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Wegen eiszeitlicher Großscholle: In Erlenbach wird das Rathaus zum Gerichtssaal

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Ein Erlenbacher Bewohner klagt gegen die Gemeinde. Grund seien Beschädigungen an seinem Haus. Welche Rolle spielt eine Großscholle aus der Eiszeit?

von Julia Haaga und Jürgen Kümmerle
Im Untergrund der Seebergsteige befindet sich eine Großscholle.
Foto: Werner Glanz
Im Untergrund der Seebergsteige befindet sich eine Großscholle. Foto: Werner Glanz

Für Uwe Mosthaf ist es ein Novum. Dem Erlenbacher Bürgermeister ist kein Fall bekannt, in dem ein Raum eines Rathauses zu einem Gerichtssaal umfunktioniert wurde. Ist aber Ende April passiert, als das Verwaltungsgericht Stuttgart im Rathaus tagte. Ein Erlenbacher Bürger klagt gegen die Gemeinde. Hintergrund ist ein Streit um eine eiszeitliche Großscholle, die in der Klingenstraße und der Seebergsteige aufgrund von Bewegungen den Anwohnern offenbar Sorge bereitet. An den Gebäuden sei es zu Beschädigungen gekommen.

Die Geschichte der Scholle geht bis in die Eiszeit zurück

Die Sache hat eine sehr lange Geschichte. Zunächst geht es ins Jahr 1834. Bereits damals belegten Unterlagen und ein geologisches Gutachten, dass es am Fuße des Kaybergs zu "talwärtigen Verschiebungen" gekommen war. Grund hierfür ist jene Großscholle aus der Eiszeit. In dem gefährdeten Bereich stehen heute mehrere Wohnhäuser. Mosthaf bezeichnet die Sache als "hochkomplex". Vertreter des Verwaltungsgerichts, des Bergbauamtes und des Landratsamts hätten sich die Situation vor Ort angeschaut.


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"Das ist eine spannende Geschichte. Der Ausgang ist offen", sagt der 46-Jährige. Nicht nur als Bürgermeister der Gemeinde, die beklagt werde, verfolge er den Prozess mit Interesse. Der Bebauungsplan sei aus den 1960er-Jahren, lange, bevor Mosthaf geboren wurde. Mindestens zehn Jahre später sei die Baugenehmigung erteilt worden. Zudem genehmigte nicht die Gemeinde Erlenbach, sondern das Landratsamt den Bebauungsplan.

Der öffentliche Prozess im Rathaus habe sich über zehn Stunden gezogen. Entscheidend war ein Gutachten vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. Ob und in welcher Form das Verfahren fortgeführt wird, dürfte sich alsbald zeigen. Richter Dr. Matthias Modrzejwski: "Die Beteiligten wollen schriftlich Stellung nehmen zum Termin." Noch im Juni sollen die Schriftsätze kommen.

Ein Experte vom Bergbauamt erklärt, was es mit der eiszeitlichen Scholle auf sich hat

Gutachter Dr. Dominik Ehret erklärt auf Stimme-Anfrage, was es mit der Scholle auf sich hat und wie es zu den Verschiebungen kommen konnte. "Wir haben es mit einem Hang zu tun, der aus verschiedenen geologischen Schichten besteht. Den unteren Teil des Hangs bildet die sogenannte "Grabfeld-Formation", die überwiegend aus Tonsteinen und Sulfatgesteinen besteht und relativ leicht verwittert, darüber haben wir stabilere, härtere Sandsteine."

Durch eine Taleintiefung werde dieser Hang immer steiler - bis er einen instabilen Zustand erreiche, erklärt der Experte vom Bergbauamt am Regierungspräsidium Freiburg. "Bei Erlenbach entstand eine Großschollenrutschung. Im Untergrund bildeten sich mehrere Gleitflächen. Die Hauptgleitflächen liegen in zehn bis 30, möglicherweise sogar in bis zu 50 Metern Tiefe." Die Schollen seien talwärts bewegt worden und durch Rotationsbewegungen verkippt.

"Es gibt eine Hauptgleitfläche ganz unten und viele kleinere Gleitflächen, die die einzelnen Schollen voneinander trennen und die Bewegung ermöglichen", erklärt Ehret. Auch Wasser spiele bei Rutschungen eine Rolle. Seine Einschätzung: "Bei Großrutschungen müssten mehrere feuchte Jahre aufeinander folgen. Ich denke nicht, dass sich durch ein einziges feuchtes Frühjahr eine wesentliche Veränderung im Hang ergibt."

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