Stimme+
Seit Mitternacht
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Irreguläre Migration: Deutschland weitet Grenzkontrollen aus

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Deutschland weitet die bereits laufenden Grenzkontrollen im Osten und Süden des Landes an diesem Montag auf alle Landgrenzen aus, auch die im Westen und Norden. Was das für Reisende bedeutet.

Von dpa, red

Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Deutschland hat seine bereits laufenden Grenzkontrollen im Osten und Süden des Landes wie angekündigt auf die Landgrenze im Westen ausgeweitet. Seit Mitternacht kontrollieren Beamte in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden, wie die Bundespolizei bestätigte und Reporter der Deutschen Presse-Agentur beobachteten. Am Montag sollen auch Kontrollen an den Grenzen nach Luxemburg und Dänemark eingerichtet werden. 

Die zusätzlichen Kontrollen sollen zunächst sechs Monate andauern, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Der Pendler- und Reiseverkehr soll möglichst wenig beeinträchtigt werden.

Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen. Bisher kontrollierte die Bundespolizei nur an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich, der Schweiz und seit den Olympischen Spielen in Paris auch Frankreich. Rechtlich möglich sind die weiteren Kontrollen seit Mitternacht.

Grenzkontrollen ausgeweitet: Faeser will illegale Migration zurückdrehen

Innenminister Nancy Faeser (SPD) sagte am Sonntagabend: "Diese Maßnahme ist aus meiner Sicht dringend erforderlich, um die irreguläre Migration weiter zurückzudrehen." Sie hatte in der vergangenen Woche angeordnet, dass es ab Montag an allen Landgrenzen stationäre Kontrollen geben soll. 

Ein Sprecher der Bundespolizei sagte, in Niedersachsen seien wie geplant zusätzliche Beamte im Einsatz. Sie sollen auf niedersächsischer Seite Einreisende aus Richtung Niederlande überprüfen. Feste Kontrollstellen wurden auf der Autobahn 30 bei Bad Bentheim, der A280 bei Bunde und der Bundesstraße 402 bei Schöninghsdorf (Höhe Meppen) eingerichtet. Zudem waren im grenznahen Raum zu den Niederlanden auch auf den Nebenstraßen Fahndungsmaßnahmen angekündigt. In Nordrhein-Westfalen kontrollierten Bundespolizisten etwa auf der Autobahn 44 bei Aachen Einreisende aus Richtung Belgien.

Am frühen Morgen steht im strömenden Regen ein Beamter der Bundespolizei am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke und überwacht den Einreiseverkehr nach Deutschland.
Am frühen Morgen steht im strömenden Regen ein Beamter der Bundespolizei am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke und überwacht den Einreiseverkehr nach Deutschland.  Foto: dpa/Patrick Pleul

Was die Grenzkontrollen bringen sollen

Stationäre Grenzkontrollen ermöglichen sogenannte Zurückweisungen. Das ist weniger aufwendig, als dafür zu sorgen, dass jemand, der bereits unerlaubt eingereist ist, Deutschland wieder verlässt. Laut Bundesinnenministerium gab es seit Oktober 2023 mehr als 30.000 Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Zurückgewiesen werden derzeit Ausländer, die kein Asylgesuch vorbringen, und solche, die mit einer Einreisesperre belegt sind. Eine Forderung der Unionsfraktion nach umfassenderen Zurückweisungen hatte die Ampel-Koalition wegen europarechtlicher Bedenken abgelehnt.

Was die Nachbarländer von Kontrollen an den deutschen Grenzen halten

Nachbarländer wie Österreich und Polen hatten - auch im Zuge dieser umfassenderen Diskussion - Bedenken gegen die Ausweitung der Grenzkontrollen angemeldet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat aber "begonnen, mit den Chefs der Nachbarländer sehr sorgfältig zu sprechen, übrigens auch mit der Präsidentin der Europäischen Kommission", wie er am Sonntagabend auf seiner Usbekistan-Reise sagte. "Alle wissen, dass wir uns im Rahmen des europäischen Rechts bewegen, aber da unsere Möglichkeiten maximal ausnutzen", erklärte Scholz. "Alle verstehen, dass die Zahl derjenigen, die nach Deutschland kommen, zu groß ist und dass es deshalb ein nachvollziehbares Interesse der deutschen Regierung ist, dafür zu sorgen, dass wir diese Dinge durch ein gutes Management irregulärer Migration in den Griff kriegen." Dazu gehörten auch solche Kontrollen.

