OB-Wahl Neckarsulm: Ralf Merkle spricht erstmals über eigene Kandidatur
Viele Neckarsulmer rätseln, wie sich der 59-Jährige bei der Wahl im kommenden Jahr verhält. Der Volljurist kritisiert häufig und teilweise sehr scharf den Gemeinderat und die Verwaltung, deshalb stehen ihm viele sehr kritisch gegenüber.

Die Neckarsulmer wählen kommendes Jahr einen neuen Oberbürgermeister. Amtsinhaber Steffen Hertwig (SPD) tritt an. Die CDU überlegt, einen eigenen Kandidaten zu stellen. Und viele rätseln, wie sich Ralf Merkle verhält. Der Volljurist stammt aus Neckarsulm und macht sich viele Gedanken über die Entwicklung seiner Heimat. Wegen seiner oft sehr harschen Kritik am Verhalten von Verwaltung und Gemeinderat stehen ihm viele Kommunalpolitiker sehr kritisch gegenüber. Zu einer möglichen Kandidatur äußert er sich nun erstmals. Schon einmal verlor er eine OB-Wahl in Neckarsulm, damals wurde Joachim Scholz der neue Rathauschef.
Kandidieren Sie als Oberbürgermeister von Neckarsulm?
Ralf Merkle: Das kann und werde ich Ihnen heute nicht sagen.
Warum denn nicht?
Merkle: Weil die Entscheidung nicht feststeht. Ich lege mich kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist fest. Natürlich ist eine Kandidatur ein gewaltiger Schritt, auch was meine eigene Lebensplanung angeht. Möchte ich mir das noch antun? Lust dazu hätte ich. Ich finde viele Dinge sehr bedenklich. Ich glaube, wenn ich es mache und gewählt würde, würden die Leute hinterher sagen: Etwas Besseres konnte uns nicht passieren. Der hat wieder was für uns gemacht.
Mails von Ihnen hören sich so an, als sprächen Sie für viele Neckarsulmer. Wäre das der Fall, dürfte der Wahlsieg für Sie ein Leichtes sein.
Merkle: Ob es ein Leichtes ist oder nicht, das kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass ich täglich darauf angesprochen werde. Auf dem Marktplatz, von Geschäftsleuten, beim Schwimmen. Natürlich spreche ich nicht für alle, aber für Viele, die mit der gegenwärtigen Lokalpolitik nicht einverstanden sind. Habhafte Argumente höre ich von meinen Kritikern nicht. Für gute Argumente bin ich aber immer zu haben.
Trotzdem zögern Sie. Haben Sie Angst, die Wahl zu verlieren?
Merkle: Nein, die habe ich nicht. Das Problem ist ein anderes. So ein Wahlkampf kostet viel Energie und Geld. Es läuft auf einen mittleren fünfstelligen Betrag hinaus. Ich höre dieses Jahr auf zu arbeiten und habe mir dabei natürlich etwas überlegt. Vielleicht habe ich noch 20, 25 gute Jahre vor mir. Lust verspüre ich schon, würde den Leuten aber klipp und klar sagen, dass ich es nur eine Amtszeit mache.
Was würden Sie als OB anstreben?
Merkle: Ein Oberbürgermeister muss meines Erachtens jemand sein, der ein klares Ziel hat, der einen klaren Bezug und eine Liebe zu seiner Stadt hat, der weiß, wo es hingeht. Schauen wir die vergangenen Jahre an: Die Ära Klotz war die innovative, die Ära Blust war eher die des Verwalters. Es gab aber immerhin noch den Neubau von Mediathek und Volkshochschule. Dann kam Scholz. Das war die zögerliche Ära, und jetzt haben wir die Ära Hertwig, in der vieles in den Augen vieler nur nach hinten geht. Er wurde als Alternative zu Scholz gewählt. Es hat sich aber gar nichts spürbar für die Bürger verbessert in den vergangenen Jahren.
Was wäre als OB Ihr Ziel?
Merkle: Das Wichtigste für Politiker wie Helmut Schmidt war, dem Gemeinwohl zu dienen. Das wäre auch mein Leitgedanke. Man müsste sich wieder mehr um die Neckarsulmer und unsere Stadt kümmern. Arroganz von oben ist fehl am Platz. Es geht nicht um die Person. Schlagen Sie einmal im grimmschen Wörterbuch die Bedeutung des Wortes Bürgermeister nach: Er dient den Bürgern. Das kann er meines Erachtens nur, wenn er auch einen Bezug zur Stadt und ihren Bürgern hat.
Wie meinen Sie das?
