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Der Schmerz des Krieges

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Vor 50 Jahren, am 8. Juni 1972, fotografierte Nick Ut in Vietnam ein Mädchen, das sich die Kleider vom Leib gerissen hatte. Bis heute hat das Bild nichts von seiner Wirkung verloren.

Verletzte Kinder, in der Mitte die neunjährige Kim Phuc, rennen am 8. Juni 1972 die Straße nahe Trang Bang hinunter. Links vorne im Bild ist Phan Thanh Tam, jüngerer Bruder von Kim Phuc, der bei dem Angriff ein Auge verlor. Der kleine Junge links ist Kim Phucs jüngster Bruder, Phan Thanh Phouc. Rechts zu sehen sind Ho Van Bon und Ho Thi Ting, Cousin und Cousine von Kim Phuc. Die Soldaten gehören zur 25. südvietnamesischen Division. Foto: Nick Ut/AP
Verletzte Kinder, in der Mitte die neunjährige Kim Phuc, rennen am 8. Juni 1972 die Straße nahe Trang Bang hinunter. Links vorne im Bild ist Phan Thanh Tam, jüngerer Bruder von Kim Phuc, der bei dem Angriff ein Auge verlor. Der kleine Junge links ist Kim Phucs jüngster Bruder, Phan Thanh Phouc. Rechts zu sehen sind Ho Van Bon und Ho Thi Ting, Cousin und Cousine von Kim Phuc. Die Soldaten gehören zur 25. südvietnamesischen Division. Foto: Nick Ut/AP

Kein Foto des Vietnamkriegs verdeutlicht den Schrecken des Krieges so wie das Bild der nackten, vor Schmerz und Schrecken schreienden Kinder von Trang Bang. Die nackte neunjährige Kim Phuc ist zu einem Symbolbild für die Schrecken des Krieges in Vietnam geworden, auch noch ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung. Und es war von Anfang an ein diskussionswürdiges Bild. Noch bevor es das erste Mal gedruckt wurde, redeten sich Männer die Köpfe darüber heiß, ob man ein nacktes Kind zeigen darf. Zuletzt vor fünf Jahren, als Facebook feststellte, man dulde keine Fotos von nackten Kindern, sich aber auch wohl keine Gedanken um die Wichtigkeit des Bildes machte. Nach heftigen Protesten war das Bild kurz darauf wieder bei Facebook online.

Auf dieser Aufnahme sind die Kinder nach dem Angriff zu sehen. Foto: dpa
Auf dieser Aufnahme sind die Kinder nach dem Angriff zu sehen. Foto: dpa

Die Fotoagentur Associated Press (AP) wollte den Abzug des Fotografen Nick Ut kurz nach der Entstehung des Bildes zuerst nicht übertragen. Nick Ut, mit bürgerlichem Namen Huynh Cong Út, war an jenem 8. Juni 1972 im Auftrag der "New York Times" nahe des Orts Trang Bang unterwegs. Als er mit dem Abzug seines Fotos aus der Dunkelkammer kam, bedurfte es gutem Zureden des damaligen Leiters des AP-Büros in Saigon, Horst Faas, damit das Foto am Ende auch übertragen wurde. Denn die AP-Mitarbeiter hatten Bedenken. Nicht, weil das Foto großes Leid zeigt, sondern weil es ein nacktes Mädchen zeigt. Das war nur die erste von vielen weiteren Diskussionen um dieses Bild.

Titelseite

Auch bei der "New York Times" zögerten die zuständigen Redakteure mit der Veröffentlichung, entschieden sich dann aber doch dafür. Am 9. Juni war das Bild mit Kim Phuc im Mittelpunkt auf der Titelseite der "New York Times" zu sehen, etwa in der Größe einer Postkarte, unten links auf der Seite, eingerahmt von einer Kriegsmeldung.

Damit war das Bild in der Welt, seine Botschaft allerdings kam ganz offensichtlich nicht überall an. Denn der amerikanische Präsident Richard Nixon sagte später in einem Interview tatsächlich, er sei davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine Fotomontage gehandelt habe.

