100 Prozent Zölle auf Arzneimittel – „harter Rückschlag für Pharmastandort Deutschland“
US-Präsident Donald Trump will Arzneimittelimporte mit 100 Prozent Zöllen belegen. Für den Pharmastandort Deutschland ist das eine Hiobsbotschaft – die USA sind das wichtigste Exportland.
US-Präsident Donald Trump will Zölle von 100 Prozent auf Arzneimittelimporte in die USA ab 1. Oktober verhängen. Sollten Hersteller einen Produktionsstandort in den USA bauen, bereits einen Baubeginn festgelegt haben oder sich im Bau befinden, könnten sie damit die Zölle umgehen, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social.
Zölle von 100 Prozent: Desaster für die deutsche Pharmaindustrie
Für die deutsche Pharmaindustrie ist das eine Hiobsbotschaft. Knapp ein Viertel der Exporte gehen in die USA, womit das Land der wichtigste Exportpartner ist. Laut Statistischem Bundesamt gingen 2024 Waren im Wert von 27 Milliarden Euro in die USA. Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (Vfa) kritisiert, diese Entscheidung stehe im Widerspruch zu den bisherigen Handelsabsprachen zwischen den USA und der EU. Eigentlich hatte man sich nach langen Verhandlungen auf eine Zollobergrenze von 15 Prozent geeinigt, hiervon waren Arzneimittel aber ausgenommen.
Deshalb kommt die Ankündigung von Pharma-Sonderzöllen für den Bundesverband für Medizintechnologie nicht überraschend, wie ein Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt. Allerdings gilt das nicht für die Medizintechnik-Branche, die vor allem in Baden-Württemberg eine große Rolle spielt. Sie fällt unter die getroffenen Vereinbarungen mit einer Zollobergrenze von 15 Prozent.
In Baden-Württemberg sind 843 Medizintechnik-Unternehmen ansässig, mit zirka 53.000 Beschäftigten. In der Biotechnologie sind 192 Unternehmen mit rund 13.500 Beschäftigten tätig, in der Pharmazeutischen Industrie sind es 92 Unternehmen mit knapp 22.900 Beschäftigten. Gleichzeitig erklärt die EU-Kommission, man sehe Pharmazeutika aus Europa vor den 100-Prozent-Zöllen geschützt, sie seien Teil der Verhandlungen im August gewesen.
Zollstreit mit USA: Experte hält politische Einigung für möglich
„Nichtsdestotrotz schaden Zölle der Wirtschaft natürlich in hohem Maße“, so der Sprecher. Und sollten die Zölle tatsächlich ab 1.Oktober greifen, wäre das ein „harter Rückschlag für den Pharmastandort Deutschland“, sagt der Vfa. „Die angekündigten Importzölle von 100 Prozent hätten gravierende Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten, verteuerten die Produktion von Arzneimitteln und gefährdeten die Versorgung von Patienten – sowohl in den USA als auch in Europa. Das ist das letzte, was der Wirtschaftsstandort Deutschland jetzt braucht“, erklärt Vfa-Präsident Han Steutel.
Eine mögliche Einigung hält Ruben Staffa, Experte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, für durchaus möglich: „Gerade im Pharma-Bereich hat die EU erhebliche Verhandlungsmasse, denn über die Hälfte aller Pharmaeinfuhren in die USA stammen aus der EU. Eine politische Einigung dürfte auch in Trumps Interesse liegen, ansonsten wären Preissteigerungen für US-Bürgerinnen und Bürger kaum zu vermeiden.“
Auch die Apothekervereinigung ABDA fürchtet, dass sich US-Zölle negativ auf die Arzneiversorgung in Deutschland auswirken könnten. Hierzu sagt Ruben Staffa, Trump wolle auch einen besseren Zugang für US-Firmen auf dem europäischen Markt. „Bei einer politischen Lösung könnte dies auch ein größeres Angebot für deutsche Verbraucher bedeuten.“
Unternehmen aus Baden-Württemberg sieht sich „flexibel aufgestellt“
Beim Pharma-Unternehmen Rentscher Biopharma aus Laupheim im Landkreis Biberach teilt man die Sorgen des Vfa und verfolge die „aktuellen Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit“. Als unabhängiges Familienunternehmen mit Standorten in Deutschland und den USA sei man aber flexibel aufgestellt, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. „Bereits vor über fünf Jahren haben wir unser Produktionsnetzwerk gezielt ausgebaut, um flexibel auf die Bedürfnisse unserer Märkte und Kunden eingehen zu können und sind somit in der Lage, den internationalen Markt aus Deutschland und aus den USA zu bedienen.“
Mehr Produktion in die USA zu holen, gilt als Hauptziel des US-Präsidenten. Damit dürfte er zumindest bei den Pharmariesen bereits Erfolg haben: Die Schweizer Unternehmen Roche und Novartis sowie der französische Konzern Sanofi haben angekündigt, Milliarden in den USA zu investieren.