Nicht abgesagte Reservierungen: Kein Gespür
No-Shows in der Gastronomie haben auch etwas mit dem Zeitgeist zu tun, meint unser Autor.
Früher war alles besser und alles wird immer schlimmer − möchte man angesichts von No-Show-Gästen denken. Das sind Leute, die sich im Restaurant einen Tisch oder gar Saal reservieren, sich am Ende aber gar nicht blicken lassen. Zahlen über eine eventuelle Zunahme kann der baden-württembergische Branchenverband Dehoga zwar nicht nennen. Doch laut einer aktuellen Erhebung soll die Schwänzer-Quote in der Deutschschweiz seit Corona rapide angestiegen sein. Warum sollte es hierzulande anders sein?
Fest steht: Vielen Gastronomen tun die No-Shows finanziell richtig weh. Vor allem in der gehobenen Gastronomie und in den aktuellen Krisenzeiten mehr denn je.
Sind die liederlichen Fernbleiber etwa Spiegelbild einer Gesellschaft, in der immer mehr Zeitgenossen nur noch an sich selber denken, unzuverlässig und ohne Rücksicht auf Verluste? Nun, Branchenkenner sagen, das Phänomen sei nicht neu und die Schweizer Studie zeigt, dass die Kurve erst in der Corona-Hochzeit nach oben geschossen ist. Sind also die Pandemie-Beschränkungen an allem schuld?
Ein anderer Aspekt der Studie könnte eine bessere Antwort liefern: Haupttreiber der No-Shows sind Touristen, das zeigen telefonische Reservierungen mit internationalen Vorwahlnummern. Dies sollte keinesfalls Vorurteile gegen Ausländer schüren. Vielmehr zeigt sich damit: No-Show haben etwas mit Anonymität zu tun. Wer den Wirt nicht kennt, schert sich weniger um ihn. Wer nur online unterwegs ist, muss sich nicht in die Augen schauen. Wer nicht kommuniziert, verliert das Gespür für seine Mitmenschen, ein neuzeitliches Phänomen, das durchaus auf jede Art von Zeitgenossen übertragbar ist.