Das Bild zeigt den Einschlag der Brandbombe, die von einem Flugzeug abgeworfen wurde. Foto: dpa
Das Bild zeigt den Einschlag der Brandbombe, die von einem Flugzeug abgeworfen wurde. Foto: dpa

Von den Ereignissen um das Bild gibt es eine ganze Reihe von Aufnahmen. Dass es sich dabei um ein gefälschtes Foto handeln könnte, ist eine völlig absurde Vermutung. Es gibt Foto- und Filmaufnahmen des Geschehens aus unterschiedlichen Richtungen, die von mehreren Reportern gemacht wurden.

Irrtum

Was war genau passiert an jenem 8. Juni 1972? Die Reporter waren mit Soldaten der 25. südvietnamesischen Division auf der Route 1 in der Nähe des Dorfes Trang Bang unterwegs, als ein Flugzeug eine Brandbombe mit Napalm abwarf. Ziel des südvietnamesischen Piloten war eine Gruppe fliehender Soldaten gewesen. Dabei handelte es sich aber nicht, wie der Pilot irrtümlich glaubte, um Nordvietnamesen, sondern um südvietnamesische Soldaten und Zivilisten, unter ihnen auch Kim Phuc und ihre Geschwister.

Kim Phuc leidet noch heute an den Folgen des Angriffs. Foto: Nick Ut
Kim Phuc leidet noch heute an den Folgen des Angriffs. Foto: Nick Ut

Den Soldaten und Reportern auf der Straße kam nach der Attacke zunächst eine Frau mit großflächigen Verbrennungen an den Beinen entgegen, dann eine Frau, die ihr sterbendes Baby im Arm hielt, bei einem weiteren Baby löste sich bereits großflächig die verbrannte Haut, erinnerte sich Nick Ut gegenüber Horst Faas. Und dann schrie ein Kind vor Schmerzen, riss sich im Laufen die brennenden Kleider vom Leib, Kim Phuc. Nick Ut drückte mit seiner Leica M2 ab. Sein Film: Kodak Tri-X, das Bild: Nummer 7A auf dem Negativstreifen.

Erste Hilfe

Journalisten kümmerten sich zuerst um die verletzten Kinder. Christopher Wain, für die britische Filmagentur ITN in Vietnam, goss Wasser über den Rücken des schwer verletzten Mädchens, Nick Ut packte die Kinder in sein Auto und brachte sie in das Barsky Hospital, eine Kinderklinik in Saigon. 14 Monate wurde Kim Phuc in der Klinik behandelt, 17 mal operiert, unter anderem vom finnischen Chirurgen Aarne Rintala.

Kim Phuc. Foto: dpa
Kim Phuc. Foto: dpa

Nach dem Vietnam-Krieg, der mit dem Einmarsch nordvietnamesischer Truppen in Saigon am 30. April 1975 zu Ende ging, wurde Kim Phuc zunächst eine Propagandafigur für das Regime. In Kuba traf sie während ihres Studiums ihren späteren Mann Bui Huy Toan, mit dem sie 1992 in den Flitterwochen nach Moskau reiste − und nie wieder nach Vietnam zurück kehrte. Denn bei einem Tankstopp im kanadischen Gander (Neufundland) verließen die beiden das Flugzeug und beantragten politisches Asyl, das ihnen gewährt wurde. Seit 1997 hat Kim Phuc die kanadische Staatsangehörigkeit. Sie ist Mutter zweier Kinder.

Auszeichnungen

Das Foto von Nick Ut, das gemeinhin verbreitet wird, ist ein leichter Ausschnitt. So war es bereits bei seiner ersten Veröffentlichung am 9. Juni 1972 in der "New York Times" beschnitten worden. Im Original ist rechts noch der damals 25 Jahre alte amerikanische Fotograf David Burnett zu sehen, der noch mit dem Filmwechsel an seiner Leica kämpfte. Das Bild wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und wurde das World Press Photo des Jahres 1972.

 

Vietnamkrieg

Der Vietnamkrieg, im Land selbst oft der "Amerikanische Krieg" genannt, dauerte von 1955 bis 1975. Gekämpft wurde in den südostasiatischen Ländern Vietnam, Laos und Kambodscha. Man geht von bis zu zwei Millionen Toten aus und ebenso vielen Verwundeten.

Alleine die Vereinigten Staaten hatten 58.315 tote Soldaten zu beklagen, 303.644 wurden verwundet. Am Ende ging Nordvietnam siegreich aus dem Konflikt hervor. gug

 

 

 

 
 
 
 
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