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Der breite Start der E-Patientenakten hakt

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In wenigen Tagen müssen Ärztinnen und Ärzte Befunddaten für ihre Patienten auch in digitale Akten laden – so ist es eigentlich vorgeschrieben. Doch ein Teil der Praxen muss noch auf Software warten.

Von Sascha Meyer, dpa
Ein Teil der Praxen kann noch die ePA noch nicht nutzen. (Archivbild)
Ein Teil der Praxen kann noch die ePA noch nicht nutzen. (Archivbild)  Foto: Daniel Karmann/dpa

Rund 70 Millionen gesetzlich Versicherte haben inzwischen eine elektronische Patientenakte (ePA). In wenigen Tagen sollen die neuen digitalen Speicher für Gesundheitsdaten aber erst so richtig im Alltag ankommen. Denn zum 1. Oktober wird es für Ärztinnen und Ärzte Pflicht, wichtige Befunde in die E-Akten einzutragen, damit sie für weitere Behandlungen immer parat stehen können. Nur: Kurz vor dem Start sind die technischen Voraussetzungen noch nicht überall da, weil Praxen auf erforderliche Softwaremodule warten müssen.

«Nach unserem letzten Stand sind etwa 80 Prozent der Praxen mit einem solchen Modul ausgerüstet», sagte das Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Sibylle Steiner, der Deutschen Presse-Agentur. «Dass etwa ein Fünftel der Praxen noch nicht mit der ePA arbeiten können, sehen wir sehr kritisch.» Von einigen Anbietern von Praxisverwaltungssystemen wisse man, dass das ePA-Modul im vierten Quartal nachgeliefert werden solle. «Von anderen Herstellern haben wir gar keine Rückmeldung.» 

Praxen drohen Abstriche bei der Vergütung 

Steiner sagte: «Wir werden weiter darauf drängen, dass so schnell wie möglich alle Praxen in die Lage versetzt werden, die ePA in den Arbeitsalltag zu integrieren.» Bei Verzögerungen drohten jedoch paradoxerweise den Praxen Sanktionen bei der Vergütung. Das sei vollkommen inakzeptabel. «Es kann nicht sein, dass die Praxen bestraft werden, wenn Hersteller der Softwaresysteme es nicht rechtzeitig schaffen, Module für den ePA-Einsatz bereitzustellen.»

Schon seit Januar haben rund 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten eine E-Akte von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen – das läuft nach einer Reform der Ampel-Koalition automatisch, wenn man nicht aktiv widerspricht. Die ePA soll Patientinnen und Patienten ein Leben lang begleiten können. Indem sie Untersuchungsbefunde, Laborwerte oder Angaben zu Medikamenten zentral bündelt, soll sie zu besseren Behandlungen beitragen.

Nutzung in Praxen und anderen Einrichtungen zieht an 

Der Betrieb in Gesundheitseinrichtungen wird seit dem Frühjahr bundesweit ausgedehnt. Noch befüllen Ärztinnen und Ärzte ePAs auf freiwilliger Basis. Rund 58.000 der 98.500 Arztpraxen in Deutschland nehmen nach Angaben der mehrheitlich bundeseigenen Digitalagentur Gematik bereits teil. Schon dabei sind demnach auch knapp 20.000 Zahnarztpraxen, rund 6.500 Apotheken und 727 Kliniken. Zuletzt wurden wöchentlich 1,9 Millionen Dokumente hochgeladen.

Es zeige sich deutlich, dass die Praxen Vorreiter bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen seien, sagte KBV-Vorstand Steiner. Vor allem stationäre Einrichtungen müssten endlich nachziehen. «Viele Praxen berichten, dass sie nach wie vor Faxgeräte vorhalten müssen, damit die Kommunikation mit den Krankenhäusern und der Pflege läuft.» Im Informationsaustausch über die Entlassbriefe von Kliniken sähen Praxen aber den größten Mehrwert der ePA.

Kliniken rechnen mit späterer ePA-Anbindung 

Bei den Kliniken ist zum 1. Oktober keine flächendeckende Anbindung an die ePA zu erwarten, wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft Anfang September mitgeteilt hatte. Schon in der Pilotphase sei klar geworden, dass die Einführung nicht mit einem einfachen Software-Update getan sei. Die Voraussetzungen seien komplexer und nicht mit kleineren Einrichtungen wie Praxen vergleichbar. Laut einer Befragung unter 382 Kliniken gehen 58 Prozent davon aus, dass die ePA erst im Laufe des nächsten Jahres krankenhausweit einsetzbar sein kann.

In den Praxen muss sich nun bald zeigen, wie der breite Einsatz startet. Wenn man seine Versichertenkarte am Anmeldetresen einsteckt, gibt man einen Zugriff für 90 Tage frei. «Häufig ist es so, dass beispielsweise die Hausärztin ihren Patientinnen und Patienten mitteilt, dass sie nun erstmalig die ePA befüllt», erläuterte KBV-Vorstand Steiner. 

Aus Praxen höre man leider immer wieder, dass Patienten noch wenig über die ePA wissen. Die Kassen hätten die Pflicht, umfassend darüber zu informieren. «Hier besteht aus unserer Sicht noch deutlicher Nachholbedarf.» Die Praxisteams hätten keine Kapazitäten dafür.

Unwissenheit über Anspruch auf Einsicht in die Akte

Auf mehr Transparenz dringen die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Laut einer Befragung hätten Patienten oft Probleme, ihre eigene Krankenakte zu erhalten, die wichtige Informationen zu Klinikaufenthalten und Praxisbesuchen erfasst. Viele kennen demnach den gesetzlichen Anspruch auf Einsicht in ihre Akte gar nicht. Da die ePA derzeit nur Zusammenfassungen und keine vollständigen Behandlungsdetails enthalte, sei die Möglichkeit zum Anfordern der kompletten Akte auch künftig unverzichtbar.

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