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Schicksale, die nie vergessen werden: 22 neue Stolpersteine in Heilbronn verlegt

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In Heilbronn wurden 22 neue Stolpersteine verlegt, um Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken. Inititiator Gunter Demnig war diesmal nicht vor Ort. Die Schicksale gehen nahe.

In Heilbronn wurden 22 neue Stolpersteine, auch unter Beisein von Angehörigen, verlegt.
In Heilbronn wurden 22 neue Stolpersteine, auch unter Beisein von Angehörigen, verlegt.  Foto: Lina Bihr

Heilbronn ist um 22 Stolpersteine reicher, so werden die Gedenktafeln aus Messing genannt, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Oder wie es der Heilbronner Baubürgermeister Andreas Ringle bei der Gedenkveranstaltung formulierte: ihnen einen Namen zu geben, und sie zurück in die Stadt zu holen.

Anstelle des Künstlers Gunter Demnig, der sich derzeit wegen eines Projekts in Südeuropa aufhält, und der üblicherweise die von ihm selbst gefertigten Stolpersteine mit den Namen der Verfolgten verlegt, übernehmen das in diesem Jahr die Teilnehmer des Heilbronner Runden Tisches.

 


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Der Aktionskünstler Gunter Demnig hat in Heilbronn schon 210 Stolpersteine verlegt, hier im Jahre 2018 für Familie Wollenberger in der Wollhausstraße 46. Das Projekt wird von der Stadt, von Bürgern und von Schulklassen unterstützt.
Foto: Archiv/Berger
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Denkanstöße mit Stolpersteinen für die Opfer des Nazi-Terrors


Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus gehen nahe

Schüler, Mitarbeiter der Stadtbibliothek sowie Nachfahren haben über das Leben der jeweiligen Opfer an deren einstigen Wohnorten recherchiert. So auch Rüdiger Essich, Großneffe von Johanna Essich, für die in der Achtungstraße 35/1 ein Stolperstein verlegt wurde. "Ich bin hin und weg. Das ist eine Ehre", so Rüdiger Essich, der seit vielen Jahrzehnten über das Leben seiner Großtante forscht. Schon als Kind habe ihm sein Opa von dessen Schwester erzählt, die eines Tages verschwunden sei.

Hannah Goldrich (Mitte) wurde in der Heilbronner Wartbergstraße geboren und musste mit ihrer Familie aus Deutschland fliehen.
Hannah Goldrich (Mitte) wurde in der Heilbronner Wartbergstraße geboren und musste mit ihrer Familie aus Deutschland fliehen.  Foto: Lina Bihr

Johanna Essich arbeitete in einem jüdischen Unternehmen als Kontoristin und Finanz-Sekretärin, war dort mit dem Junior-Chef liiert. Ab Mitte der 20er-Jahre begannen die Attacken und Übergriffe auf Juden in Heilbronn. Ein Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden wurde unmöglich, woran sie "zugrunde ging", so Rüdiger Essich. Zwischenzeitlich wurde seine Großtante in die Weinsberger Heilanstalt eingewiesen. Die spätere Diagnose: Unheilbare Schizophrenie. 1937 wurde Essich zwangssterilisiert und drei Jahre später, am 19. August 1940, nach Grafeneck bei Tübingen gebracht und am selben Nachmittag vergast.

Hannah Goldrich fing in New York ein neues Leben an

Insgesamt wurden acht Stationen angesteuert, so auch das Geburtshaus von Hannah Goldrich (geb. Victor), die am 31. März 1935 als Tochter von Trude und Max Victor in der Heilbronner Wartbergstraße zur Welt kam. Zu Hause, weil Juden zu dieser Zeit keine Kinder im Krankenhaus bekommen durften.

Was folgte, waren Jahre der Ungewissheit und Flucht. 1937 zog ihre Familie nach Holland. Bevor die Grenzen dort geschlossen wurden, weiter nach England. Und als es dort auch nicht mehr sicher erschien, ging es nach Kuba. Von dort aus weiter in die Dominikanische Republik und anschließend in die USA, wo sich die Familie 1941 in New York niederließ. "Ich bin dankbar und glücklich für mein Leben", sagte die 89-Jährige, die mit zahlreichen Familienangehörigen zur Verlegung gekommen war. Hätte ihre Familie damals nicht die Flucht aus Nazi-Deutschland gewagt, "wäre ich heute nicht hier".

"Ich bin überrascht von dem großen Engagement"

Den Umgang hierzulande, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, "beeindruckt mich". Bereits 1985 war Hannah Goldrich für eine Begegnungswoche der Stadt in Heilbronn. "Ich fühle mich hier sehr wohl."

Richard Mössinger, Koordinator des Runden Tisches, zeigte sich berührt: "Ich bin überrascht von dem großen Engagement der Schulen und Lehrlinge. Es ist eine Freude mit ihnen allen zusammenzuarbeiten." Seit 2009 bis heute wurden in Heilbronn 216 Stolpersteine verlegt.

Schon 100.000 Stolpersteine hat Gunter Demnig verlegt

Die Gedenktafeln aus Messing erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Gedenktafeln aus Messing erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus.  Foto: Lina Bihr

Das von dem Künstler Gunter Demnig initiierte Stolperstein-Projekt gilt als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Schon 100.000 Stolpersteine hat Demnig zum Gedenken an NS-Opfer verlegt. Die Gedenktafeln aus Messing werden vor deren einstigen Wohnungen im Straßen- oder Gehwegpflaster platziert

Folgende Stolpersteine sind neu: Für Max, Trude, Ursula und Hannah Victor in der Wartbergstraße 50. Für Wolff, Margareta, Erna, und Ruth Landsberger in der Oststraße 114. Für Hans Kahn in der Wollhausstraße 40. Für Berthold, Ludwig und Johanna Marx, Hannchen Isaac geb. Marx, Werner Isaac und Walter Marx in der Wilhelmstraße 54. Für Isak Schwarzwälder und Julie Schwarzwälder geb. Wertheimer in der Roßkampffstraße 22. Für Jette Bamberger, Cäcilie Steigerwald, Ruth Holland geb. Steigerwald in der Frankfurter Straße 46. Für Emilie Adler in der Weststraße 51 und für Johanna Essich in der Achtungstraße 35/1.

 
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