Bei denen Grünen werden sie aber kritisch gesehen. "Es ist fraglich, wie effektiv der Grenzschutz sein kann, auch angesichts der personellen Ausstattung der Bundespolizei", sagte etwa Nordrhein-Westfalens Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur dem «Tagesspiegel». 

Grenzkontrollen sind vorerst für sechs Monate geplant

Faeser hatte die Ausweitung der Kontrollen am vergangenen Montag wie vorgeschrieben bei der EU-Kommission angemeldet und mit einer großen Belastung Deutschlands durch irreguläre Migration begründet. Sie sind erst einmal für sechs Monate geplant. Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass solche Kontrollen nach der Einführung so schnell nicht mehr enden. An den Landgrenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz kontrolliert die Bundespolizei seit Mitte Oktober, an der Grenze zu Österreich bereits seit Herbst 2015.

Nach dem Schengener Abkommen ist das grundsätzlich nicht vorgesehen. Aber auch andere Schengen-Staaten kontrollieren an ihren Landgrenzen und begründen dies teils mit der Begrenzung irregulärer Migration, teils mit der Bedrohung durch islamistischen Terrorismus beziehungsweise mit Risiken im Kontext des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Warum die Union die Grenzkontrollen für unzureichend hält

Der Union hält die Kontrollen für unzureichend, um der irregulären Zuwanderung Herr zu werden. "Kontrollen alleine reichen nicht aus. Die Verweigerung der Ampel für umfassende Zurückweisung ist eine Kapitulation", sagte der Vorsitzende der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt der "Bild"-Zeitung.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) warb für weitere Gespräche unter anderem mit der SPD. Diese müsse es "unbedingt" geben, sagte er auf eine entsprechende Frage im "Berlin Playbook"-Podcast des Magazins "Politico". "Es ist ganz wichtig, dass man zusammen kommt. Das muss über Parteigrenzen hinweg gelöst werden."

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz bekräftigte seine prinzipielle Offenheit für ein Spitzengespräch mit Kanzler Scholz. Er habe seine Bereitschaft dazu erklärt, sagte der Unionsfraktionschef in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". "Der Regierungssprecher hat allerdings dann erklärt, der Bundeskanzler würde daran nicht denken, eine solche Einladung auszusprechen. Dazu können wir ihn nicht zwingen. Ich nehme das zur Kenntnis."

Landesinnenminister Strobl begrüßt Ausweitung der Grenzkontrollen

Landesinnenminister Thomas Strobl begrüßt die zusätzlichen Grenzkontrollen. Ein besserer Schutz der Binnengrenzen sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Und freilich werden die Grenzkontrollen zur Schweiz und zu Frankreich auch künftig mit Maß und Mitte durchgeführt", kündigte er an. 

An der Grenze zum Elsass würden mit dem neuen Schritt de facto keine größeren Veränderungen erwartet, hieß es von Sicherheitsexperten. Denn an der deutsch-französischen Grenze werde schon seit Längerem kontrolliert - Anlass war zunächst die Fußball-EM, dann folgten die Olympischen Spiele in Paris. Strobl sagte, allein in den sechs Wochen rund um die EM hätten Beamte an den Grenzen des Landes zur Schweiz und zu Frankreich mehr als 1500 Menschen zurückgewiesen. Außerdem wurden über 1500 unerlaubte Einreisen registriert. 26 mutmaßliche Schleuser wurden festgenommen. 

Grenzkontrollen: Welche Auswirkungen sind in Baden-Württemberg zu erwarten?

Die Bundespolizei werde bei den Kontrollen insbesondere von der Bundesbereitschaftspolizei unterstützt, falls dies nötig sei, teilte die Bundespolizeidirektion Stuttgart auf Anfrage mit. Aus taktischen Gründen wurden keine Einzelheiten mitgeteilt. Die Grenzkontrollen werden demnach - wie schon zuvor - "lageabhängig, zeitlich und örtlich flexibel und an Schwerpunkten orientiert durchgeführt". Auswirkungen auf Pendler sollten so gering wie möglich gehalten werden. Reisende sollten Ausweispapiere griffbereit dabeihaben, lautete ein Ratschlag. 

Kontrollen wirken sich durchaus auf den Verkehr aus - so stauten sich am Freitag Autos an der Kehler Europabrücke. Auch in Zügen und auf Bahnhöfen wird kontrolliert. 

Nach oben  Nach oben