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Hygge im winterlichen Kopenhagen

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Am wärmsten,wenn es kalt ist: Gemütlichkeit drinnen und draußen - In die dänische Hauptstadt Kopenhagen reist es sich wunderbar im Winter

Copenhill ist ein ungewöhnlicher, futuristischer Freizeithügel: Auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage fahren die Menschen auf Trockenpisten Ski. Wer mag, genießt in der Rooftopbar zur anderen Seite einfach nur den Blick auf Stadt und Meer.
Copenhill ist ein ungewöhnlicher, futuristischer Freizeithügel: Auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage fahren die Menschen auf Trockenpisten Ski. Wer mag, genießt in der Rooftopbar zur anderen Seite einfach nur den Blick auf Stadt und Meer.  Foto: Sapara, Stefanie

Die Zimtschnecke ist lauwarm. Und duftet. Wie der Kaffee im großen Becher daneben. Fehlt nur noch: Zurücklehnen in diesem gemütlichen Sessel in diesem gemütlichen Café in dieser ... gemütlichen Stadt. In Kopenhagen, so wirbt man hier, sei es am Wärmsten, wenn es kalt ist. Oder anders gesagt: Im Winter ist"s hier am hyggeligsten. Die Dänen lieben dieses Wort, das für - natürlich - Gemütlichkeit steht. Und irgendwie auch genauso klingt. Deshalb haben sie schon recht, die Kopenhagener, wenn sie über ihre im Sommer von Millionen von Kreuzfahrt- und anderen Touristen überlaufene Hauptstadt selbstbewusst sagen können: Kommt jetzt! In den dunklen Monaten. Ja, die Tage sind kurz und vielleicht trüb. Aber die Straßen sind leer, die Schlangen kurz und das dänische Lebensgefühl zieht samt Zimtschneckenduft durch die Viertel.

Am besten zu Fuß

Apropos Viertel. Da ist zum Beispiel Nørrebro. Weit weg von der berühmten Kleinen Meerjungfrau, aber doch mitten drin in Kopenhagen. Und auch wenn das (Lasten-) Fahrrad des Dänen liebstes Fortbewegungsmittel ist, soll hier ein Plädoyer dafür stehen, Nørrebro und den Rest der Stadt zu Fuß zu erkunden. Im Winter? Gerade dann. Wer läuft, friert nicht auf dem Weg von Hyggepunkt 1 zu Hyggepunkt 2, vom Restaurant zur Glyptotek, von der trubelig-schönen Markthalle zur wunderschönen Universitätsbibliothek, vom beeindruckend tollen Designmuseum zur nächsten Zimtschnecke. Zweitens: Wer läuft, kann hinterher ruhigen Gewissens die Köstlichkeiten Kopenhagens probieren, von der Patisserie übers Trendessen "Bolle med Ost" - Sauerteigbrötchen mit Butter und Käse - und von wie gemalt aussehendem Smørrebrød bis zur Sterneküche. Günstig ist davon nichts, ausgesprochen lecker ist alles.

Der Brunsviger mit viel Zucker und Butter mag optisch kein Highlight sein, geschmacklich dafür doppelt. In jeglicher Hinsicht toll: das Smørrebrød, belegtes Brot und traditionelles dänisches Mittagessen.
Der Brunsviger mit viel Zucker und Butter mag optisch kein Highlight sein, geschmacklich dafür doppelt. In jeglicher Hinsicht toll: das Smørrebrød, belegtes Brot und traditionelles dänisches Mittagessen.  Foto: Sapara, Stefanie

Junge Stadt

Und drittens: Wer läuft, sieht mehr. Wer läuft, bekommt ein Gefühl für die Stadt und ihre Menschen. Das sind vor allem: viele junge, wie Stadtführerin Sine Louise Schmidt erzählt, während sie durch die Gassen Nørrebros führt. "Jeder Zweite ist unter 30 Jahre alt." Ob es an ihnen liegt, dass sich diese Stadt so entspannt anfühlt? Oder an den vielen Fahrradfahrern? Den Cafés? Alles Mutmaßung. Durchs winterliche Kopenhagen zu laufen, ist jedenfalls: wie Verliebtsein. Man sieht nur das Schöne. Fakten wie horrende Mieten und hohe Lebenshaltungskosten? Ganz weit weg. Ein Spandauer - dänischer Vanilleplunder aus der Bäckerei Andersen & Maillard, wo sich wochenends die Schlange bis hinaus auf die Straße windet - dafür ganz nah.

Winterbaden (links), das geht in Kopenhagen an vielen extra dafür vorgesehenen Stellen. Kalt ist"s, aber ein großer Trend, der Gesundheit wegen. Absolut einen Besuch wert, ist das Kunst- und Design-museum.
Winterbaden (links), das geht in Kopenhagen an vielen extra dafür vorgesehenen Stellen. Kalt ist"s, aber ein großer Trend, der Gesundheit wegen. Absolut einen Besuch wert, ist das Kunst- und Design-museum.  Foto: Sapara, Stefanie

Auf den Friedhof

Ein perfekter Snack-Stop, bevor es mit Sine Louise Schmidt weitergeht, vorbei an Boutiquen, Biomärkten und Galerien, hinein in den imposanten Assistenzfriedhof mit dem Grab von Hans Christian Andersen. Die Kleine Meerjungfrau, die auf sein Märchen anspielt, sieht sich fast jeder Besucher an. Man fährt ja auch nicht nach Paris und lässt den Eiffelturm aus. So ist es eben mit Wahrzeichen. Und auch für die berühmte Statue im Hafenbecken gilt: Im Winter liegt sie fast einsam da, kein Gedränge, kein Rangeln ums beste Selfie. Einfach schön. Trotzdem lohnt der Blick nach links und rechts. Wie auf die Ruhestätte des Dichters und Schriftstellers. Das mondäne Grab mit dem großen Stein ist ein besonderer Ort in der riesigen Parkanlage mit den alten Bäumen und liebevoll geschmückten Gräbern, gerade im neblig-mystisch dänischen Winter.

