Große Hilfsbereitschaft in Weinsberg für Geflüchtete aus der Ukraine
Wie auch in anderen Orten in der Region ist das Engagement für geflüchtete Menschen aus der Ukraine auf allen Ebenen sehr groß. Am Beispiel von Weinsberg zeigt sich, welche Hilfe möglich ist, wenn viele kleine Netzwerke ineinander greifen.

Mal ist es eine Waschmaschine, die auf die Schnelle gebraucht wird, mal ist es eine Ladung Schulranzen, und oft ist es eine ganze Wohnung. Das Schöne ist: "Ich habe noch nie ein Nein gehört", sagt Claus Ehmann. Der Kämmerer ist einer derjenigen im Weinsberger Rathaus, bei denen die Fäden zusammenlaufen, wenn es darum geht, für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine das Notwendige zu organisieren.
Doch das Rathaus ist nur ein Rad in einem großen Getriebe namens Hilfsbereitschaft. Und dieses Getriebe, so scheint es, ist in der Kernerstadt wie auch in anderen Orten im Weinsberger Tal und im Schozach- und Bottwartal sehr gut geschmiert.
Die Zahlen ändern sich täglich. Von 75 geflüchteten Menschen aus der Ukraine weiß Kämmerer Ehmann Anfang der Woche, dass sie in Weinsberg sind. Mittwochs ist Anmeldetag im Bürgerbüro. "Da ist unser russlanddeutscher Hausmeister da. Er hilft, wenn es Verständigungsschwierigkeiten gibt." Russisch und Ukrainisch ähneln sich, viele Ukrainer sprechen auch Russisch.
Viele Geflüchtete, die in der Weibertreustadt ankommen, finden erstmal bei Verwandten Unterschlupf. Auf längere Sicht ist es oft zu eng. Andere brauchen gleich eine Bleibe. Die Stadt selbst hat nur eine eigene Wohnung, und die wird gebraucht: Dort kochen und waschen die Ukrainer, die Manuel Hermoso in seinem Hotel Lorca aufgenommen hat. Derzeit sind das 15 Menschen.

Die Rathausverwaltung bringt Anbieter und Flüchtlinge zusammen. "20 Wohnungen haben wir schon vermittelt", berichtet Ehmann, der zum harten Kern des Ukraine-Krisenstabs im Rathaus gehört - genauso wie Baurechtsamtsleiter Thomas Goth, Klaus Seber, der die Abteilung Bildung, Betreuung und Personal verantwortet, Ordnungsamtsleiterin Daniela Wenninger, und Sina Schleicher, die für Schulen zuständig ist.
Der Krisenstab organisiert, vernetzt und versucht, den Überblick zu behalten. Es passiert so viel: Stadtrat Dieter Zacharias vom gleichnamigen Elektrofachgeschäft checkt gespendete Waschmaschinen kostenlos durch. Neulich hat er eine spendiert.

