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Aus dem ewigen Eis in die Weiten des Ozeans

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Der Riesen-Eisberg A68 ist vor einem Jahr aus dem Schelfeis gebrochen und und treibt nun langsam in wärmere Gewässer.

Von Bianca Zäuner
Im Juli 2017 löste sich der gigantische Eisberg vom Schelfeis der Antarktis. Foto: NASA/John Sonntag
Im Juli 2017 löste sich der gigantische Eisberg vom Schelfeis der Antarktis. Foto: NASA/John Sonntag

Nach über einem Jahr hat er sich in Bewegung gesetzt. Im Juli 2017 hat sich von der Westküste der Antarktis ein gigantischer Eisberg, von Forschern als A68 bezeichnet, vom Schelfeis gelöst. Damals war er 175 Kilometer lang und bis zu 50 Kilometer breit. Bedingt durch starke Föhnwinde hat sich A68 mittlerweile aus der durch den Abbruch entstanden Lücke herausgedreht.

Die jüngsten Satellitenbilder der europäischen Raumfahrtagentur Esa zeigen, dass sich A68 bereits 18 Kilometer entfernt hat. Forscher vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven vermuten, dass A68 zunächst entlang der Küste nach Norden treibt und in etwa einem Jahr seinen Kurs leicht nach Osten verändert und somit in wärmere Gewässer vordringt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu A68.

 

Warum löst sich ein so großer Eisberg einfach ab?

"Dass sich ein Eisberg vom Schelfeis löst, ist per se nichts Ungewöhnliches", erklärt Thomas Rackow, Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Als Schelfeis bezeichnet man die dicke, auf dem Meer schwimmende Eisplatte, die weite Teile der Antarktis umgibt. Über Jahrtausende hat sich auf dem Kontinent Schnee angehäuft, der sich unter seinem eigenen Gewicht verdichtet. "Dieser ist aber nicht unbeweglich, sondern fließt ganz langsam in Richtung Ozean." Diese Eiszungen schwimmen dann auf dem Meer und werden zur Spitze hin dünner. Die Fließgeschwindigkeit nimmt allmählich zu und ab einem gewissen Punkt lösen sich dann Eisberge ab, erklärt Rackow. Das ist ein natürlicher Prozess.

 

Ist der Klimawandel die Ursache für die Ablösung von Eisbergen?

Aufnahmen der Nasa zeigen, wie er langsam abtreibt. Mittlerweile hat er sich 18 Kilometer weit bewegt. Foto: Jesse ALlen
Aufnahmen der Nasa zeigen, wie er langsam abtreibt. Mittlerweile hat er sich 18 Kilometer weit bewegt. Foto: Jesse ALlen  Foto: Jesse ALlen

Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, aber ebenso wenig gänzlich ausschließen. Gerade die Westantarktische Halbinsel hat sich - auch im Vergleich zur übrigen Antarktis - in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark erwärmt. "Das könnte also eine Rolle spielen", sagt Rackow. Zudem hat sich das mehrjährige Meereis, das vor dem Schelfeis im Ozean schwimmt, in den vergangenen Jahrzehnten zurückgezogen. "Dadurch war möglicherweise die stabilisierende Wirkung für das Schelfeis an der Schelfeiskante nicht mehr gegeben." An den genauen Ursachen wird aber gerade noch geforscht.

 

Hat die Ablösung von A68 Folgen für die Antarktis?

Welche Folgen das haben wird, ist noch nicht absehbar. "Die Schelfeiskante hat sich durch den Abbruch weiter zurückgezogen als wir es jemals zuvor beobachtet haben", sagt der Klimaforscher. Es bestehe nun die Gefahr, dass sich die Kante noch weiter zurückzieht und sich das Schelfeis im schlimmsten Fall komplett auflösen könnte. Das hätte dramatische Folgen. "Dadurch würde die bremsende Wirkung des Schelfeises wegfallen und die dahinterliegenden Gletscher könnten dann schneller in den Ozean abfließen und mehr Eis in den Ozean tragen. Dadurch würde der Meeresspiegel steigen", zeigt Rackow das Worst-Case Szenario auf.

 

Der Eisberg treibt in Richtung wärmerer Gebiete. Sinkt dadurch die Temperatur im Meer?

Ja, in der direkten Umgebung könnte man die Abkühlung nachweisen. "Aber auf großer Skala ist dies nicht zu erwarten". Durch die immense Größe des Ozeans hat ein vereinzelter Eisberg, selbst ein so großer Eisberg wie A68, wenn überhaupt, nur geringe Auswirkungen auf die allgemeine Meerestemperatur.

 

Besteht die Gefahr, dass sich in absehbarer Zeit weitere große Eisberge vom Schelfeis ablösen?

Es gibt noch einige größere Risse, die beobachtet werden. Akut sehen die Wissenschaftler des AWI aber keinen Grund zur Sorge "Noch sieht alles sehr stabil aus", erklärt Rackow. Sollten sich die bestehenden Risse allerdings vergrößern und zusammen einen Eisberg formen, "könnte so etwas natürlich wieder passieren".

Ein Eisberg so groß wie Jamaika

Der größte aufgezeichnete Eisberg bisher war B15, der sich im März 2.000 vom Ross-Schelfeis auf der anderen Seite der Antarktis abgelöst hat. Mit einer Fläche von 11.600 Quadratkilometern war er etwa so groß wie die Karibikinsel Jamaika und somit etwa doppelt so groß wie A68.

Er hatte eine Länge von 295 Kilometer und war 37 Kilometer breit. Der Koloss ragte 40 bis 60 Meter aus dem Wasser und zwischen 160 und 250 Meter unter Wasser. Zusammen mit anderen Eisbergen blockierte er den Weg auf die Ross-Insel und schnitt große Kolonien von Pinguinen von ihren Brutplätzen ab. Millionen der Seevögel verendeten. 2010 brach B15 nach einem schweren Sturm in zwei Teile, B15A und B15B. Weitere kleinere Eisberge spalteten sich im Lauf der Jahre immer wieder ab. Ganz geschmolzen ist der Eisberg noch lange nicht: 2018 entdeckten Astronauten der ISS B15A in der Nähe der südgeorgischen Inseln. 

 
 
 
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