Grünen-Kandidat Robert Habeck: Begabter Rhetoriker mit Ambitionen
Der Kanzlerkandidat der Grünen hat keine realistische Chance auf das Spitzenamt nach der Bundestagswahl 2025. In die nächste Regierung will Robert Habeck aber dennoch.
Als Kanzlerkandidat von Bündnis 90/Die Grünen stehen Robert Habeck schwere Monate bevor. Denn seine Partei hat mit aktuellen Umfragewerten um die 10 Prozent keine realistische Chance, den nächsten Bundeskanzler zu stellen. Es wird im anstehenden kurzen Wahlkampf bis zum 23. Februar deshalb vor allem darum gehen, eine Machtoption für die Grünen zu schaffen. Das wäre nach Lage der Dinge eine Zweier- oder Dreier-Koalition unter Führung der Union.
Das Heizungsgesetz verfolgt Robert Habeck

Habecks größte Bürde ist zweifellos das Heizungsgesetz. Mit dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes, der im März 2023 an die Öffentlichkeit durchgestochen wurde, brach unter kräftiger medialer Mithilfe eine Entrüstungswelle über Habeck los, die das Land über viele Wochen in Atem hielt. Das Gesetz wurde daraufhin deutlich entschärft und vom Bundestag am 8. September 2023 verabschiedet. Der Schaden für Habeck blieb, ihm haftet immer noch zu Unrecht das Etikett an, er habe aus ideologischen Motiven heraus Menschen die Gas- und Ölheizung aus dem Keller reißen wollen.

Habeck fehlte damals möglicherweise der politische Instinkt und die nötige Erfahrung im knallharten Berliner Politbetrieb. Er sei zu weit gegangen und habe die Bevölkerung mit dem Heizungsgesetz überfordert, räumte der Wirtschaftsminister später ein.
Das richtige Gespür ließ Habeck auch bei der Besetzung eines wichtigen Postens vermissen, als er Patrick Graichen von der Denkfabrik Agora Energiewende zu seinem beamteten Staatssekretär machte. Als im Mai 2023 bekannt wurde, dass Graichen seinem Trauzeugen den Posten des Geschäftsführers der Deutschen Energie-Agentur verschaffen wollte, ohne das Näheverhältnis offenzulegen, ließ Habeck Graichen fallen, der maßgeblich das umstrittene Heizungsgesetz ausgearbeitet hatte.
Habeck räumt Fehler ein - Inkompetenz oder Authentizität?
Es gehört zu Habecks Stärken, dass er solche Fehler einräumt und auch zugibt, wenn er etwas nicht weiß. Seine Gegner schlachten dies weidlich aus, unvergessen ist Habecks Wissenslücke bei der Pendlerpauschale oder seine wenig überzeugenden Einlassungen zu der Frage, wann ein Unternehmen insolvent ist. Was für die einen ein Ausweis von Inkompetenz ist, feiern die anderen als Ehrlichkeit und Authentizität.

Tatsächlich sticht Habeck mit diesen Eigenschaften, gepaart mit rhetorischer Brillanz, aus der Masse der Politiker heraus. Mit seinen Videobotschaften, etwa zur Energiekrise oder zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten, erreicht Habeck in den sozialen Netzwerken immer wieder große Aufmerksamkeit - durchaus auch von Menschen, die den Grünen nicht nahestehen.
Der 55-jährige geborene Lübecker hat Germanistik, Philosophie und Philologie studiert und wurde im Jahr 2000 in Literaturwissenschaften promoviert. Mit seiner Frau Andrea Paluch veröffentlichte Habeck Kinderbücher, Lyrikübersetzungen und Romane, weshalb seine Kontrahenten ihn auch schon als "Kinderbuchautor" verspotteten.
Habecks Machtambitionen sollte man nicht unterschätzen
Unterschätzen darf man Habeck bei aller Softie-Attitüde gleichwohl nicht. In seinem Heimatland Schleswig-Holstein arbeitete er sich seit 2002 über die Kommunalpolitik Schritt für Schritt nach oben, bis er 2012 Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume sowie stellvertretender Ministerpräsident in der von der SPD geführten Landesregierung wurde. Auch unter der Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen ab 2017 wurde Habeck wieder Landwirtschafts- und Umweltminister.
Auch innerparteilich zeigte Habeck seinen Führungsanspruch. Bei der Wahl des Bundesvorstands unterlag er 2016 nur hauchdünn Cem Özdemir. Im Januar 2018 klappte es dann: Habeck und Annalena Baerbock wurden von der Partei zur neuen Bundesspitze der Grünen gewählt, Habeck musste dafür einige Monate später sein Ministeramt in Schleswig-Holstein aufgeben. Im November 2019 wurde die Doppelspitze für weitere zwei Jahre bestätigt.
Nach dem schlechten Grünen-Wahlergebnis 2021 muss Habeck nun liefern

Habeck und Baerbock galten lange Zeit als Dreamteam der Grünen. Durch ihren pragmatischen Kurs wollten sie die Partei in die Mitte der Gesellschaft rücken. Hohe Zustimmungswerte in Umfragen und bei verschiedenen Wahlen führten dazu, dass die Grünen mit Annalena Baerbock erstmals eine Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl 2021 aufstellten. Habeck, der selbst Ambitionen auf diese Position hatte, zog zurück.
Nach dem schwachen Abschneiden der Grünen bei der Bundestagswahl mit 14,7 Prozent wurden die Grünen Teil der ersten Ampel-Koalition zwischen SPD, Grünen und FDP. Habeck wurde Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Nach dem Bruch der Ampel am 6. November 2024 kündigte er an, Kanzlerkandidat der Grünen für die Bundestagswahl werden zu wollen, die am 23. Februar 2025 stattfinden wird.