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Ein deutscher Katholik wird zum griechisch-orthodoxen Erzpriester

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Martinos Petzolt ist der einzige deutschstämmige Priester in der griechisch-orthodoxen Kirche. In unserem Interview erzählt er von seinem Werdegang.

Petzolt ist mit dem Namen Martin aufgewachsen. Seit er orthodox ist, wird er Martinos genannt: "Im Griechischen haben Namen immer eine Endung", sagt er.  
Foto: Katharina Gebauer
Petzolt ist mit dem Namen Martin aufgewachsen. Seit er orthodox ist, wird er Martinos genannt: "Im Griechischen haben Namen immer eine Endung", sagt er. Foto: Katharina Gebauer  Foto: Katharina Gebauer

Martinos Petzolt betreut etwa 7000 Griechen in acht Kirchen zwischen Fulda und Künzelsau und zwischen Aschaffenburg und Schweinfurt. Mit Mitte 20 entschloss er sich, orthodox zu werden. Die Antworten gibt er über Telefon, während er in einer Mönchshütte auf halber Höhe des Athosgipfels am Mittelmeer sitzt.

 

Gehört der Bart zu Ihrer Amtstracht?

Martinos Petzolt: Ja, in gewisser Weise. Überhaupt unser Äußeres kommt aus dem Mönchtum. Wir achten da nicht darauf und überlegen nicht, welches Hemd, welche Krawatte oder Hose wir anziehen. Wir haben den Talar an, gewissermaßen wie einen einfachen Sack, und sehen alle gleich aus. Wir lassen die Haare und den Bart wachsen. Das ist die asketische Einfachheit.

 

Sie sind fromm katholisch aufgewachsen und dann orthodox geworden. Wie kam es dazu?

Petzolt: Es stand schon früh fest, dass ich katholische Theologie studieren wollte. Eigentlich, um später wissenschaftlich zu arbeiten. Aber je mehr ich studiert habe, umso mehr Fragen kamen auf und umso weniger erfüllten mich die Antworten der Professoren. In Würzburg gab es einen Lehrstuhl für orthodoxe Theologie. Dort wollte ich eigentlich nur mal schnuppern. Von dem Professor habe ich aber genau die Antworten bekommen, die ich gesucht habe. Es ist ein sehr unmittelbares Gottesverhältnis - nicht so verkopft, mehr gefühlt: Man hat ein vertrautes Verhältnis mit Christus.


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Haben Sie da ein Beispiel?

Petzolt: Ja, ganz was Tolles! Ich habe einen Mönch kennengelernt, der ist später Heiliger geworden. Das ist was anderes als bei den traditionellen Heiligen, wie dem heiligen Nikolaus. Der ist seit 1600 Jahren tot, den kennt man gar nicht so richtig persönlich. Aber wenn man im Heiligenkalender einen Menschen sieht, den man persönlich kannte: Das ist was anderes: Wenn man mit dem zusammen gegessen und mit ihm geredet hat. Gestern war ich in seinem Häuschen auf dem Athos, wo er gewohnt hat.

 

Es gibt ja auch andere orthodoxe Kirchen. Warum gerade die griechische-orthodoxe?

Petzolt: Ich hab schon in der Schule altgriechisch gehabt, insofern war mir das schon vertraut. Aber auch die Mentalität, gerade die in der russisch orthodoxen Kirche hat mich nicht so angezogen. Da ist alles sehr perfekt und geordnet. Da läuft alles so im rechten Winkel, nach vorne rechts und steif gerade. Die Griechen laufen quer in der Kirche rum. Die Russen haben große Chöre, bei den Griechen singt einer alleine. Das hat mich mehr angezogen. Meine Mentalität war wohl immer sehr griechisch, obwohl ich Deutscher bin. Da fühle ich mich wohl.

 

Es ist eines, die Konfession zu wechseln. Dann aber Priester zu werden, ist ein großer Schritt - wann haben Sie den beschlossen?

Petzolt: Ich bin nicht aus Karrieregründen Orthodoxer geworden. Dass ich jetzt Priester bin, war eigentlich gar nicht geplant. Eher gab es ja die Frage: Was will ein Ausländer in der griechischen Kirche? Aber das war dann eine Entscheidung des Bischofs. Der hat mich angesprochen, ob ich bereit wäre, Diakon zu werden. Später sagte er, jetzt warst du Diakon, wie wär's, kannst du auch noch Priester werden? Es ging auch darum, einen Deutschen für unsere Gläubigen haben.

 

Sie betreuen eine riesige Gemeinde. Da sind Sie ja ganz schön viel unterwegs!

Petzolt: Ich fahre so 40 000 bis 70 000 Kilometer im Jahr. Zu einer Kirche dauert es mindestens eine Stunde. Das läppert sich. Es kommt vor, dass ich an einem Ort eine Liturgie feiere, am anderen Ort eine Taufe mache und am dritten Ort eine Hochzeit habe. Ich versuche, die Termine zu bündeln, aber das geht nicht immer. Es gibt Beerdigungen, die ich nicht planen kann. Dann muss ich zickzack durch die Gemeinde fahren.

