Frauen machen Männern die Ritterwürde streitig
Das diesjährige Rittertreffen im Heilbronner Stadtteil Kirchhausen kommt einer kleinen Revolution gleich: Der nächste Ehrenritter soll kein Mann mehr sein.

Der Abend begann wie so viele Rittertreffen zuvor. Das Who-is-Who von Kirchhausen traf sich im Schlosshof, es wurde mit Sekt angestoßen, der Sunrise-Chor unterhielt mit jenen packenden Songs, mit denen er kürzlich so erfolgreich beim Grand Prix der Popchöre war. Mit den traditionellen Burgwachen an ihrer Seite pflegten die noblen Ritter mit ihren weißen Umhängen hier eine Jahrhundertealte Tradition. Noch ahnten wenige, was hier noch passieren würde.
Eine Rede in Vertretung des Bruders
Nach dem Abendessen im Deutschrittersaal sollte eigentlich Amtmann Dietmar Walter ans Mikrofon treten. Weil der aber das Bett hüten musste, übergab er sein Redemanuskript an seine Schwester. Und so durfte Sandra Walter diese Rede halten, die es in sich hatte. Wie viele andere an diesem Abend blicktedie "Amtmannfrau" dann erst einmal auf das gelungene Schlossfest Anfang Juli zurück, das sich so erfolgreich gegen Buga und viele andere Veranstaltungen behauptet hatte.
Dann kam sie auf die Traditionen zu sprechen, die zu oft als Regeln missverstanden würden, die buchstabengetreu zu befolgen seien. "Wir leben nicht mehr in der Zeit der Deutschrittter", rief sie den Männern im Saal zu. "Die Frauen bestimmen selbst mit, was an diesem Ort passiert." In zwei Jahren, wenn beim Schlossfest der nächste Kandidat zum Ehrenritter geschlagen wird, dann müsse klar sein, "dass jede Person Ehrenritter werden kann, die sich um den Ort verdient gemacht hat."
Und dann geht alles ganz schnell

Den stürmischen Applaus, den sie mit diesen Worten erntete, gab es in Kirchhausen nicht zum ersten Mal. Schon vor einem Jahr, als mit Herta Spazierer eine Frau den Schlosstaler für ihr Engagement im Ort erhielt, war offenbar die Hoffnung gewachsen, dass eine Frau auch für den Ritterschlag infrage kommen würde. Seit weit über 20 Jahren ist das Thema "Ritterin" in Kirchhausen virulent. Doch schwer taten sich die Hüter der Tradition, solcherlei Neuerungen ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Bis Günter Winkler an diesem Abend das Wort ergriff. Der Sprecher der Ehrenritter lobte das Ortskartell, dessen neues, weiblich dominiertes Führungstrio mit Christa Müller, Uwe Maier und Ingrid Stemmer sich bewährt habe. Zur Debatte um die Ehrenritterschaft sagte er dann kurz und knapp: "Es liegt an uns." Es stehe außer Frage, dass auch Frauen diese Ehre verdient haben. "Ich bin gespannt, wer als erste Ritterin in unserer Runde Platz nimmt." Und vielleicht, weil er gerade so in Fahrt war, schlug er auch noch vor, die teuren, weißen Umhänge durch eine Ehrennadel zu ersetzen. Doch das ging im allgemeinen Erstaunen fast schon unter.
Der nicht ganz passende Kommentar

Oberbürgermeister Harry Mergel erkannte, was hier gerade passiert war. "Ich werde meinen Nachkommen mit Stolz berichten, dass ich dabei war an diesem Abend, als die Frauen in Kirchhausen den Aufstand geprobt haben." Allerdings empfahl er sich auch gleich selbst für eine Auszeichnung für chauvinistische Bemerkungen, als er flapsig kommentierte, man dürfe wahrscheinlich nicht nur eine einzige Ehrenritterin ernennen. "Sonst gibt es doch nur wieder Ärger - unter den Frauen!"
Ernsthaft würdigte er aber das Engagement der Kirchhausenerinnen in dem Heilbronner Ortsteil. "Mir würden auf Anhieb mindestens fünf einfallen, die diese Ehre verdient haben."
Warten auf Bauplätze
Einige Ankündigungen
OB Harry Mergel listete mehrere Maßnahmen auf, die demnächst anstehen. So beginnt die Stadt im Frühjahr mit dem Ausbau der Radwegverbindungen Richtung Massenbach und Leingarten. Im folgenden Jahr geht es weiter mit einer Verbindung über Frankenbach nach Böckingen. Der Recyclinghof an der Ernst-Abbé-Straße soll im Frühjahr 2021 eröffnen. Bereits erledigt: Das Geländer an der Friedhofstreppe sollte nun keinen Anlass für Beschwerden mehr bieten.
Angesichts dieser Entwicklungen traten die Jahresrückblicke, die Wünsche und Ankündigungen in den Hintergrund. Bezirksbeiratssprecher Theo Rappold, der in diesem Jahr - wohl als vorerst letzter Mann - die Ehrenritterwürde erhalten hatte, beklagte, wie wenig Grundstücke in Kirchhausen zu Bauplätzen werden. Mehr als zehn Jahre warte der Ort auf die Erschließung des Gebiets Buckelgärten, der ein idealer Standort für seniorengerechtes Service-Wohnen sei.
Zuletzt der Verkehr, das Dauerthema in Kirchhausen. Der OB plädierte dafür, die Million für den Bau eines Kreisels anderweitig im Ort einzusetzen. Die aufgeweitete Abbiegung in der Ortsmitte habe sich bewährt. Damit hatte er rund die Hälfte der Festgäste an diesem Abend auf seiner Seite. Die andere Hälfte folgte der Sichtweise von Bezirksbeiratssprecher Rappold. Für den gibt es langfristig nur eine Alternative zum Kreisel: Eine Umgehungsstraße.
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