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Albtraum USA-Reise: Schikanen, Verhöre und Abschiebehaft für deutsche Touristen

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Fast zwei Millionen Deutsche reisten im vergangenen Jahr in die USA. Seit Donald Trump im Januar ins Weiße Haus zurückkehrte, nimmt die Willkür an den Grenzen zu. Selbst mit Greencard, Visum oder gültiger ESTA wird die Einreise zur Nervensache.

Von unserem Korrespondenten Thomas Spang

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Ein deutscher Elektroingenieur, ein französischer Wissenschaftler, eine kanadische Schauspielerin und die Musiker einer britischen Punk-Band teilen eine Erfahrung: Trotz gültiger Dokumente verweigerten ihnen die US-Grenzer die Einreise. Mehr als das mussten sie harsche Verhöre, Abschiebehaft oder die Durchsuchung ihrer elektronischen Geräte über sich ergehen lassen.

Deutscher Elektroingenieur am Flughafen Boston in Gewahrsam genommen

Der Fall des deutschen Elektroingenieurs Fabian Schmidt hat besondere Beachtung gefunden. Seit 17 Jahren lebt der 34-Jährige mit einer Greencard in den USA, hat eine langjährige Partnerschaft und eine achtjährige Tochter. Als er von einem Besuch in Luxemburg zurückkehren wollte, stoppten ihn Grenzbeamte am Flughafen Boston und nahmen ihn in Gewahrsam. Auf welcher Grundlage ist bis heute nicht klar.

Schmidts Anwalt David Keller sagt, seinem Mandanten sei kein Grund mitgeteilt worden. Das deutsche Konsulat in Boston bemüht sich um seine Freilassung, für die sich auch eine Gruppe an Unterstützern an seinem Wohnort in Rhode Island einsetzt.

Mutter Astrid Senior erwähnte, dass ihr Sohn in der Vergangenheit wegen Marihuana-Besitzes mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei – eine Anklage, die nach der Legalisierung in Kalifornien fallen gelassen wurde. In einem Interview mit dem Sender WGBH berichtet sie von „stundenlangen“ Verhören ihres Sohns. „Sie verweigerten ihm Schlaf, Essen, Wasser und Medikamente.“

Ein Bildschirmbild der Freiheitsstatue begrüßt ankommende Reisende auf einer Rolltreppe im neuen Terminal B des Flughafens LaGuardia.  Offenbar sind nicht mehr alle Touristen willkommen.
Ein Bildschirmbild der Freiheitsstatue begrüßt ankommende Reisende auf einer Rolltreppe im neuen Terminal B des Flughafens LaGuardia. Offenbar sind nicht mehr alle Touristen willkommen.  Foto: Mark Lennihan

Nach Trump-Dekret: US-Grenzbeamte handeln zunehmend restriktiv

Der Elektroingenieur ist einer von vier deutschen Staatsbürgern, die seit Trumps Erlass eines Dekrets zur „Sicherung der Grenzen“ die neue Willkür bei der US-Einreise erfahren mussten.

Jessica Brösche gehört auch dazu. Die Berlinerin wollte am 15. Januar von Mexiko aus in die USA einreisen. Der Grenzbeamte fand bei ihr Tätowierutensilien und verdächtigte sie, illegal in den USA arbeiten zu wollen. Obwohl sie versicherte, nur als Touristin einzureisen, verbrachte sie zwei Wochen in amerikanischer Abschiebehaft, bevor sie nach Deutschland zurückkehren musste. In Interviews beschrieb sie die Haftbedingungen als entwürdigend und die Behandlung durch die Grenzer als unverhältnismäßig hart.

Reiseabsicht oft infrage gestellt – selbst Touristen betroffen

Ähnlich erging es der 22-jährigen deutschen Studentin Celine Flad. Trotz gültigem Reisepass und ESTA-Formular teilte man ihr bei der Einreise über den Flughafen Newark mit, es gebe ein „Problem“ mit ihrem Pass. Hotelbuchungen in New York und Miami sowie ein Flugticket weiter nach Cancún in Mexiko halfen ihr nicht, ihren Status zu klären. Die Grenzer hielten sie 24 Stunden lang fest, bevor sie Celine in Hand- und Fußfesseln auf einen Flieger zurück nach Deutschland brachten.