Merkle: Nehmen wir den B27-Ausbau. Ich habe noch keinen Neckarsulmer getroffen, der den Ausbau gut findet. Dieser wird aber lokalpolitisch quasi als "unausweichlich gegeben" dargestellt, obwohl die Neckarsulmer ihn nicht wollen. OB Hertwig favorisiert eine Tunnellösung. Die wird es aber nicht geben, weil sie viel zu teuer ist und der Bund das Geld kaum setzen wird.
Andere Varianten sind aber auch kaum günstiger.
Merkle: Die B27 zu verbreitern wäre deutlich günstiger als ein vierspuriger Tunnel, ganz klar. Der jetzige OB würde dann sagen: "Oh, tut mir leid, ich hätte ja lieber den Tunnel gehabt".
Bei der Verbreiterung fielen aber Häuser weg.
Merkle: Ja, eben. Das will ich nicht. Viele wollen das nicht. Als Oberbürgermeister würde ich deshalb alles dransetzen, dass es zu diesem unzeitgemäßen Ausbau der B27 nicht kommt und diesen mit allen rechtlichen Mitteln der Stadt zu verhindern suchen. Die B27 soll, mitten durch unsere Stadt, ausgebaut werden, damit vor allem andere beispielsweise die Standorte der Schwarz-Gruppe erreichen. Wenn diese Mitarbeiter dann auch noch den Sprit bezahlt bekommen, werden sie nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, sondern mit dem Firmen-Leasingfahrzeug
Hat die Stadt keine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die B27 führt nun mal durch die Stadt?
Merkle: Wir müssen nicht für Planungsfehler anderer einstehen. Erst bauen und dann über die Erreichbarkeit nachdenken? Das geht nicht. Schon gar nicht zu Lasten Dritter.
Vieles sehen Sie kritisch, wofür stehen Sie ein?
Merkle: Ich würde gern den Verkehr aus der Innenstadt rausbringen. Das kann man beispielsweise durch eine Ausweitung der Fußgängerzone angehen. Wichtig ist vor allem, den Gesamtverkehr regional anzugehen, insgesamt neu zu strukturieren. Negativbeispiel: Ob Neckarsulm die Stadtbahn in dieser Form tatsächlich gebraucht hätte, sei dahingestellt. Man kann aber nicht vielfach den öffentlichen Busverkehr dieser Stadtbahn einfach unterordnen. Viele, vor allem für ältere Menschen, wohnortnah erreichbare, schnelle Busverbindugen, fielen einfach weg. Das ergibt wenig Sinn.
Einen runden Tisch in Sachen Verkehr gibt es, den Mobilitätspakt.
Merkle: Ja. Was hat sich bislang durch den Mobilitätspakt greifbar verbessert? Selbst beim Ausbau der Radwege hat sich nichts Großartiges getan. Ein Mobilitätspakt muss das Ziel haben, dass die regionale Verzahnung funktioniert, man bis abends um 23 Uhr ins letzte Dorf mit Bus und Bahn kommt. Das ist die Zukunft. Die Schweiz macht es vor. Wir brauchen keine lokalen Einzelgutachten und Lösungen. Wir brauchen eine Begutachtung der gesamten Region und eine entsprechende Gesamtlösung.
Dem Neckarsulmer Gemeinderat stehen Sie kritisch gegenüber. Wie sähe da eine Zusammenarbeit mit einem OB Merkle aus?
Merkle: Man muss gemeinsam eine Begeisterung für das Wohlergehen und die Ziele der Stadt entwickeln, den Stadträten vermitteln, was man gemeinsam erreichen kann und will. Ich will, dass wir uns gemeinsam besser für alle Neckarsulmer und die Stadt einsetzen. Das ist derzeit kaum erkennbar. Es braucht mehr Mut und weniger Zögerlichkeit. Nichts geht. Katastrophale Beispiele sind das Aquatoll, der B27-Anschluss und die in den Augen vieler Neckarsulmer unnötige Verbundschule. Da hätte man vieles besser machen können und müssen.
Das Gremium wird kommendes Jahr ebenfalls neu gewählt. Stellen Sie eine Liste auf?
Merkle: Das weiß ich noch nicht. Natürlich stehe ich mit Neckarsulmern, unabhängig von einer möglichen OB-Kandidatur, in Kontakt. Die generelle Frage ist aber: Warum sollte nur ich eine neue Liste initiieren? Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt. Wo sind eigentlich die Neckarsulmer 30 plus? Sagen die wirklich alle: Hey, wir finden das ganz toll, wie es läuft? Die elementare Frage ist doch: Was hat sich in den vergangenen sieben Jahren in Neckarsulm greifbar verbessert? Wenn Sie da etwas finden, dann sage ich Chapeau. Vielen, gerade Jüngeren, scheint das leider völlig egal zu sein.
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