Kunst, Kultur, Architektur − alle drei werden großgeschrieben in Kopenhagen. In die Liste sehenswerter Orte gehört die 2023 wiedereröffnete Universitätsbibliothek. Das Auge staunt, die Nase atmet den Duft alter Bücher.
Kunst, Kultur, Architektur − alle drei werden großgeschrieben in Kopenhagen. In die Liste sehenswerter Orte gehört die 2023 wiedereröffnete Universitätsbibliothek. Das Auge staunt, die Nase atmet den Duft alter Bücher.  Foto: Sapara, Stefanie

Winterbaden im Hafen

Für sehr große Strecken geht es kurz in Bus und Metro - letztere hochmodern, fahrerlos und der neueste Teil des städtischen Verkehrsnetzes, auf das die Kopenhagener trotz Fahrradliebe mächtig stolz sind. So bringt einen die Bahn auch Richtung Copenhill. "Ein aufregendes und auch etwas verrücktes Projekt", sagt Alexander Kanstrup Ringling von der Copenhill Company. Wie sonst beschreibt man eine Müllverbrennungsanlage, von deren Dach sich eine 450 Meter lange Skipiste nach unten schraubt? Die Regierung habe den Menschen, die in unmittelbarer Umgebung leben, etwas zurückgeben und zeigen wollen, dass es möglich ist, Industrie und Naherholung zu kombinieren - inklusive Rooftopbar, Restaurant, Skischule, vier Liften und 85 Meter hoher Kletterwand. Ganzjährig geöffnet. Skifahren im Sommer? Geht, wenn man nicht auf Schnee angewiesen ist. Copenhill ist eine Dry Slope, eine Trockenpiste, gefahren wird auf Plastik. Akustisch knirscht es fast wie echter Schnee, das kann man mögen oder nicht, Spaß macht es jedenfalls vielen. Und unabhängig davon hat man in Copenhill eine Mission: Man möchte Ort der Begegnung sein. Hyggelig. Stylisch. Anders. Mit Blick aufs Meer, mit Blick auf ganz Kopenhagen. Das ist zweifelsfrei besonders.

 Foto: Sapara, Stefanie

Im Bademantel unterwegs

Besonders, das ist Kopenhagen auch beim Winterbaden. Seit 2015 hat sich die Zahl der Mitglieder in dänischen Winterbadeclubs mehr als verdoppelt. Der Verband der Winterbader hat mehr als 70 000 Mitglieder mit 184 offiziell registrierten Clubs in Dänemark, acht davon in Kopenhagen. So wird es schnell zum vertrauten Bild: Wer durch den Hafen schlendert oder entlang der kleinen Kanäle läuft, trifft Entschlossene jeden Alters im Bademantel, Handtuch unterm Arm, unterwegs zur nächsten Badestelle.

 Foto: Sapara, Stefanie

Vier Grad und viele Glückshormone

Ist es wirklich erstrebenswert, in vier Grad kaltes Wasser zu steigen? "Absolut", sagt Hans Henrik Heming vom Club Copenwater und lacht. "Das Gehirn schüttet Endorphine aus. Gerade im Winter, der ist hier lang und dunkel, ist es ein gutes Mittel gegen Depressionen. Und es stärkt die Abwehrkräfte." Das Geheimnis liege in der Atmung, die Devise laute, ruhig bleiben - oder anders: "Make peace with the freeze". Auch nach über zehn Jahren Winterbaden koste ihn das Eintauchen Überwindung. Aber: "Reinzugehen ist schlicht eine Entscheidung." Zumal der Ausblick auf die Belohnung danach sehr hyggelig ist: In der kleinen Sauna direkt neben der Badestelle brennt bereits das Licht, es ist eingeheizt. Aufwärmen mit Blick auf den Hafen. Getoppt nur noch durch einen heißen Kaffee mit lauwarmer Zimtschnecke. Im gemütlichen Café nebenan.

Tipps und Infos

Anreise:

Direktflug ab Frankfurt, z. B. mit LH. Alternativ mit der Bahn nach Hamburg, weiter in unter fünf Stunden nach Kopenhagen. Vor Ort lohnt sich die Copenhagen Card für den Nahverkehr, mit Vergünstigungen für viele Sehenswürdigkeiten. Praktisch ist ein zentrales Hotel, etwa in der Nähe von Nyhavn.

Restauranttipps:

Fasangarden, www.meyers.dk; für Smørrebrød: Møntergade, www.montergade.dk

Allgemeine Infos:

Eine sehr gute Grundlage bieten www.visitdenmark.de und www.visitcopenhagen.de.

 
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