Im Herzen immer noch das Mädchen an der Orgel
Als Jugendliche hatte Ursula Jochim nur einen Traum: Kirchen mit dem Klang der Orgel zu füllen. An diesem Ziel hält das junge Mädchen fest.

Als Jugendliche hatte Ursula Jochim nur einen Traum: Kirchen mit dem Klang der Orgel zu füllen. An diesem Ziel hält das junge Mädchen fest.
Ursula Jochim studiert bedeutende Werke der geistlichen Chorliteratur ein, gibt Musikunterricht und lässt sich nebenbei zur Musiktherapeutin ausbilden. Seit über drei Jahrzehnten leitet die heute 55-Jährige nun als hauptamtliche Kirchenmusikerin die Kantorei St. Mauritius zu Oedheim und ist zudem als Dekanatsmusikerin für den Bezirk Neckarsulm tätig. Dieses kirchenmusikalische Engagement wurde von Dr. Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, besonders gewürdigt: Ursula Jochim erhält den Titel Kirchenmusikdirektorin.
Mit vier Geschwistern wuchs Jochim in einer katholischen Familie in Ulm-Wiblingen auf. "Meine Mutter war ein Kriegskind und hatte nie die Möglichkeit, ein Instrument zu lernen. Deshalb erlaubte sie meinen Geschwistern und mir jedes Instrument." Mit elf Jahren spielt Jochim bereits Klavier, einige Zeit später Oboe. "Doch es hat mich immer ganz besonders fasziniert, wie der Orgelklang die Basilika St. Martin ausfüllte", erinnert sie sich.
Ein gemeinsames Tempo finden
Mit 16 Jahren nimmt sie Orgelunterricht, "das war eigentlich ein spätes Alter, aber ich hatte Talent und lernte das Spielen schnell". Als Jochim zum ersten Mal für die Gemeinde das Martinslied spielt, ist sie unheimlich aufgeregt. "Ich hatte Angst, mich zu verspielen." Eine besondere Herausforderung beim Orgelspielen ist, einerseits bei sich zu bleiben und die Ohren bei der Gemeinde zu haben. "Ich gebe zwar die Intonation vor und führe, doch die Menschen singen meist nicht im Rhythmus. Da muss man sich anpassen, um ein gemeinsames Tempo zu finden."
Das Vertrauen in ihr Können verdankt Jochim ihrem Lehrmeister, Organist Wolfgang Treß. Seit 1958 spielt er die Orgel der Basilika, gelernt hat er im Ulmer Münster. "Er hat mich früh beim Festgottesdienst spielen und den Chor begleiten lassen. Als junges, unerfahrenes Mädchen solch eine Aufgabe zu bekommen, hat mir Selbstvertrauen und Sicherheit gegeben", betont sie.
Ein besonderes Zusammenspiel: die Orgel und der Chor
Sie studiert Kirchenmusik, und als in Oedheim die Stelle als Kirchenmusikerin frei wird, bewirbt sie sich. 1991 übernimmt sie den Posten der hauptamtlichen Kirchenmusikerin in der katholischen Kirchengemeinde St. Mauritius in Oedheim. Jochim verknüpft das Orgelspiel mehr und mehr mit dem Chorbereich. "Das Zusammenspiel mit Chören in der Kirchenmusik ist unheimlich vielfältig", schwärmt sie. Heute gibt sie Klavierunterricht und probt mit drei Kindergartenchören der Gemeinde. Hinzu kommen Proben mit dem Jugend- und dem Kirchenchor. Berufsbegleitend macht Ursula Jochim eine Ausbildung zur Musiktherapeutin. Dabei setzt sie gezielt die Wirkung von Klängen, Tönen, Rhythmen und Melodien zur seelischen, körperlichen und geistigen Förderung bei Kindern und Jugendlichen ein.
Herkunft und Glaube spielen bei der Musiktherapie keine Rolle
Mit Kuscheltieren, Instrumenten, Bällen und einer Tafel hat sie das Untergeschoss ihres Hauses komplett dieser Arbeit gewidmet. "Es geht hier nicht um Leistungsunterricht", betont sie. Und es sei völlig egal, welche Herkunft und welchen Glauben ein Kind habe. Es gehe darum, die Kinder anzunehmen und sie dort abzuholen, wo sie gerade sind. "Wenn einer schlecht drauf ist, machen wir beispielsweise eine Klaviergeschichte daraus und hauen kräftig in die Tasten", erzählt sie. "Man muss immer ein gutes Programm in Petto haben. Wenn Langeweile aufkommt, ist die Konzentration der Kinder gleich weg." Das mache die Arbeit teilweise anstrengend, doch sie bekomme viel von den Kindern zurück, so Jochim.
Es ist dieses Engagement, das die Diözese Rottenburg-Stuttgart aufhorchen lässt und als "herausragende Verdienste um die Kirchenmusik" würdigen möchte. "Als ich davon erfahren habe, war ich erstmal komplett überrascht", gibt Jochim zu. Doch spätestens bei der Verleihung des Titels in der St. Mauritiuskirche in Oedheim realisiert Jochim, was geschehen ist. Ihre Ernennung erhält Ursula Jochim im Rahmen eines feierlichen Festgottesdienstes und im Beisein von Diözesanmusikdirektor Walter Hirth, Roland Rossnagel, Leiter des Dekanats Heilbronn-Neckarsulm, Dekanatskirchenmusiker Michael Saum und Pfarrer Johny Joseph. "Ich freue mich sehr darüber und sehe es als großes Dankeschön für meine Arbeit."
Für herausragende Verdienste um die Kirchenmusik mit überregionaler Bedeutung verleiht der Bischof den Titel "Kirchenmusikdirektor/in". Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein wie beispielsweise die Ausstrahlung und Bedeutung der kirchenmusikalischen Arbeit über die eigene Kirchengemeinde hinaus durch außerordentliche künstlerische oder pädagogische Leistungen vor dem Hintergrund liturgiemusikalischer Verantwortung. Der Bischof verleiht den Titel. Das Ernennungsschreiben wird im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung verlesen und überreicht. Die Anzahl der im aktiven Dienst innerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart tätigen Kirchenmusikdirektoren soll in der Regel nicht über 30 liegen.