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„Ganze Heimat kaputt“: Nach Gletscherabbruch im Schweizer Lötschental droht Flutwelle

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Ein Gletscherabbruch hat das Schweizer Lötschental getroffen, Bewohner des Ortes Blatten stehen vor dem Nichts. Nun droht die nächste Katastrophe.

Von red/dpa

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Eine Eis- und Gerölllawine donnerte am Mittwochnachmittag mit gigantischem Getöse und einer Staubwolke wie nach einer Explosion ins Lötschental in der Schweiz – und begrub den Ort Blatten unter sich. Nach dem gigantischen Gletscherabbruch im Kanton Wallis droht nun eine weitere Katastrophe. Ein meterhoher Damm aus Geröll, Fels und Eis verhindert den Abfluss des Flüsschens Lonza. Dahinter stauen sich bereits immense Wassermassen. 

Nach Gletscherabbruch im Schweizer Lötschental droht Flutwelle

Wenn das Wasser durchbricht, droht weiter unten im Tal eine Flutwelle oder ein Murgang, also eine Gerölllawine, wenn das Wasser dann Teile des Damms ins Tal reißt. In zwei Weilern wurden bereits mehrere Häuser vorsichtshalber geräumt. Auf Drohnenbildern ist zu sehen, dass ein Großteil von Blatten unter einer meterhohen Schuttschicht liegt, die wenigen verschonten Häuser sind von der Lonza überflutet. 

Der Abgeordnete Beat Rieder aus dem Nachbarweiler Wiler sprach im Schweizer Fernsehen von einer Jahrhundertkatastrophe. „Es ist ein Ereignis, das das Tal seit Beginn der Geschichtsschreibung nie erlebt hat“, sagte er. „Die Leute haben alles verloren, was man sein ganzes Leben aufgebaut hat.“

Einen Tag nach einer gewaltigen Lawine ist die durch den Abbruch des Birkengletschers ausgelöste Gerölllawine zu sehen. Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben.
Einen Tag nach einer gewaltigen Lawine ist die durch den Abbruch des Birkengletschers ausgelöste Gerölllawine zu sehen. Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben.  Foto: Jean-Christophe Bott

Betroffen ist auch der Weiler Ried nur einen Kilometer vor Blatten. Anwohner Daniel Ritler sagte dem Portal „20 Minuten“: „In ein paar Sekunden war die ganze Heimat kaputt.“ Hof und Haus habe er auf Bildern nicht mehr gefunden. „Es sah so aus wie auf dem Mond.“ 

Armee bereits mobilisiert: Sorge vor Dammbruch im Lötschental

„Das Schlimmste wäre, dass sich Wasser aufstaut bis zur Krone des Bergsturzdammes“, sagte der Geologe Flavio Anselmetti von der Universität Bern dem Schweizer Radiosender SRF. Der Fluss könne sich dann in das Gestein-Eis-Gemisch einschneiden, der Damm instabil werden und brechen.

„Dann könnten sehr starke Flutwellen oder Murgänge von diesem Seeausbruch für die Gemeinden, die im unteren Tal liegen, drohen.“ Die Armee ist bereits mobilisiert. Mit Drohnen und Hubschrauberüberflügen wird die Lage stündlich beurteilt. 

Einen Tag nach einer gewaltigen Lawine ist das Dorf Kippel im Vordergrund zu sehen, dahinter die durch den Abbruch des Birkengletschers ausgelöste Gerölllawine.
Einen Tag nach einer gewaltigen Lawine ist das Dorf Kippel im Vordergrund zu sehen, dahinter die durch den Abbruch des Birkengletschers ausgelöste Gerölllawine.  Foto: Jean-Christophe Bott

Räumtrupps und Armee können zurzeit nichts tun, wie der Kanton Wallis mitteilte. Die Lage sei zu gefährlich. Am Berg Kleines Nesthorn drohten weitere Hunderttausende Kubikmeter Fels abzustürzen. Jederzeit könnten sich Gerölllawinen lösen, und auch der Schuttkegel sei zu instabil und könne nicht betreten werden. „Dies macht zum jetzigen Zeitpunkt jegliche Intervention im Katastrophengebiet unmöglich“, so der Kanton. 

Schuttschicht bis zu 200 Meter dick – Einwohner von Blatten haben alles verloren

Die rund 300 Einwohner des Dorfes Blatten haben alles verloren. 90 Prozent des Dorfes, rund 130 Häuser sowie die Kirche, sind unter einer Schuttschicht begraben. Sie sei zwischen 50 und 200 Metern dick, sagte Naturgefahrenchef Raphaël Mayoraz. Der Kegel ist zwei Kilometer lang und rund 200 Meter breit. Insgesamt donnerten nach Schätzungen drei Millionen Kubikmeter Fels, Geröll und Eis des Birchgletschers ins Tal. Blatten ist das letzte Dorf im 27 Kilometer langen Lötschental. Es liegt auf rund 1500 Metern. 

Die gesperrte Straße in Richtung Blatten im Kanton Wallis in der Ortschaft Wiler.
Die gesperrte Straße in Richtung Blatten im Kanton Wallis in der Ortschaft Wiler.  Foto: Peter Klaunzer

Die gute Schweizer Überwachung der Gebirge hatte schon Mitte Mai zu Warnungen geführt, dass oberhalb des Dorfes ein Bergsturz droht. Als die Spalten im Fels schnell wuchsen, kam am 19. Mai aber doch recht plötzlich der Aufruf, das Dorf innerhalb einer Stunde zu verlassen. Viele haben in Kürze das Nötigste zusammengepackt und sind abgefahren.

64-Jähriger vermisst nach Gletscherabbruch im Lötschental

Über Tage bröckelte der Fels und Brocken donnerten ins Tal, aber nichts davon erreichte Blatten. Bei der Evakuierung machten viele deutlich, dass sie die Vorsichtsmaßnahmen zwar schätzten, aber dennoch damit rechneten, dass das Dorf glimpflich davonkommt - wie bei ähnlichen Lagen in anderen Bergregionen. Im Lötschental ist aber das schlimmste erdenkliche Szenario Wirklichkeit geworden. Ein 64-jähriger Einheimischer war trotz Räumung am Mittwoch im Gefahrengebiet und wird vermisst.

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