Proteste gegen geplante Firmenerweiterung
Bürger wehren sich gegen ein geplantes Hochregallager im Westen der Stadt Öhringen. Ein bis zu 30 Meter hohes Gebäude beeinträchtige den Luftaustausch. OB Thilo Michler spricht von "Stimmungsmache".

Sie sammeln Unterschriften, organisieren den Protest über das persönliche Gespräch ebenso wie über Facebook, planen einen Infoabend, wollen so viele Einwände wie möglich gegen den Bebauungsplanentwurf erheben:
Anwohner der Berliner Straße stellen sich gegen die geplante Firmenerweiterung im Katharinengraben am westlichen Stadtrand von Öhringen.
Im Gemeinderat ließ Oberbürgermeister Thilo Michler keinen Zweifel daran, was er davon hält: "Stimmungsmache" warf er den Initiatoren vor. "Das Problem ist, das viele von Ihnen nicht richtig informiert sind", entgegnete der OB Anwohner Michael Fromhold auf die Frage, warum die Verwaltung die wichtige Kaltluftschneise nicht weiterhin frei von Bebauung halte.
Bürgerbeteiligung läuft
Seit gestern haben die Anwohner Gelegenheit, etwaige Wissensdefizite aufzuarbeiten. Denn die Planunterlagen für die Firmenerweiterung liegen viereinhalb Wochen öffentlich aus und stehen in dieser Zeit auch im Internet bereit. Im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung können die Anwohner ihre Einwände gegen die Pläne vorbringen.
Der Verbindungsteilehändler Schäfer + Peters will seinen Betrieb erweitern. Im Katharinengraben, zwischen Zeilbaumweg und Bahnlinie, sollen ein bis zu 30 Meter hohes Hochregallager, ein 16 Meter hohes Versandgebäude und, zu einem späteren Zeitpunkt, ein dreigeschossiges Parkdeck mit 90 Plätzen entstehen. Die Stadt will mit dieser Entwicklungsmöglichkeit den Betrieb am Ort halten: "Es geht immerhin um 200 Arbeitsplätze", sagte der Oberbürgermeister.
Zentraler Nachteil
Die Anwohner verweisen auf einen zentralen Nachteil, der auch in den Planunterlagen aufgeführt wird: Das massive, 30 Meter hohe Gebäude wird den nächtlichen Luftaustausch entlang der Berliner Straße und in ihrem Umfeld beeinflussen. Wie ein Riegel legt sich der Bau in den Kaltluftstrom.
Wie gravierend die Auswirkungen tatsächlich sind, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. "Wir haben viele Fenster auf der Südseite. Da sind wir über jede Abkühlung froh", sagt beispielsweise Michael Fromhold. Die Anwohner befürchten starke Veränderungen, gerade auch mit Blick auf den Klimawandel.
Die klimabedingte Zunahme von heißen Sommertagen hat auch der Klimagutachter des Mannheimer Büros Ökoplana im Blick. Deshalb empfiehlt er begleitende Schritte wie die Pflanzung von Bäumen oder eine Fassadenbegrünung, um die Folgen des Hallenbaus abzumildern. Grundsätzliche Einwände erhebt er aber nicht: Windmessungen hätten ergeben, dass sich der Ist-Zustand der Durchlüftung durch den Bau um sieben Prozent verschlechtere. Das gelte als mäßige Auswirkung, erst ab zehn Prozent könne man von gravierenden nachteiligen bioklimatischen Folgen sprechen. Die Betriebserweiterung sei "aus gesamtökologischer Sicht zu begrüßen", da eine Standortverlagerung "mit einem größeren Flächenverbrauch verbunden" sei.
Befürchtungen
Die Anwohner wollen sich nun alle Planunterlagen genau anschauen, wenn möglich mit fachlicher Unterstützung. Da geht es um den Luftaustausch (Bastian Falk: "Das hat Auswirkungen auf die ganze Stadt."), ums Landschaftsbild (Wolfgang Kammerer: "Die enormen Ausmaße haben mich am meisten schockiert."), um eine befürchtete Absenkung des Grundwasserspiegels, um den Artenschutz (Vögel, Eidechsen) und um die Verkehrserschließung des Parkdecks über die Berliner Straße. Die Einwände im Beteiligungsverfahren sieht Wolfgang Kammerer auch als Vorbereitung auf eine mögliche juristische Auseinandersetzung: "Man muss alles vortragen im Verfahren, sonst kann man nachher nicht vor Gericht ziehen."
Derweil gibt es im Rathaus bereits weitere Pläne für den Katharinengraben. Der Gemeinderat hat (bei sieben Gegenstimmen) beschlossen, zwei Ackerstreifen am Zeilbaumweg im Flächennutzungsplan als Gewerbeflächen anzumelden. Und der Oberbürgermeister kündigte an, dass aufgrund der neuen Gesetzeslage im Baurecht eine Verlängerung der Wohnbebauung entlang der Berliner Straße Richtung Westen anstehe: "auf der linken Seite in jedem Fall", auf der rechten sehr wahrscheinlich.
Infos
Rund 200 Unterschriften gegen das Bauprojekt haben Anwohner nach eigenen Angaben bisher im Wohngebiet Berliner Straße und Umgebung gesammelt. Für Aschermittwoch, 14. Februar, 19 Uhr haben die Initiatoren des Protests einen Informationsabend für die Bürger im Kleintierzüchterheim am Zeilbaumweg 8 angesetzt. Dort soll das weitere Vorgehen besprochen werden.
In öffentlicher Sitzung am 12. Dezember 2017 hat der Öhringer Gemeinderat bei zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen mit großer Mehrheit beschlossen, den Bebauungsplan Spital-Etzweide aufzustellen und die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit einzuleiten. Seit dem gestrigen Montag liegen die Planunterlagen (Bebauungsplanentwurf mit Textteil und Begründung, Umweltbericht, artenschutzrechtliche Prüfung, Klimagutachten) im Treppenhaus (zweiter Stock) des Rathauses aus. Bürger können dort bis einschließlich Donnerstag, 1. März, zu den üblichen Öffnungszeiten der Verwaltung Einsicht in die Unterlagen nehmen.
Parallel (und ohne Öffnungszeiten) sind die Pläne und Gutachten im Internet auf der städtischen Homepage unter www.oehringen.de/bauleitplanung einsehbar. Hier besteht auch die Möglichkeit eines Downloads. Nur während dieser gut vierwöchigen Auslegungsfrist können die Bürger Einwände gegen die Planung vorbringen, entweder auf einem Onlineformular im Internet oder schriftlich beziehungsweise mündlich zur Niederschrift im Stadtbauamt. Die Abwägung der Stellungnahmen erfolgt in der öffentlichen Gemeinderatssitzung im März oder April.