Auf der Suche nach der neuen Sachlichkeit
Die Öhringer Gemeinderatsfraktionen beziehen Position zu Streitthemen, üben Kritik am Oberbürgermeister, an seinen Kritikern und an sich selbst.
Es ist einiges aus dem Ruder gelaufen in jüngster Zeit in Öhringen. Über kommunalpolitische Themen wird in einer Schärfe gestritten, wie sie die Stadt lange nicht mehr erlebt hat. Die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeister Thilo Michler und kurz darauf ein anonymer Drohbrief an die Adresse des Stadtoberhaupts haben nun die sechs Ratsfraktionen auf den Plan gerufen. In einer gemeinsamen Stellungnahme beziehen sie Position, üben Kritik am OB und an seinen Kritikern, zeigen sich selbstkritisch und plädieren für eine "sachliche Diskussion, mit der wir Öhringen gemeinsam weiter nach vorne bringen".
Zu Beginn der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend hatte Roland Weissert als Vorsitzender der größten Fraktion CDU und ehrenamtlicher Stellvertreter des Oberbürgermeisters eine gemeinsame Erklärung verlesen. Dennoch gingen gut 60 Stunden ins Land, bis am Freitagmorgen die Pressestelle der Stadt Öhringen einen Text veröffentlichte, der von allen Fraktionen getragen wird. Diese Fassung ist in Teilen entschieden (selbst-)kritischer als die ursprüngliche Version, die nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen war.
Debatte um Bebauungsplan
"Es ist für uns erschreckend zu beobachten, wie unter Vermischung gänzlich verschiedener Themen in verschiedenen Presseorganen - aber vor allem in den digitalen, sozialen Medien - eine sehr emotionale und mittlerweile auch beleidigende Diskussion gegenüber dem Oberbürgermeister und teilweise auch gegenüber dem Gemeinderat geführt wird", heißt es in der Stellungnahme. In deren Mittelpunkt steht die Debatte um den Bebauungsplan Spital-Etzweide, also um den geplanten Bau eines Hochregallagers am westlichen Stadteingang.
Die Räte kommen zunächst auf den Drohbrief zu sprechen, dessen Inhalt und Stil sie "aufs Schärfste" verurteilen. Dann kritisieren sie "diverse persönliche Vorwürfe" und "unwahre Tatsachenbehauptungen" des Vereins Prima-Klima-West, die im Mai im Monatsblatt "Der Öhringer" veröffentlicht wurden.
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Selbstkritik
An dieser Stelle üben die Stadträte erstmals Selbstkritik: "Wir haben es versäumt, mit einer Gegendarstellung die Inhalte rechtzeitig öffentlich klarzustellen." Auch in der Sache kommen die Bürgervertreter ihren Kritikern ein Stück weit entgegen: "Dem Gemeinderat war die Tragweite der Diskussionen um den Bebauungsplan nicht zu allen Zeiten bewusst."
Kritik am Stadtchef
Dann nehmen die Räte das Stadtoberhaupt ins Visier: "Die Umgangsweise des Oberbürgermeisters mit den ,Gegnern" des Bebauungsplanverfahrens in öffentlichen Sitzungen halten wir in einigen Fällen für nicht angemessen." Der OB hatte die kritischen Frager bisweilen recht ruppig behandelt und ihnen das Rederecht entzogen.
Überdies halten die Ratsfraktionen "die Entfernung des Stadtmagazins ,Der Öhringer" aus dem Rathaus für keine kluge Entscheidung." Sie war einer der Anlässe für die Dienstaufsichtsbeschwerde des Herausgebers Uwe Köhler gegen den Oberbürgermeister. Für die Räte folgt daraus: "In kritischen Situationen wäre teilweise mehr Gelassenheit des Oberbürgermeisters wünschenswert."
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In drei Fragen weisen die Räte Kritik ausdrücklich zurück: Über den umstrittenen Bebauungsplan Spital-Etzweide sei nicht "bereits im Vorfeld entschieden" worden; die Einführung des Amtsblatts sei vom Gemeinderat beschlossen worden und kein "Alleingang des Oberbürgermeisters"; der Gemeinderat habe weiterhin das Ziel, die frei werdende Stelle des Bürgermeisters wieder zu besetzen.
Stellungnahme
Der vollständige Text soll im Amtsblatt "Öhringer Nachrichten" am Freitag, 29. Juni, veröffentlich werden.
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