Auch der 25-jährige Lucas Sielaff aus Bad Bibra in Sachsen-Anhalt fand sich in Ketten wieder. Bei der Einreise mit seiner amerikanischen Verlobten von Mexiko in die USA gab er in gebrochenem Englisch missverständlich an, dass er in Las Vegas „wohne“. Die Beamten interpretierten das als illegalen Aufenthalt und brachten ihn in den überfüllten „Otay Mesa Detention Center“. Nach 16 Tagen schoben die US-Behörden Sielaff ab.

Auswärtiges Amt aktualisiert Reisehinweise für die USA

Das Auswärtige Amt hat aufgrund der sich häufenden Vorfälle seine Reisehinweise für die USA aktualisiert und warnt vor möglichen Konsequenzen selbst bei kleinsten Vergehen. „Vorstrafen in den USA, falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder eine auch nur geringfügige Überschreitung der Aufenthaltsdauer bei Reisen können bei Ein- beziehungsweise Ausreise zur Festnahme, Abschiebehaft und Abschiebung führen.“Das Ministerium weist darauf hin, dass „eine ESTA-Genehmigung oder ein US-Visum nicht in jedem Fall zur Einreise in die USA berechtigt“.

Noor Zafar von der Bürgerrechtsorganisation ACLU empfiehlt Reisenden „zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen“. Die Einreisekontrollen fänden technisch außerhalb des US-Territoriums statt. „Die Entscheidung liegt allein im Ermessen der Grenzbeamten.“

Einreise wegen Trump-kritischen Äußerungen verweigert?

Besonders problematisch ist die Durchsuchung elektronischer Geräte, die im Fall eines französischen Wissenschaftlers zum Einreiseverbot führte. Der Forscher wollte Anfang März zu einer Tagung im texanischen Houston reisen. Frankreichs Forschungsminister Philippe Baptiste wirft den USA vor, der Wissenschaftler habe allein wegen kritischer Äußerungen an Trumps Forschungspolitik nicht einreisen dürfen. Das Heimatschutzministerium wies das zurück.

Obwohl Durchsuchungen elektronischer Geräte in der Vergangenheit selten waren, gibt es keinen rechtlichen Schutz dagegen. Wer nicht kooperiert, kann automatisch zurückgewiesen werden. Experten raten deshalb, vor der Reise sensible Daten zu sichern und nicht benötigte Geräte zu Hause zu lassen.

Drei Bandmitglieder werden aus USA „herausgeworfen“

Während die US-Behörden bestreiten, dass missliebige Meinungen von Besuchern über Trump oder dessen Politik zu Schikanen und Abschiebungen führen könnten, haben die Mitglieder der britischen Punk-Band U.K. Subs genau diesen Verdacht. Statt bei einem Festival in Los Angeles aufzutreten, landeten drei Musiker in der Abschiebehaft. „Ich bin jetzt 67 Jahre alt und wurde aus Amerika herausgeworfen – irgendwie bin ich fast stolz darauf“, kommentierte Bassist Alvin Gibbs seine Erfahrung auf Facebook. „Meine Beziehung zu den USA ist auf absehbare Zeit beendet.“

Das dürfte die kanadische Schauspielerin Jasmine Mooney ähnlich sehen. Die 35-jährige „American Pie“-Darstellerin landete nach Festnahme an der Grenzstation San Ysidro in Kalifornien im „San Luis Regional Detention Center“ von Arizona. In einem tränenreichen Interview mit ABC10 beschreibt sie ihre Erfahrung als „Verschleppung“. Dank massiver Bemühungen von Familie, Freunden und Unterstützern ist sie zurück in Kanada.

US-Tourismusindustrie ist bereits alarmiert – Vertrauen schwindet

Reisen in die USA werden für Nicht-Staatsangehörige zunehmend zu einem unkalkulierbaren Risiko. Während Lufthansa und Condor noch gute Miene zum bösen Spiel machen, zeigt sich die amerikanische Tourismusindustrie bereits alarmiert. Die Branche korrigierte die Wachstumserwartung von fünf Prozent zu einem Rückgang von neun Prozent. Vor allem Kanadier kommen nicht mehr. Auf dem Landweg gingen die Einreisen bereits um knapp ein Viertel zurück, im Flugverkehr um 13 Prozent. Auch Reisende aus Europa überlegen sich nun zunehmend, ob sie riskieren wollen, dass ihre Traumreise in einem Albtraum an der Grenze endet.

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