Österreich bedauert Boykott - ESC-Gemeinschaft gespalten
Seit Beginn des Gaza-Kriegs überschattet der Konflikt den Song Contest. Die Entscheidung der Rundfunkunion, Israel 2026 teilnehmen zu lassen, legt tiefe Risse innerhalb der ESC-Gemeinschaft offen.

Österreich als Gastgeber für den Eurovision Song Contest 2026 freut sich auf die Teilnahme Israels und zeigt wenig Verständnis für Boykott-Ankündigungen aus mehreren europäischen Ländern. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sagte, er sei generell «skeptisch, was den Boykott von Künstlerinnen und Künstlern angeht – insbesondere, wenn es ihre Herkunft betrifft.» Kritisch äußerte sich auch Österreichs öffentlich-rechtlicher Sender ORF, der den ESC am 16. Mai in Wien organisiert. Zugleich offenbart die Entscheidung für Israels Teilnahme eine tiefe Spaltung zwischen den Mitgliedssendern der Europäischen Rundfunkunion (EBU).
Wegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg hatten einige Sender den Ausschluss des Landes vom ESC gefordert. Unter anderem Deutschland stellte sich dagegen. Am Donnerstag stimmten die Mitgliedssender der EBU in Genf zwar nicht direkt über die Teilnahme Israels ab, sondern über eine Änderung der Abstimmungs- und Werbe-Regeln für den Song Contest. Die mehrheitlich angenommene Änderung bedeutet nach Angaben der EBU aber, dass alle Länder an dem Musikwettbewerb teilnehmen könnten, die das wünschten. Damit steht einer Teilnahme Israels am nächsten ESC nichts mehr im Weg.
Die Sender aus Spanien, Irland, Slowenien und den Niederlanden kündigten daraufhin den Boykott der Veranstaltung an. Auch Belgien, Island, Schweden und Finnland erwägen einen solchen Schritt. Die Spanier gehören wie Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich zu den fünf wichtigsten Geldgebern der Veranstaltung. Welche Auswirkungen die Boykottankündigungen auf den Wettbewerb haben werden, ist noch ungewiss. Die Zahl der Teilnehmerländer variiert beim ESC jedes Jahr.
Weimer: «Israel gehört zum ESC wie Deutschland zu Europa»
ORF-Intendant Roland Weißmann bedauerte den Boykott. «Ich sehe den Eurovision Song Contest in Wien als Chance, das Verbindende vor das Trennende zu stellen», sagte er und betonte, dass am ESC nicht Länder teilnähmen, sondern Künstler. Bürgermeister Ludwig teilte mit, er begrüße die Entscheidung zu Israels Teilnahme ausdrücklich. «Israelische Künstler*innen sollen und werden bei uns immer ihre Darbietungen durchführen können.»
Positiv wertete auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) die Entscheidung der EBU: «Israel gehört zum ESC wie Deutschland zu Europa», sagte er der «Bild». Deshalb finde er es gut, dass Israel auch 2026 Teil des größten Gesangswettbewerbs der Welt bleibe. «ESC ist ein Anlass, mit Freundinnen und Freunden einen tollen Abend zu verbringen und die Vielfalt der Musik zu feiern.»
Beim in der ARD beim ESC federführenden Südwestrundfunk (SWR) hieß es, dass man sich auf die Teilnahme am ESC 2026 «als Fest für Kultur, Vielfalt und Zusammenhalt» freue. Die Absagen wurden bedauert.
In Israel begrüßte Staatspräsident Izchak Herzog die Entscheidung ausdrücklich. Der israelische Rundfunkveranstalter KAN teilte mit, der Versuch, den israelischen Beitrag auszuschließen, könne «nur als kultureller Boykott verstanden werden. Ein Boykott mag heute beginnen – mit Israel –, aber niemand weiß, wo er enden wird und wem er noch schaden könnte».
Kritik an EBU-Entscheidung
Dagegen übten die Sender aus Spanien, Irland den Niederlanden und Slowenien massive Kritik. Der Präsident des spanischen Senders RTVE, José Pablo López, sagte, die Entscheidung zur Teilnahme Israels bestätige, dass es sich nicht um einen Musikwettbewerb handele, sondern um ein Festival, das von geopolitischen Interessen dominiert werde. Der niederländische Sender Avrotros teilte mit, dass «eine Teilnahme unter den gegenwärtigen Umständen mit den für uns wesentlichen öffentlichen Werten unvereinbar ist».
Der irische Sender RTÉ erklärte, eine Beteiligung Irlands am ESC sei «angesichts des entsetzlichen Verlusts von Menschenleben in Gaza und der humanitären Krise dort» unzumutbar. Der slowenische Sender RTV teilte mit, als öffentlich-rechtlicher Sender sei man der Einhaltung ethischer Grundsätze verpflichtet.
Neue Regeln sollen für Transparenz und Vertrauen sorgen
Laut der Rundfunkunion sollen durch die Änderung der Abstimmungs- und Werbe-Regeln für den Song Contest unter anderem regierungsnahe Werbekampagnen für ESC-Teilnehmer beschränkt werden. Dies war eine Reaktion auf das Ergebnis des ESC 2025 in Basel. Dort hatte die israelische Sängerin Yuval Raphael durch extrem viele Publikumsstimmen Platz zwei belegt. Kritiker behaupteten, die Publikumsstimmen seien manipuliert worden.
Die Änderungen sollen laut der EBU für «Vertrauen, Transparenz und Neutralität» beim ESC sorgen. Das Motto des 70. ESC-Finales lautet «United by Music» - vereint durch Musik.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs 2023 überschattet der Nahost-Konflikt den ESC. Sowohl beim Wettbewerb in Malmö 2024 als auch in Basel 2025 gab es israelkritische Demonstrationen auf den Straßen und vereinzelt auch Pfiffe und Buhrufe im Saal gegen die israelischen Auftritte. Auslöser des Gaza-Kriegs war das Massaker der islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober 2023. Seit fast zwei Monaten gilt eine Waffenruhe zwischen Israel und der Terrororganisation.
2025 gewann Countertenor JJ
Nach dem Sieg des Countertenors JJ mit seinem Song «Wasted Love» in Basel fällt Österreich 2026 die Rolle des Gastgebers zu. 2025 verfolgten die Veranstaltung rund 170 Millionen Menschen am Fernseher, außerdem wurden mehr als zwei Milliarden Social-Media-Kontakte gezählt.
Der Eurovision Song Contest hat sich seit den Anfängen 1956 zu einem der kostspieligsten Live-Events Europas entwickelt. Neben den Ausrichtern vor Ort übernehmen die fünf größten ESC-Nationen einen Löwenanteil der Kosten. Deren Acts sind seit vielen Jahren jedes Mal automatisch für das Finale gesetzt.

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