"Der Bauhof schließt die Waschmaschinen an und verlegt die Zuleitungen oder koordiniert Möbeltransporte in die Privatwohnungen", weiß Ehmann. "Auch die Ortsvorsteher stehen parat. Ein Anruf genügt, und sie kümmern sich." Feuerwehrleute sind kürzlich zu einer Wohnungsauflösung nach Flein gefahren und haben Mobiliar eingeladen.
Zwei Tage später war damit eine Wohnung in Weinsberg ausgestattet, eine Familie konnte einziehen. Oder Markus Ackermann aus Wimmental: Er stellt sein Haus in Eschenau zwei Familien mit sechs Kindern zur Verfügung. Es stand weitgehend leer. Ackermanns Frühschoppenfreunde und die Mädelsgruppe seiner Frau haben geholfen, das Haus mit Mobiliar aus dem Freundeskreis auszustatten und zu putzen. Ackermann: "Als ich die Bilder von ukrainischen Kindern im Fernsehen gesehen habe, war klar: Wir helfen."
"Die Hilfsbereitschaft ist gigantisch"
"Viele kleine Netzwerke greifen ineinander", freut sich Claus Ehmann. "Die Stadt ist nur ein Rädchen. Die Hilfsbereitschaft ist gigantisch." Viel laufe über eine Freikirche mit Sitz in Heilbronn und eine Weinsberger Freikirche. Auf freikirchliche Initiative hin etwa sei ein wöchentlicher Treff für die Flüchtlinge im Helfensteinkeller zustande gekommen. Auch für die medizinische Versorgung gebe es bereits Helferkreise. Beispiel Testzentrum Weinsberger Tal in der Hildthalle: Nach Rücksprache mit der Stadt werden Flüchtlinge dort kostenlos getestet. Ziel der Stadt ist es laut Ehmann zudem, Impfangebote für die Menschen aus der Ukraine zu schaffen.
Die ersten acht ukrainischen Kinder besuchen die Vorbereitungsklasse der Grundschule. Als schnell Schulranzen gebraucht wurden, hat eine Stadträtin im Freundeskreis herumgefragt. "Innerhalb kürzester Zeit waren 50 Ranzen da", freut sich Ehmann. Die Rätin hat sie alle gewaschen. Ausgestattet seien sie auch schon. Was ältere ukrainische Kinder betreffe, warte man noch auf Vorgaben vom Landratsamt.
Kindergärten sind gut ausgelastet
Aktuell wenige Aussichten auf einen Platz haben die kleinsten Ukrainer. Ehmann: "Unsere Kindergärten sind gut ausgelastet. Wie warten auf Handlungsempfehlungen vom Land." Denkbar seien Spielkreise oder Betreuungsgruppen. Für solche Angebote könnten freiwillige Helfer eine Stütze sein, ebenso wenn es darum geht, Geflüchtete bei Behördengängen zu unterstützen. "Ehrenamtliche Strukturen sind am Entstehen." Ziel sei es, einen "Schulterschluss zwischen Kommune und Kirchen" hinzubekommen.
Bis zu 50 Telefonate am Tag
Wenn Claus Ehmann vor sechs Wochen jemand gesagt hätte, dass er am Tag bis zu 50 Telefonate für ukrainische Flüchtlinge führt - er hätte es nicht für möglich gehalten. Vieles, was er eigentlich tut, bleibt liegen - so wie auch in den Rathäusern anderer Kommunen. Der Finanzfachmann der Stadt Weinsberg trägt es mit Fassung: "Meine Zahlen bedeuten mir sehr viel. Aber das hier gibt einem doch mehr zurück."
15.000 Euro an Spenden eingegangen
Seit Beginn der Ukraine-Krise sind auf einem städtischen Spendenkonto nach Angaben von Kämmerer Claus Ehmann 15.000 Euro eingegangen. Davon wurden 7000 Euro an die Initiative "Deutschland hilft" überwiesen. 8000 Euro stehen für die Erstausstattung für Geflüchtete in Weinsberg zur Verfügung. Meistens schießen private Vermieter das Geld vor und bekommen es von der Stadt erstattet. Ehmann zeigt auf einen Stapel Kassenzettel: "3000 Euro wurden bisher ausgezahlt." Wer helfen will, findet Infos auf der Homepage der Stadt unter www.weinsberg.de.
Stadt wappnet sich
Noch hat der Landkreis Heilbronn der Stadt Weinsberg keine Ukraine-Flüchtlinge zugewiesen. Alles, was zurzeit passiert, geschehe auf freiwilliger Basis, sagt Ehmann. Doch die Stadt wappnet sich für den Fall, dass viel mehr Menschen kommen. Vorsorglich wurde, wie berichtet, die Mühlrainturnhalle gesperrt. Ab nächster Woche wird sie so umfunktioniert, dass dort 23 Plätze entstehen. Unklar sei, so Ehmann, ob die Halle - und im Zweifelsfall weitere Hallen - überhaupt und in welchem Umfang benötigt werde.
Es gehe darum, gewappnet zu sein - auch was das Material betrifft, bevor es knapp wird und die Preise explodieren. Priorität habe die private Unterbringung. Grundsätzlich zahle der Landkreis nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Unterkunft: keine ortsübliche, aber eine "angemessene Miete". Weil die Kreisbehörde überlastet sei, ziehe sich das momentan aber, so der Kämmerer.





Stimme.de