 

Da müssen Sie ja zwangsläufig Abstriche machen. Wo setzen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Petzolt: Ich habe eine kleine Geschichte, die ganz gut erklärt, was Priester sein für mich bedeutet: Eine junger Mann wollte Pfarrer werden und fragte seinen Priester: "Was brauche ich eigentlich dafür?" Er dachte, es kommt bestimmt eine große Antwort, Theologie studieren, gut sprechen und singen können. Nix davon: Der Pfarrer antwortete: "Kannst du viele Kaffees trinken?" Das ist genau die richtige Antwort! Kaffee ist natürlich ein Symbol: Man muss zu den Menschen gehen und nah bei ihnen sein.


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Und die Gottesdienste?

Petzolt: Natürlich sind mir die wichtig! Ich halte möglichst viele Gottesdienste, weil ich sie ja selbst liebe und verteile in den Kirchen meiner Gemeinde. Das ist die erste Priorität. Dann aber haben großes Gewicht die geistlichen Gespräche mit den Menschen. Sei es, dass Leute in die Kirche kommen zum Beichten, oder dass ich Familien besuche und bei ihnen dann eine Haussegnung mache oder einen kleinen Gottesdienst feiere. Da bleibe ich sitzen und rede mit ihnen. Bei den Beerdigungen sind auch viele Verwandte oder Freunde dabei, die mit Kirche nicht viel am Hut haben. Oder sie können wegen der Arbeit nicht zur Kirche können, weil sie beispielsweise Gastwirte sind. So kann man miteinander quatschen über Glauben und die Kirche.

 

Bleibt Ihnen denn Zeit für Hobbys, wenn Sie so viel unterwegs sind?

Petzolt: Ich mache alles, was an Arbeiten zu Hause anfällt, vom Mauern, Fliesen legen, elektronische Sachen reparieren. Computer interessieren mich mehr von innen als von außen. Handwerklich rumzubasteln, das ist mein Hobby.

 

Ein Künzelsauer hat mir erzählt: Seit Sie da sind, sind die Gottesdienste sehr feierlich. Legen Sie da besonders wert drauf?

Petzolt: Ja, mir ist die Liturgie wahnsinnig wichtig. Es gibt Priester, die machen Gottesdienst nach Vorschrift. Ich versuche, sie richtig zu zelebrieren, damit die Symbole auch sprechen können, auch wert zu legen auf Kleinigkeiten, den Schmuck oder dass die Kerze richtig steht. Dadurch wird die Feier lebendiger.

 

Nehmen Sie Ihre Familie mit auf Tour?

Petzolt: Nein. Ich fahr" um sieben in der Früh los. Dann komme ich vielleicht um 18 Uhr nach Hause, diese ganzen Besuche kann meine Familie ja gar nicht aushalten. Es gibt Orte in der Gemeinde, die meine Frau nicht richtig kennt, weil sie dort kaum war. In Würzburg zu den Gottesdiensten kommt die Familie fleißig. Da sind sie auch aktiv. Der eine macht Altardienst, die Mädchen singen. Das haben sie auch selbst gelernt, ich hab" ihnen da gar nichts beigebracht.


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Gab es schon einmal Streit deswegen?

Petzolt: Das Tolle ist, meine Frau hat schon im Alter von zehn oder zwölf Jahren beschlossen, dass sie Priesterfrau werden will. Ich hätte ohne ihr schriftliches Einverständnis nicht Diakon oder Priester werden dürfen. Und meine Kinder kennen es ja gar nicht anders.

 

Haben Sie schon einmal bereut, Priester zu sein?

Petzolt: Es ist ein großes Geschenk, dass ich kleines Würstchen am Altar stehen darf. Es hat nie einen Moment gegeben, in dem ich dachte, ach wärst du doch Mönch geworden, hättest du keinen Ärger mit der Frau, den Kindern oder so. Gerade jetzt auf dem Athos gibt es Mönche, die schon seit 60 Jahren hier sind, mit langen Bärten und gebeugtem Gang, zerfurchtem Gesicht. Die haben ihr Leben lang nur gebetet und küssen mir die Hand, weil ich der Priester bin. Ich bin eigentlich unwürdig im Vergleich zu diesen asketischen Gestalten.


Zur Person

Martinos Petzolt ist 1959 in Meschede in Westfalen geboren. Seine Eltern sind aus Franken. Er ist katholisch aufgewachsen. Während seines Studiums in Würzburg konvertierte er zum griechisch-orthodoxen Christentum. Er heiratete eine Griechin. Zusammen haben sie fünf Kinder im Alter von 14 bis 25 Jahren. Bis vor wenigen Jahren war er auch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Würzburg. Er ist Erzpriester von Würzburg und Unterfranken. Die Vorsilbe "Erz" sei ein Ehrentitel, sagt er. göz

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