Pro & Contra: Sollte Containern erlaubt sein?
Die Debatte um Lebensmittel, die in Supermärkten im Müllbehälter landen, nimmt an Fahrt auf. Unsere beiden Autoren sind geteilter Meinung.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wollen dafür sorgen, dass niemand mehr dafür bestraft wird, dass er noch genießbare Lebensmittel aus Abfallcontainern holt. Doch der Vorschlag ist umstritten - auch bei unseren beiden Autoren.
Pro
Von Marie Provencal
Wenn Menschen sich aufmachen, um in den Abfallcontainern von Supermärkten noch verzehrbare Lebensmittel ausfindig zu machen, dann bewegen sie sich auf rechtlich unsicherem Terrain und können wegen Diebstahl, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung strafrechtlich verfolgt werden. Das kann so nicht bleiben.
Jedes Jahr werden rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland weggeworfen, das ist skandalös. Containern richtet sich gegen die bedenkenlose Wegwerfmentalität. Alles, was noch nutzbar ist, sollte auch genutzt werden dürfen. Gerade für viele junge Menschen steht der Nachhaltigkeitsaspekt im Vordergrund, denn Containern spart Ressourcen und schützt dadurch das Klima. Darüber hinaus gibt es Millionen Menschen, die sich ausreichend Lebensmittel schlichtweg nicht leisten können. Auch Nahrungsmittel sind von den enormen Preissteigerungen nicht verschont geblieben, für Viele wird das Leben nahezu unbezahlbar. Diese Personen dann auch noch mit möglichen Strafen zu bedrohen, ist absurd.
Nun ist die Rechtslage kompliziert, juristische Details oft unklar. Dass es anders geht, zeigen uns unsere europäischen Nachbarn, zum Beispiel Frankreich: Supermärkte dürfen Lebensmittel nicht einfach wegwerfen und größere Märkte sind verpflichtet, Lebensmittel an soziale Einrichtungen zu spenden. Eine solche Regelung in Deutschland würde allen voran den Tafeln helfen, die sich einerseits mit viel zu wenig Spenden und andererseits mit einer enorm gestiegenen Nachfrage konfrontiert sehen. Dass die Politik aktuell keine Gesetzesänderung im Strafrecht vorsieht, ist deshalb ein Fehler.
Contra
Von Heiko Fritze
Kein Frage: Dass Lebensmittel im Müllcontainer landen, die eigentlich noch essbar sind, ist ein Unding. Die Debatte um das sogenannte Containern mutet da auf den ersten Blick skurril und bürokratisch an.
Doch einfach so allen zu erlauben, nach Ladenschluss Container an Lebensmittelgeschäften nach Verwendbarem zu durchstöbern, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn es lauern viele Fallstricke: Was ist zum Beispiel, wenn sich jemand beim Hineinklettern in einen Container verletzt - wer haftet? Und wer ist schuld, wenn sich jemand eine Vergiftung zuzieht, weil er ein Lebensmittel aus dem Container verspeist hat, das doch schon verdorben war? Dürfen alle Container durchwühlt werden, oder sollte es nicht besser eigens gekennzeichnete Behälter geben? Und wo sollen diese stehen - ist es überhaupt zulässig, in Bereichen eines Lebensmittelmarkts herumzustromern, die gar keine öffentliche Parkfläche sind? Wer räumt schließlich auf, wenn Verpackungen zerrissen oder nicht Verwertbares einfach über den Rand geworfen wird? Und wer verhindert, dass andere wiederum ihren Müll mitbringen und in den Containern hinterlassen, nachdem sie Obst, Brot und Joghurt herausgenommen haben?
Kurzum: Bevor Containern ganz offiziell zugelassen wird, müssen allerhand Fragen geklärt werden. Auch Lebensmittelretter dürften keine Lust darauf haben, ständig wegen Vorfällen wie oben aufgeführt vor Gericht gehen zu müssen - nicht nur, weil sie gegen etwas verstoßen haben, sondern auch weil sie Entschädigung verlangen. Bevor abends die Müllbehälter gestürmt werden dürfen, sollten Handel und Umweltschützer gemeinsam praktikable Lösungen erarbeiten.

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