Entlastungspaket liefert handfeste Verbesserungen für soziale Schwache
Weil es unmöglich ist, dabei jeden und jede zufriedenzustellen, wird jedes Entlastungspaket, egal wie es geschnürt ist, auf Protest treffen, ist unser Korrespondent überzeugt
Die Krise der Energieversorgung, ausgelöst durch Putins Angriffskrieg, hat einschneidende Auswirkungen. Sie trifft jeden Bürger in irgendeiner Form, ebenso Unternehmen. Gerade weil die Auswirkungen so universal und komplex sind, steht die Bundesregierung vor einem äußerst schwierig zu lösenden Problem: Sie muss auswählen und entscheiden, welche gesellschaftlichen Gruppen in besonderer Weise staatliche Hilfestellung benötigen. Und weil es unmöglich ist, dabei jeden und jede zufriedenzustellen, wird jedes Entlastungspaket, egal wie es geschnürt ist, auf Protest treffen.
Trotz dieser Ausgangslage hat die Ampel mit ihrem nunmehr dritten Programm zur Linderung der Energiekrise Beachtliches geleistet: Nicht nur nimmt sie erneut viel Geld in die Hand, sie setzt auch einen fraglos richtigen Schwerpunkt auf die Unterstützung der sozial Schwachen, legt aber zudem durchaus weitere Maßnahmen vor, die auch Menschen helfen, die bislang nicht auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind. Und sie hat den Mut, sich zu korrigieren, indem sie offensichtliche Gerechtigkeitslücken aus den ersten beiden Paketen schließt, etwa das Übergehen von Rentnern und Studierenden beim Energiegeld. Vorgelegt wurde nun ein Bündel verschiedener Maßnahmen, die man im Einzelnen unterschiedlich bewerten mag, die aber oft sinnvolle strukturelle Veränderungen bringen. In „normalen“ Zeiten hätten sie zu endlosen Debatten geführt: die neue Berechnungsgrundlage der Regelsätze beim Bürgergeld, über die Ausweitung des Kreises der Wohngeld-Berechtigten bis hin zum Abbau der kalten Progression.
Schwachstelle: an manchen Stellen zu vage
Dazu zählen auch die Verständigung auf die Abschöpfung der teils erheblichen Zufallsgewinne von Energieversorgern, die vom hohen Gaspreis als Trittbrettfahrer profitieren, und die Einführung einer Strompreisbremse für den Basisverbrauch. Ausgerechnet hier wird auch die Schwachstelle der Beschlüsse deutlich: An wichtigen Stellen bleiben sie vage. Das gilt für den Zeitpunkt, ab wann die Abschöpfung greifen soll. Wenn sich das Projekt im Brüsseler Dickicht verfängt, könnte das noch eine ganze Weile dauern. Und es wäre nicht verkehrt, wenn man wüsste, wo denn die Grenze, ab der Gewinne abgeschöpft werden, liegen soll. Wie auch noch ganz unklar ist, bei welchem Preis denn der Deckel für den Grundverbrauch liegen soll. Auf konkrete Antworten warten auch noch andere: Die Stadtwerke zum Beispiel, über die sich in dem Beschlusspapier gar nichts findet. Und auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen sich weiter fragen, wie die Bundesregierung ihnen helfen wird. Im Nebel bleibt schließlich auch die Zukunft des 9-Euro-Tickets, wo der schwarze Peter nun den Ländern zugeschoben wird.
Stoff für weitere Debatten
Es gibt also noch jede Menge Stoff für weitere Debatten. Innerhalb und außerhalb des Parlaments. Allerdings sollten diejenigen, die zum Beispiel schon morgen in Leipzig auf die Straße gehen, immerhin anerkennen, dass das nun vorgelegte Programm gerade für soziale Schwache einige sehr handfeste Verbesserungen enthält.
Alles in allem erweist sich die neue Bundesregierung, trotz ihrer heterogenen Zusammensetzung erneut als erstaunlich handlungsfähig. Das ist beruhigend, denn trotz aller staatlichen Hilfen kann der kommende Winter noch sehr hart werden. Das neue Paket ist kein Allheilmittel. Die weiteren Entwicklungen werden konstantes Nachsteuern erforderlich machen.