Gut verpackter Denkanstoß: Grit Lukas inszeniert "Petty Einweg" für Theater Heilbronn
Nachdenklich stimmend, aber auch humorvoll: "Petty Einweg - Die fantastische Reise einer Flasche bis ans Ende der Welt" befasst sich mit dem Thema Umweltverschmutzung. Am Mittwoch feierte das Stück an der Elly-Heuss-Knapp-Gemeinschaftsschule in Böckingen Premiere.

Eine Welt ohne Kunststoffe scheint unvorstellbar. Vom Auto über das Smartphone bis zur Zahnbürste lassen sie sich in unzähligen Alltagsgegenständen finden. Gleichwohl sind die Folgen einer aus dem Ruder gelaufenen Plastikproduktion bekannt und unübersehbar. Teppiche aus weggeworfenen Tüten, Flaschen und Dosen verschmutzen ganze Küstenstreifen, Tiere verenden am Abfall, weil sie ihn verschluckt oder sich darin verfangen haben.
"500 Milliarden Plastikflaschen werden auf der Welt jährlich verkauft", erklärt die namenlose Flaschensammlerin ihrem jungen, zurückhaltenden Publikum. Das seien 15 855 Stück pro Sekunde, rechnet sie aus. Schnipp, schnipp, schnipp. Mit jedem Fingerschnalzen verdeutlicht sie daraufhin das Verstreichen einer weiteren Sekunde. Der aufgebrachten Frau kann diese gigantische Menge immerhin ganz recht sein, ist sie doch auf der Suche nach möglichst vielen PET-Flaschen, um sich daraus ein Boot zu basteln. Doch irgendjemand hat ihr eine Glasflasche untergejubelt. So kommt sie ins Plaudern und erzählt ihren Zuschauern von Petty Einweg.
Ab Mitte November ist das Stück auch in der Boxx zu sehen
Nachdenklich stimmend, aber auch humorvoll hat sich Theaterautor Jens Raschke in "Petty Einweg - Die fantastische Reise einer Flasche bis ans Ende der Welt" mit dem Thema Umweltverschmutzung auseinandergesetzt. Regisseurin Grit Lukas hat die Geschichte für das Theater Heilbronn inszeniert, an der Elly-Heuss-Knapp-Gemeinschaftsschule in Böckingen feierte das Klassenzimmerstück, das ab 14. November auch in der Boxx gezeigt wird, gestern Premiere.
Für das abwechslungsreiche Solostück hat Ausstatterin Freya Partscht auf Requisiten und ein Bühnenbild gesetzt, die aus bereits benutzten Gegenständen bestehen. Monatelang wurde beispielsweise für den knisternden Plastikmantel, den die Hauptfigur trägt, Müll gesammelt, gereinigt und zusammengenäht. Ein Tageslichtprojektor sowie Musik und Soundeffekte sorgen zusätzlich für Atmosphäre.
Darstellerin Nora Rebecca Wolff lässt gleich mehrere Figuren lebendig werden
Der rasante Monolog, der Pettys Weg von der Fabrik über eine Strandbar und den Magen eines Wales bis zum Zerfall in Mikropartikel im Meer nachzeichnet, ist eine schauspielerische Herausforderung, die Darstellerin Nora Rebecca Wolff bravourös meistert. Sie schlüpft in verschiedene Rollen, lässt die wütende Flaschensammlerin ebenso lebendig werden wie die kindlich-naive Petty oder eine altersweise Colaflasche. Präsent ab dem Moment, in dem sie wutschnaubend den Raum betritt, zieht Wolff die Zuschauer auch dadurch in den Bann, dass sie sie direkt anspricht.
"Die Frage ist, wie man damit umgeht - mit dem, was da ist, und mit dem, was noch kommt", grübelt sie beispielsweise laut im Laufe der gut einstündigen Aufführung. "Und wer ist eigentlich das Problem: die Flasche oder der Mensch?" Nicht nur im Klassenzimmer lohnt es sich, darüber nachzudenken.
Zahlen
Circa 368 Millionen Tonnen Kunststoff wurden laut dem Online-Portal Statista 2019 produziert, rund 18 Millionen Tonnen davon in Deutschland. Zwischen 1950 und 2015 waren es weltweit 8,3 Milliarden Tonnen, das entspricht mehr als einer Tonne pro Mensch, der heute auf der Erde lebt, wie im von BUND und Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Plastikatlas zu lesen ist. "Geht die Plastikproduktion ungebremst weiter, werden allein Kunststoffe bis 2050 rund 56 Gigatonnen CO2- Emissionen erzeugt haben", heißt es darin weiter. Und: "Damit gingen zwischen zehn und 13 Prozent des verbleibenden CO2-Budgets für das 1,5-Grad-Ziel auf das Konto von Kunststoffen."
Weitere Aufführungen
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