklärte Wasser geführt wird, deutlich mehr Wasser, ist also der geeignete Vorfluter. Zudem ermöglicht dieser Standort eine interkommunale Anlage mit Hirrweiler und Stocksberg.
Wie sehen die sechs Funktionsabschnitte aus?
Der Neubau des Rechengebäudes in Neuhütten für 1,1 Millionen Euro ist bereits im Jahr 2021 erfolgt. Die Feststoffe können dort jetzt "ausgesiebt" werden. Im März 2024 wird das Regenüberlaufbecken in Neulautern gebaut, dazu kommen der neue Sandfang und das Maschinenhaus. Im Mai 2025 soll der Anschluss von Stocksberg, Stangenbach und Lohmühle nach Neulautern erfolgen. Die Kläranlage erhält eine neue Biologie, Absetz- und Klärbecken. Im Abschnitt vier ab März 2027 wird die Anlage in Hirrweiler zum Pumpwerk umgebaut, Hirrweiler und Klinik erhalten Kanalleitungen nach Neulautern, ebenso der Abschnitt von der Lohmühle bis Stangenbach. In Neulautern entstehen das Vorklärbecken und das Betriebsgebäude. Schritt fünf ab Mai 2028: Neuer Rechen und Umbau der Anlage in Wüstenrot zum Pumpwerk, Kanalbau nach Neulautern, wo der weitere Teil der Biologie und das zweite Nachklärbecken entstehen. Der letzte Abschnitt ab März 2030 ist der Anschluss Neuhüttens, der dortige Umbau zum Pumpwerk sowie der Bau des Faulbehälters und der Schlammentwässerung in Neulautern.
Welche Einschränkungen bringen die Bauarbeiten für Neulautern?
Im ersten Jahr, so Johannes Geist, sei wegen des Neubaus des Regenüberlaufbeckens größtenteils eine Vollsperrung notwendig. Beim Kanalbau werde überlegt, die Trassen in Waldwege zu legen.
Wie geht die Gemeinde mit den im Mai überreichten 132 Protestunterschriften gegen die Sammelkläranlage aus Neulautern um?
"Es gibt keinen Forderungskatalog", sagt der Bürgermeister. Er weiß aber von der Informationsveranstaltung und aus Gesprächen, dass es Bedenken in Sachen Geruchsbelästigung und Hochwasserschutz gibt. Eine Überschwemmungsgefahr sehe das Landratsamt nicht. Das Gelände werde um einen Meter angehoben. Eine funktionierende Kläranlage stinke nicht, weist der Bürgermeister auf die Aussage des Planers hin.
Was wird die Gemeinde tun, wenn sie nicht den erforderlichen Grund und Boden bekommt?
Die Gespräche seien schwierig, gibt Wolf zu. Sollten Käufe scheitern, müsste umgeplant werden. Das würde aber höhere Kosten verursachen. "Enteignen könnte man, aber das kann nicht das Ziel sein", stellt der Bürgermeister klar.
Werden sich solch hohe Investitionen in der Abwassergebühr niederschlagen?
Davon ist laut Bürgermeister Wolf mittelfristig auszugehen.


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