Die Top-Themen der Jugend: Bildung, Gesundheit, Gerechtigkeit, Klima
Eine aktuelle Studie zeigt: Jugendliche wollen mehr gehört und einbezogen werden, wenn es um ihre Zukunft geht.
Für junge Menschen bleibt die Klimakrise eines der drängendsten Probleme. Laut einer aktuellen Jugendstudie finden 85 Prozent der befragten Jugendlichen Umwelt- und Klimaschutz wichtig. Für die repräsentative Studie „Zukunft? Jugend fragen! – 2021“, wurden im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) und des Bundesumweltministeriums (BMUV) mehr als 1000 Jugendliche im Alter von 14 bis 22 Jahren befragt. Die Umfrage fand vor Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine statt, das Thema konnte also keine Rolle in den Antworten spielen.
Großer Klima-Pessimismus
Trotz Pandemie blicken zum Umfragezeitpunkt drei Viertel der Befragten grundsätzlich optimistisch in ihre persönliche Zukunft in etwa 20 Jahren. Für Umwelt und Klima sieht das Ergebnis dramatisch anders aus: hier ist nur ein Viertel zuversichtlich, dass sich der Zustand von Umwelt und Klima positiv entwickelt, 71 Prozent sind laut Studie pessimistisch. Die großen Herausforderungen beim Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen bewegen die jungen Menschen und belasten sie auch emotional. Fast 88 Prozent sind traurig darüber, dass die Menschen die Natur zerstören, und 83 Prozent fühlen Mitleid mit Tieren und Pflanzen.
Auch sind viele empört angesichts empfundener Ungerechtigkeit. Diese betrifft die erwarteten Umweltverhältnisse künftiger Generationen, aber auch die Folgen des Klimawandels für ärmere Menschen und die Länder des globalen Südens. 80 Prozent sind in diesem Zusammenhang enttäuscht von der Politik, weil sie in ihren Augen die Anliegen der jungen Generation zu wenig beachte.
Kriminalität, Kriege und Terrorismus beschäftigen die Jugend
85 Prozent der befragten Jugendlichen finden Umwelt- und Klimaschutz wichtig. Damit zählt das Thema neben dem Zustand des Bildungswesens (88 Prozent), dem Zustand des Gesundheitssystems (88 Prozent) und sozialer Gerechtigkeit (87 Prozent) zu den vier wichtigsten Themen für junge Menschen in Deutschland. Auf den weiteren Plätzen folgen die Themen Kriminalität und öffentliche Sicherheit (83 Prozent), Kriege und Terrorismus (80 Prozent) und Digitalisierung (79).
In der Vorgängerstudie von 2019 fanden 88 Prozent der Jugendlichen den Umwelt- und Klimaschutz als Problemstellung wichtig, das Thema lag damals auf Platz 1. Heute würde womöglich der Wunsch nach Frieden noch weiter oben auf der Liste der relevantesten Jugendthemen stehen. Zudem führt der Krieg in Ost-Europa gerade deutlich vor Augen, welche gravierenden Folgen die Abhängigkeit von einem Land und dessen fossilen Rohstoffen hat.
40 Prozent haben schon an Klimastreiks teilgenommen
Zum eigenen Verhalten ergab die aktuelle 2021-Studie: 62 Prozent der Jugendlichen nutzen häufig das Rad oder öffentliche Verkehrsmittel für alltägliche Wege, 49 Prozent verzichten oft auf Plastikverpackungen, 23 Prozent unterstützen häufig Online-Petitionen für umweltpolitische Anliegen und 40 Prozent haben bereits an Klimastreiks teilgenommen. Dabei finden die befragten jungen Menschen mit deutlicher Mehrheit, dass nicht nur jede und jeder Einzelne, sondern auch die Bundesregierung sowie Industrie und Wirtschaft mehr für den Umwelt- und Klimaschutz tun sollten.
Für die Befragten stehen die wichtigsten gesellschaftlichen Themen nicht in Konkurrenz zueinander. Die große Mehrheit derjenigen, für die soziale Gerechtigkeit eine hohe Bedeutung hat, schätzt auch Umwelt- und Klimaschutz als wichtig ein. Soziale und ökologische Themen gehören aus Sicht junger Menschen oft zusammen. In der gesamten Stichprobe hat Umwelt- und Klimaschutz für weibliche Befragte und für Studierende eine höhere Wichtigkeit.
Stolz auf Engagement
In den letzten Jahren haben sich viele junge Menschen unüberhörbar für Umwelt- und Klimaschutz ausgesprochen, beispielsweise mit Klimastreiks und/oder als Akteure der Bewegung Fridays for Future. Die Bewegung trug erheblich dazu bei, dass im April 2021 das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 in Teilen für verfassungswidrig erklärte. Drei Viertel der Befragten sind voll und ganz oder eher stolz darauf, dass sich gerade junge Menschen stark für den Klimaschutz engagieren und mit der Klimabewegung zeigen, dass sie sich für ihre Zukunft einsetzen. Die Politik sollte in Klimafragen mehr auf die Forderungen junger Menschen hören, finden 81 Prozent der Befragten. 80 Prozent urteilen: „Ich bin mir sicher, dass junge Menschen viel erreichen können, wenn sie sich gemeinsam für den Klimaschutz engagieren.“
Ein Teil der Befragten äußert sich allerdings auch skeptisch im Hinblick auf die Klimabewegung. Sie haben das Gefühl, dass ihnen Vorschriften in Bezug auf ihre Lebensführung gemacht werden, dass übertriebene Panik geschürt wird oder dass die Klimabewegung wenig gebracht hat.
Abkehr von Wegwerfgesellschaft
Ein weiterer Trend deutet sich laut Studie in einer Abkehr von der Konsum- und Wegwerfgesellschaft an: Weniger junge Menschen als in den Vorgängerstudien finden es heute wichtig, nach der neuesten Mode gekleidet zu sein, die neueste Technik, wie etwa das neueste Smartphone zu besitzen, oder viel zu reisen. Allerdings hat auch das Bedürfnis abgenommen, sich mit Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen oder Second Hand einzukaufen. Neben einem höheren Umweltbewusstsein können mögliche Gründe für diese Veränderungen daher auch in der Pandemie liegen. Durch reduzierte Kontaktmöglichkeiten beziehungsweise durch Hygiene- und Ansteckungsbedenken könnte der Bedarf an Mobilität und Konsumgütern vorübergehend gesunken sein.
Steffi Lemke: Verpflichtung für die Politik, Lösungen zu finden
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht in der Sorge junger Menschen um die Zukunft des Planeten eine Verpflichtung für die Politik, „in Zeiten akuter Krisen weiterhin die langfristigen Herausforderungen im Blick zu behalten und dafür Lösungen zu finden“. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, betonte, dass ihn das Engagement der Jugend zuversichtlich stimme: „Die kommenden Jahre bis 2030 sind jetzt entscheidend dafür, die Weichen Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zu stellen.“
Die Studie wurde erstmals 2017 durchgeführt, für die aktuelle wurde im Juni und Juli 2021 eine repräsentative Stichprobe von 1.010 jungen Menschen im Alter von 14 bis 22 Jahren befragt. Die Studie führten das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), die Holzhauerei und Zebralog durch. Ein Jugendprojektbeirat mit zehn jungen Menschen war intensiv an der Studie beteiligt. Zur Diskussion der Studienergebnisse mit Jugendlichen sowie Bundesumweltministerium und des Umweltbundesamt findet am 4. April von 14 bis 18 Uhr das digitale „Jugendforum Umwelt: zukunft.klima.gerecht“ statt.