Kommentar zur Bundespräsidentenwahl: Klarere Aussagen bitte
Chefredakteur Uwe Ralf Heer erwartet von Frank-Walter Steinmeier, dass er künftig deutlicher Stellung bezieht.
Eine Bundespräsidentenwahl ist niemals nur eine reine Vollzugsmeldung. Auch wenn der Ausgang klar und die Gegenkandidaten chancenlos sind. Die Wahl des ersten Mannes - leider nicht der ersten Frau - im Staate sagt auch etwas über unsere Demokratie und den Zustand unserer Republik aus.
Demokratie lebt von Angeboten
Die klare Mehrheit für Frank-Walter Steinmeier stand lange vor dem Wahlgang fest, weil der SPD-Politiker - leider - von fast allen Parteien unterstützt wurde. Demokratie lebt aber auch vom Wettstreit, von unterschiedlichen Angeboten. Und davon, dass man sich einer Wahl stellt, selbst wenn man vielleicht keine Chance hat. So gesehen hat CDU-Chef Friedrich Merz einen Fehlstart hingelegt. Den Sozialdemokraten Steinmeier derart in den Himmel zu loben und auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten, war schlicht und ergreifend ein Armutszeugnis. Auch wenn Steinmeiers Beliebtheitswerte im Volk - nicht zu Unrecht - hoch sind.
Eigenständiges Agieren
Denn der Bundespräsident hat bewiesen, dass sein Amt nicht nur ein repräsentatives sein muss. Er nahm die Zügel in die Hand, als vor vier Jahren die Jamaika-Koalition nicht zustande kam und Neuwahlen drohten. Ohne ihn hätte es die CDU/SPD-Regierung nicht gegeben, die in schwierigen Zeiten besser agierte, als es mancher wahrhaben wollte. Und er preschte zu einem Zeitpunkt mit der Bekanntgabe seiner Kandidatur nach vorne, als sich die SPD noch im Umfragekeller befand und keine Mehrheit für den Amtsinhaber ins Sicht war. Am Ende hat er alles auf eine Karte gesetzt und gewonnen, weil sich der politische Wind gedreht hat.
Strittige Themen ansprechen
Mit diesem Rückenwind muss Steinmeier klarere Kante zeigen. Ob es um übertriebene Einschränkungen der Bürgerrechte, die umstrittene Impfpflicht oder den aufgeblähten Bundestag geht: Der Bundespräsident sollte sich aus den strittigen Themen unserer Zeit nicht länger heraushalten. Wenn er das umsetzt, ist er wirklich eine gute Wahl.