Vor Europawahl: Auch kleine Parteien mischen in Europa mit
Im Europäischen Parlament herrscht eine große Parteienvielfalt. Das liegt auch daran, dass es in Deutschland bisher keine Sperrklausel gibt. Das soll sich 2029 allerdings ändern.

Der deutsche Wahlzettel zur Europawahl ist ziemlich lang. 34 Parteien und sonstige politische Vereinigungen wurden von der Bundeswahlleiterin zugelassen, 59 Wahlvorschläge waren zuvor beantragt. Im Gegensatz zur Bundestagswahl haben auch Kleinstparteien durchaus Chancen, einen der 96 deutschen Sitze im Europaparlament zu ergattern. Denn es gibt in Deutschland bisher keine Sperrklausel - das soll sich allerdings zur nächsten Wahl 2029 ändern. Dann soll hierzulande eine Sperrklausel von zwei Prozent eingeführt werden.
Bei der letzten Europawahl 2019 genügte teilweise ein Ergebnis von unter einem Prozent, um ins EU-Parlament einzuziehen. So schaffte es beispielsweise Nico Semsrott von "Die Partei" 2019 mit 2,4 Prozent in das Gremium, ebenso wie Manuela Ripa von der ÖDP mit 1,0 Prozent oder Martin Buschmann von der Tierschutzpartei mit 1,4 Prozent. Auch anderen Kleinparteien wie der Piratenpartei oder Volt Deutschland gelang es, Mandate im EU-Parlament zu gewinnen.
Manche EU-Abgeordnete bleiben fraktionslos
In der Regel schließen sich diese Abgeordneten einer der Fraktionen im EU-Parlament an. Nico Semsrott etwa ging zu den Grünen, trat 2021 aus "Die Partei" aus, behielt aber sein Mandat. Der Kabarettist tritt dieses Mal nicht mehr zur Wahl an.
Sein damaliger Parteikollege Martin Sonneborn hingegen blieb fraktionslos, ebenso wie der frühere AfD-Chef Jörg Meuthen. Ohne Fraktionszugehörigkeit haben die Abgeordneten aber kaum eine Chance, Einfluss im EU-Parlament zu nehmen, weil sie nur wenig Redezeit und finanzielle Mittel für Mitarbeiter bekommen.
Mit den Freien Wählern in Baden-Württemberg hat die Bundespartei nichts zu tun
Die Freien Wähler sitzen bereits seit 2014 im Europaparlament, 2019 errangen sie 2,2 Prozent der Stimmen, was für Mandate für Engin Eroglu und Ulrike Müller reichte. Eine Insa-Umfrage vom 1. Juni sieht die Freien Wähler diesmal bei drei Prozent. Im EU-Parlament gehören die Freien Wähler der liberalen Fraktion Renew an. In Deutschland sind die Freien Wähler an der bayerischen Landesregierung beteiligt und erlangten insbesondere durch ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger bundesweite Bekanntheit. Die Freien Wähler in Baden-Württemberg, die teils stark in den Kommunen verankert sind, haben allerdings personell oder organisatorisch keinerlei Verbindung zur gleichnamigen Bundespartei.
Das wollen die Freien Wähler in Europa
Auf europäischer Ebene vertreten die Freien Wähler eine restriktive Migrationspolitik, die irreguläre Zuwanderung bekämpft. Zudem fordern sie, die EU solle Rückführungsabkommen mit Fluchtherkunftsländern schließen. Beim Thema Umwelt propagieren sie eine sozialverträgliche Gestaltung des Emissionshandels, bei der Energieversorgung plädieren sie für Technologieoffenheit. Die Freien Wähler bekennen sich außerdem klar zur Nato und fordern einen größeren Beitrag Deutschlands zur europäischen Verteidigung.
Zahlreiche Splitterparteien kandidieren für das EU-Parlament
Bei der Europawahl an diesem Sonntag treten auch zahlreiche Kleinstparteien an, die bisher noch nicht im EU-Parlament vertreten sind. Das Spektrum reicht von der Basisdemokratischen Partei Deutschlands (Die Basis) über das Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG) und die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), die Letzte Generation bis hin zur Partei der Humanisten (PdH) oder der V-Partei - Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer.
BSW liegt in Umfragen bei fünf bis sieben Prozent
Das im Januar 2024 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) dürfte im nächsten EU-Parlament eine relevante Rolle spielen. In jüngsten Umfragen erreicht das BSW fünf bis sieben Prozent der Stimmen.
In ihrem Wahlprogramm spricht sich das Bündnis für eine "diplomatische Außen- und Sicherheitspolitik" aus und fordert einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Des weiteren fordert das BSW den Stopp illegaler Migration und die Begrenzung der Macht großer Konzerne. Europa müsse unabhängiger werden und eine "vernünftige" Wirtschaftspolitik sowie eine innovative Klimapolitik, die Verbrennerautos nicht verbietet, umsetzen.
Arbeit in den Ausschüssen
Vertreter der Kleinparteien können sich im EU-Parlament durch die Mitarbeit in Ausschüssen einbringen. Nico Semsrott von "Die Partei" war Mitglied im Ausschuss für Haushaltskontrolle, sein Parteikollege Martin Sonneborn im Ausschuss Bürgerliche Freiheiten. Engin Eroglus und Ulrike Müller von den Freien Wählern waren in den Ausschüssen Wirtschaft und Währung beziehungsweise Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Damian Boesloger von Volt im Ausschuss Konstitutionelle Fragen.


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