Lindert der Verzicht auf Zucker Schmerzen während der Geburt?
Schwangeren wird häufig empfohlen, kurz vor Entbindung auf Süßes zu verzichten. Was der Chef der SLK-Frauenklinik dazu sagt und wie diese Theorie zustande kommt.

Sechs bis acht Wochen vor Entbindungstermin keinen Zucker essen, um eine schmerzfreiere und schnellere Geburt zu erleben. Diese Empfehlung hören Schwangere im dritten Trimester häufig von Hebammen, auch das Internet ist voll von Tipps zur zuckerfreien Ernährung sowie der sogenannten Louwen-Diät während der Schwangerschaft. Studien, die den Zusammenhang zwischen Schmerzempfinden und Zuckerverzicht eindeutig belegen, sucht man jedoch vergeblich. Meist ist die Rede von einer Theorie.
Diese besagt, dass eine hohe Insulinausschüttung die Wirksamkeit von Prostaglandin hemmt, da beide Hormone an denselben Rezeptoren auf der Zelloberfläche andocken. Prostaglandin ist ein Gewebshormon, das an Schmerz- und Entzündungsprozessen beteiligt ist und in der Schwangerschaft verstärkt ab der 35. Schwangerschaftswoche ausgeschüttet wird. Dass Zuckerverzicht Schmerzen lindern kann, klingt demnach plausibel. "Wissenschaftlich bewiesen ist es aber nicht", sagt Professor Nikolaus de Gregorio, Chef der SLK-Frauenklinik in Heilbronn. Ihm sei keine Studie bekannt, die diese Wirkung bestätige. Es gebe aber wohl Tierversuche zu diesem Thema.
Schmerzempfinden zu messen, ist schwierig
Seiner Einschätzung nach wäre es auch schwierig, das Schmerzempfinden von Frauen während der Geburt zu messen und mit der vorherigen Ernährung in Verbindung zu bringen. "Schmerz ist extrem subjektiv", verdeutlicht er. Trotzdem könne eine zuckerfreie Ernährung in der Schwangerschaft sinnvoll sein. Der Verzicht auf kurzkettige Zucker beziehungsweise Kohlenhydrate gehöre zu einer gesunden Ernährung. Wenn bei einer Frau Schwangerschaftsdiabetes festgestellt werde, müsse sie ohnehin eine strenge Diät einhalten. Diese Fälle seien recht häufig. "Es gibt viel zu viele Schwangere mit Diabetes", betont er.
Die Ursache: Viele Frauen würden während der Schwangerschaft zu viel essen und dadurch zu viele Kalorien zu sich nehmen. Das sei aber nicht bei allen Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes der Fall, betont Nikolaus de Gregorio. "Auch normalgewichtige Frauen, die sich gesund ernähren, können Schwangerschaftsdiabetes bekommen, hier scheinen dann eher genetische Ursachen oder bestimmte Medikamente ursächlich." Bewegungsarmut sei ein Einflussfaktor, den die Frauen selbst bestimmen könnten.
Schwangerschaftsdiabetes muss nicht zu Komplikationen führen
Wer die Diagnose erhält und gut behandelt wird, müsse sich keine Sorgen machen. Die Geburt könne trotzdem ohne Komplikationen ablaufen. Wenn der Diabetes unbehandelt bleibe, drohten jedoch Gefahren für das Kind, warnt der Spezialist. Die Geburt könne etwa erschwert sein, da die Kinder überdurchschnittlich groß sind, auch die Sterblichkeit im Mutterleib sei erhöht, wenn die Kinder den errechneten Geburtstermin überschreiten. Da sie die hohe Insulinmenge der Mutter gewohnt sind, kämen die Neugeborenen außerdem schnell in Unterzucker und hätten eher Anpassungsstörungen als andere Babys.
Nikolaus de Gregorio warnt aber auch, dass eine zuckerfreie Ernährung nicht für jeden das Richtige sei. Bei Menschen mit Typ-I-Diabetes zum Beispiel sei das sogar gefährlich. Ob alternative Süßungsmittel wie Stevia für Schwangere zu empfehlen sind, kann der Gynäkologe nicht pauschal beantworten. "In geringen Mengen ist das sicher kein Problem." Er weist jedoch darauf hin, dass Studien den Zusammenhang zwischen Süßstoffen und Krebsentstehung belegten.
Was ist die Louwen-Diät?
Bei der häufig empfohlenen Louwen-Diät während der letzten Schwangerschaftswochen werden Lebensmittel vermieden, die den Blutzuckerspiegel stark ansteigen lassen. Dies soll bewirken, dass die Geburt schneller und schmerzfreier abläuft. Trotz der Bezeichnung als Diät geht es aber nicht ums Abnehmen, sondern um die Höhe des Blutzuckerspiegels, erläutert etwa die Krankenkasse DKV auf ihrer Internetseite. Es sollten Lebensmittel mit einem niedrigen Kohlenhydrat- und einem hohen Ballaststoffanteil gegessen werden.
Dazu gehören zum Beispiel Vollkornprodukte, Nüsse, Hülsenfrüchte, Obst mit wenig Fruchtzucker wie Äpfel, Orangen und Kiwis. Vermieden werden sollten dagegen Produkte aus Weißmehl und Süßigkeiten sowie unter anderem Kartoffeln, Mais, Mango und Weintrauben. Die DKV räumt jedoch auch ein, dass es keine Belege dafür gebe, dass die Geburt schmerzhafter werde oder sich verzögere, wenn man diese Ernährungsform nicht praktiziere.